Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB: Bezahlung eigener Verbindlichkeiten


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V ist knapp bei Kasse. Um eine Rechnung zu tilgen, die sie sonst nicht bezahlen könnte, verkauft V ihren Computer an K. Damit begleicht sie ihre offene Rechnung. Später ficht K den Kaufvertrag wirksam an und verlangt die gezahlten €1.500 heraus. V wendet ein, das Geld sei weg.

Einordnung des Falls

Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB: Bezahlung eigener Verbindlichkeiten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es besteht ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

V hat das Geld durch Leistung erlangt. Der Rechtsgrund dafür ist aufgrund der Anfechtung später weggefallen. V hat also etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt. Der Anspruch besteht.

2. In Fällen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Bereicherungsgegenstands ist grundsätzlich Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Kann das Erlangte, die Nutzungen oder das Surrogat nicht (mehr) so, wie es erlangt worden sind, herausgegeben werden, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Die Wertersatzpflicht steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Einwendung der Entreicherung818 Abs. 3 BGB) nicht greift.

3. Der Bereicherungsschuldner kann sich auch auf die Einwendung der Entreicherung berufen, wenn er Aufwendungen erspart hat.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 818 Abs. 3 BGB greift nur, wenn (1) der Schuldner nicht mehr bereichert ist und (2) der Schuldner schutzwürdig ist (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Selbst wenn das ursprünglich Erlangte weggefallen ist, ist die Bereicherung noch vorhanden, wenn der Schuldner Aufwendungen erspart hat, die er sonst hätte tätigen müssen. Dann ist der Schuldner in Höhe der ersparten Aufwendungen bereichert. Nicht bereichert ist der Schuldner bei sog. Luxusaufwendungen. Hierbei handelt es sich um Ausgaben, die der Schuldner ohne die Verwertung des Bereicherungsgegenstands nicht getätigt hätte.

4. V hätte sich die Begleichung der Rechnung ohne den Bereicherungsgegenstand nicht leisten können. Es handelt sich um Luxusaufwendungen. V ist entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

Nein!

Der Schuldner ist immer noch bereichert, wenn er sich eigene Aufwendungen erspart hat. Allerdings sind Luxusaufwendungen keine ersparten Aufwendungen. Denn das Geld hätte der Schuldner ohne die Bereicherung nicht aufgewandt. Die Bereicherung besteht trotz Wegfalls des Erlangten dann fort, wenn der Schuldner den rechtsgrundlos erlangten Betrag dazu verwendet hat, eigene Verbindlichkeiten zu tilgen, die er andernfalls – ohne rechtsgrundlose Vermögensmehrung – nicht getilgt hätte. Die Befreiung von Verbindlichkeiten ist also ein bestehenbleibender Vermögensvorteil. V ist immer noch bereichert. V hat somit Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

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PH

Philippe

1.3.2022, 21:00:42

Warum wird hier auf § 818 II BGB abgestellt? Ich sehe nicht, dass die Herausgabe des Erlangten unmöglich ist, denn es dürfte doch hier wohl entscheidend um eine Geldsummenschuld gehen und nicht um die einzelnen Geldscheine. Ansonsten müsste man beim Wertersatz doch auch die Inflation mit berücksichtigen, obwohl dies ja sonst eher eine Frage der Verzinsung ist, die nur bei Verzug oder Rechtshängigkeit zu erfolgen hat.

Helena

Helena

2.3.2022, 19:13:06

Bei der

Entreicherung

geht es darum, ob der Bereicherungsschuldner Das konkrete etwas noch hat. Hier hat V den Betrag, den sie durch den Kaufvertrag erlangt hat, für die Rechnung ausgegeben. Demnach hat sie genau das Geld, welches sie erlangt hat, ausgegeben. Hier kommt es nicht darauf an, ob es um die einzelnen Geldscheine geht. Wenn es immer nur auf die konkreten Geldscheine ankommen würde, dann gab es ja nie eine

Entreicherung

(auch Nicht bei Luxus Aufwendungen), Wenn Geld zurück übertragen werden muss.

PH

Philippe

3.3.2022, 15:14:04

Bei der

Entreicherung

leuchtet mir das auch ein. Mir ging es eher darum, warum hier Wertersatz geschuldet sein soll und nicht Naturalherausgabe der Geldsumme. Wertersatz für rechtsgrundlos erlangtes Geld klingt für mich irgendwie komisch. Im Ergebnis macht es aber hier keinen Unterschied.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 15:02:40

Hallo Philippe, auch wenn es auf den ersten Blick kontraintuitiv klingt, so soll durch den Bereicherungsanspruch ja das erlangte etwas ausgekehrt werden. Dabei handelt es sich um das Eigentum und den Besitz an dem erlangten Geld. Sofern dies nicht ausgekehrt werden kann, ist folglich nur Wertersatz geschuldet (vgl. hierzu auch BGH NJW-RR 1998, 1517). Ein Inflationsausgleich ist nicht notwendig, da insoweit ja keine Bereicherung vorliegt. Sofern Zinsen erwirtschaftet wurden, so wären diese als Nutzungen über § 818 Abs. 1 BGB auszukehren. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

5.7.2022, 00:04:36

Worin genau liegt der Unterschied zum Restaurant-Fall ? Ist es weil man bei einem Restaurantbesuch Geld lässt selber aber langfristig nichts erhält (das Essen ist ja irgendwann weg), während man bei der Rechnung dauerhaft den Vorteil einer getilgten Rechnung hat ?(hoffe das ist einigermaßen verständlich formuliert ^^)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 14:46:17

Hallo Blotgrim, im vorliegenden Fall bestand die Verbindlichkeit (die Rechnung, die beglichen wurde) schon bei

Übereignung

des Computers. Das heißt V hätte die Rechnung so oder so zahlen müssen, er hat also eigene Aufwendungen erspart indem er das von K erhalten Geld nutzte um die Rechnung zu begleichen. Und selbst wenn er es nicht hätte zahlen können ist das irrelevant, denn 1. hat man Geld zu haben und 2. hätte der Rechnungsbetrag im schlimmsten Fall bei ihm vollstreckt werden können. Im dem von dir angesprochenen Restaurant Fall ist die Studentin S nach dem Erhalt des Geldes in ein Restaurant gegegangen, das sie sich sonst nicht hätte leisten können. Sie hat also nichts gespart, denn zu der Ausgabe wäre es - anders als bei V - ohne das erlangte Geld tatsächlich nicht gekommen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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