+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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G wird als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Columbus-GmbH bestellt. Die Bestellung wird jedoch versehentlich nicht in das Handelsregister eingetragen. Auch eine spätere Abberufung wird nicht eingetragen. G schließt dennoch ein Geschäft im Namen der Columbus GmbH mit K ab.

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Einordnung des Falls

Vertretungsmacht I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bestellung des G ist unwirksam, da sie nicht eingetragen wurde (§ 39 GmbHG).

Nein, das trifft nicht zu!

Aus § 39 GmbHG ergibt sich, dass die Eintragung des Geschäftsführers in das Handelsregister lediglich deklaratorische Wirkung hat. DIe Bestellung wird also auch ohne die Eintragung wirksam. Mit der Bestellung des G als Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung ist er wirksam berufen worden. Auf eine Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht an.
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2. Sind mehrere Personen als Geschäftsführer einer GmbH bestellt, sind sie grundsätzlich nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigt.

Ja!

Gemäß § 35 Abs. 2 GmbHG sind mehrere Geschäftsführer im Grundsatz nur gemeinschaftlich vertretungsberechtigt. Davon kann allerdings nach § 35 Abs. 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden.

3. Da die Bestellung des G nicht eingetragen wurde, muss auch die später vorgenomme Abberufung nicht eingetragen werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 15 Abs. 1 HGB kann eine eintragungspflichtige Tatsache Dritten nicht entgegengehalten werden, wenn die Tatsache weder eingetragen noch dem Dritten bekannt war. Dies gilt nach ganz h.M. auch bei fehlender Voreintragung, da der Geschäftspartner auch auf anderem Wege von dem vorherigen Rechtszustand Kenntnis erlangt haben kann. Um zu verhindern, dass sich ein Geschäftspartner nach der Abberufung des G auf dessen Geschäftsführungsbefugnis beruft, muss die Abberufung also eingetragen, obwohl Gs Geschäftsführerstellung nie im Handelsregister eingetragen war. Es handelt sich hierbei um ein klassisches Problem aus dem Handelsrecht, mit dem Verbindungen zwischen dem Handels- und Gesellschaftsrecht in der Klausur hergestellt werden können.

4. Ist das Geschäft mit K wirksam im Namen der Columbus-GmbH geschlossen worden?

Ja, in der Tat!

Durch die Abberufung war G zwar nicht mehr Geschäftsführer der GmbH und daher grundsätzlich auch nicht mehr vertretungsberechtigt nach § 35 Abs. 1 GmbHG. Da die Abberufung allerdings nicht in das Handelsregister eingetragen wurde, kann Gs fehlende Vertretungsmacht K nicht entgegengehalten werden. Damit ist das von G im Namen der Columbus-GmbH mit K geschlossene Geschäft wirksam.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kai

Kai

31.12.2023, 17:04:43

Ich verstehe, dass die Eintragung der Abberufung dem Schutz Dritter dient, die auf andere Weise als der nicht erfolgten Eintragung Kenntnis von der Geschäftsführungsbefugnis erlangt haben. In diesem Fall sind drauf aber keine Hinweise ersichtlich. Wieso konnte der inzwischen abberufene GeschFührer mit Außenwirkung Geschäfte im Namen der GmbH tätigen, wenn er abberufen wurde und der Geschätspartner mangels vorheriger Kenntnis der Geschäftsführungsbefugnis auch nicht schutzwürdig war? Da er im SV keinen Grund hatte, von einer Geschäftsführungsbefugnis auszugehen, ist er doch "selbst schuld", wenn er sich auf das Geschäft einlässt, oder?

