Deliktische Haftung der GmbH

1. Juni 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Geschäftsführer G begeht bei einem Geschäft für die Brada GmbH grob fahrlässig eine Urheberrechtsverletzung gegenüber P. P möchte die Brada GmbH auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

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Einordnung des Falls

Deliktische Haftung der GmbH

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P könnte wegen der Urheberrechtsverletzung ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen.

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgutsverletzung, (2) Verletzungshandlung, (3) haftungsbegründende Kausalität, (4) Rechtswidrigkeit, (5) Verschulden und (6) Schaden.
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2. Bei dem verletzten Urheberrecht handelt es sich um ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht.

Ja, in der Tat!

Geschützt sind die in § 823 Abs. 1 BGB genannten absoluten Rechtsgüter und Rechte. Neben den dort explizit genannten Rechten zählen hierzu auch sonstige Rechte, die den explizit genannten Rechten gleichen und absolute Wirkung entfalten. Als Immaterialgüterrecht ist auch das Urheberrecht ein absolutes Recht und fällt damit unter den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB.

3. P kann unmittelbar den Geschäftsführer G nach § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen.

Ja!

Dazu müssen die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB vorliegen. Ein verletztes Rechtsgut liegt vor. Die Verletzung ist auch kausal durch die Verletzungshandlung des G entstanden. Von der Rechtswidrigkeit ist auszugehen. G handelte grob fahrlässig und hat die Verletzung somit auch verschuldet. Insbesondere gilt die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG nur für vertragliche Ansprüche, nicht jedoch für deliktische Ansprüche. Damit kann P unmittelbar von G Schadensersatz verlangen.

4. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Brada GmbH scheidet dagegen mangels eigener Verletzungshandlung aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Unter dem Handeln im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist jedes menschliche beherrschbare Tun zu verstehen. Als juristische Person kann die Brada GmbH zwar nicht selbst handeln. Ihr werden allerdings sämtliche Handlungen ihrer Organe, die in Ausführung ihrer Tätigkeiten begangen wurden, gemäß § 31 BGB analog zugerechnet. Damit besteht der Anspruch auch gegen die Brada GmbH, da sie sich das Verhalten des G zurechnen lassen muss. Die GmbH und ihr Geschäftsführer haften insoweit also gesamtschuldnerisch (§ 840 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kai

Kai

6.6.2024, 08:35:28

Das UrhG erlaubt zwar gem. § 102a die Anwendung anderer gesetzlicher Vorschriften. Ich meine allerdings, dass deliktische Schadensersatzansprüche aus den BGB durch die spezielleren Normen des UrhG verdrängt werden. Dementsprechend müsste in der Aufgabe statt §

823 BGB

§ 97 I, II UrhG stehen.

Kai

Kai

6.6.2024, 11:32:20

Vgl. dazu Schricker/Loewenheim, UrhG, § 102a Rn. 6: §§ 823 ff. BGB sind nur soweit auf Urheberrechtsverletzungen anwendbar, wie sie über das UrhG hinausgehen. Dazu gehört nach § 823 Abs. 1 der widerrechtliche Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Weg über das sonstige Recht dürfte dann aber eigentlich gerade nicht eröffnet sein, weil es hier gerade die spezielleren Regelungen des UrhG gibt.

Eileen 🦊

Eileen 🦊

28.10.2024, 08:51:49

Könntet ihr bitte die Vertiefung erläutern? Ich nahm an, dass Gesellschaft und Gesellschafter nicht gleichstufig haften. LG

Tobias Krapp

Tobias Krapp

28.10.2024, 22:58:02

Hallo @[Eileen 🦊](190132), Vorsicht, es geht hier um die

gesamtschuld

nerische Haftung von Gesellschaft und Geschäftsführer (nicht Gesellschafter). Grundsätzlich haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber nur das Gesellschaftsvermögen, § 13 II GmbHG, womit normalerweise im Außenverhältnis allein die GmbH haftet (und nicht die Gesellschafter oder die Geschäfstführer