Nils

Nils

25.1.2024, 08:28:57

Du würfelst hier einiges durcheinander. Geschäftsführungsbefugnis = Innenverhältnis, Vertretungsmacht = Außenverhältnis. Das Problem/der Streit nennt sich „Sekundäre Unrichtigkeit“ und betrifft die negative Publizität des Handelsregisters (Vertretungsmacht kraft Rechtsschein). Jede Änderung in der Person des Geschäftsführers ist in das Handelsregister anzumelden. Es handelt sich jeweils um eintragungspflichtige Tatsachen. Fraglich ist in einem solchen Fall der fehlenden zweiten Eintragung, die ja jetzt eigentlich tatsächlich die wahre (materielle) Rechtslage wiedergibt, ob der negativen Publizität trotzdem Rechnung getragen werden muss bzw. es eine solche überhaupt geben kann. Das ist umstritten. e.A.: (-), h.M.: (+). Argumente besser anderweitig nochmal nachvollziehen. Ggf. wäre er (immer noch) Vertreter mit Vertretungsmacht und könnte die GmbH wirksam verpflichten. Die GmbH könnte sich wiederum nicht auf das Handelsregister berufen. Außerdem haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft ggf. mit seinem gesamten Privatvermögen. Vielleicht wird das Problem damit etwas greifbarer.

Kai

Kai

25.1.2024, 11:39:44

Hey Nils, danke für deine Antwort. Ich glaube, wir reden da aber ein wenig aneinander vorbei (ggf. auch wegen falscher Bezeichnungen meinerseits). In der letzten Antwort heißt es, dass G gem. § 35 I GmbHG nach Abberufung nicht mehr Geschäftsführer ist. Gem. § 15 I HGB kann eine eintragungspflichtige Tatsache dem Dritten nicht entgegengehalten werden, wenn Sie weder eingetragen noch dem Dritten bekannt war. Das soll zwar auch bei fehlender Voreintragung gelten, weil der Geschäftspartner auch auf anderen Weg als durch die Voreintragung von GeschFBefugnis hätte Kenntnis erlangen können. Im Fall schließt G ein Geschäft mit einem Dritten, obwohl er nie eingetragen worden war und der Dritte weder Kenntnis von Gs ursprünglichen Vertretungsmacht noch von der Abberufung hat. De facto gibt es also keinen Rechtsschein, der dem Geschäftspartner Anlass geben könnte, Gs Vertretungsmacht anzunehmen. G war nie eingetragen und der Geschäftspartner hat auch nie anderweitig Kenntnis vor Gs vormaliger Vertretungsmacht als Geschäftsführer erhalten. G hat also aus der Sicht des Geschäftspartners nicht mehr Vertretungsmacht für und gegen die Gesellschaft als jeder beliebige andere. Da erscheint es mir widersinnig, das Geschäft trotzdem für und gegen die Gesellschaft gelten zu lassen - ohne, dass im SV angegeben wird, dass der Geschäftspartner Kenntnis über die frühere Vertretungsmacht, nicht aber die Abberufung und den damit einhergehenden Verlust der Vertretungsmacht hat.

BigLebowski

BigLebowski

29.7.2024, 14:53:48

Dagegen führt die hM u. a. folgende Argumente an: Zum einen den klaren Wortlaut. Es sei gerade kein bereits existierender Rechtsschein oder ein konkretes Vertrauen tatbestandliche Voraussetzung. Zum anderen schütze der § 15 ABSTRAKT das Vertrauen in die Richtigkeit des HR und diene der Rechtssicherheit. Der Rechtsverkehr solle darauf vertrauen können, dass alles Relevante richtig im HR eingetragen werde. Einziges Ausschlusskriterium sei die positive Kenntnis des Dritten nach § 15 I aE, die hier nicht vorlag. Es obliege den Kaufleuten, das HR zu pflegen und aktuell zu halten, der § 15 biete hier einen starken Anreiz, indem er Säumigkeit "strafe". Zugegebenermaßen würden dadurch auch Fälle erfasst, in denen es bei einer Einzelfallbetrachtung unbillig sei, das liege aber in der Natur der Sache, etwas abstrakt schützen zu wollen, also einen möglichst weiten Tatbestand zu ziehen. Eine teleologische Reduktion widerspräche diesem Sinn und Zweck der Norm. Zum Nachvollziehen der hM und der obigen Argumente kann ich Krebs im MüKo-HGB, 5. Auflage 2021, § 15, Rn. 40 und Müther im BeckOK HGB, Stand: 01.07.2024, § 15 Rn. 9 empfehlen.

Dua

Dua

4.9.2024, 15:27:06

Schöner kleiner Fall! Gerade das ineinandergreifen von handelsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Themen ist hilfreich für die Klausurvorbereitung. Gerne mehr Aufgaben in der Art! 🙂


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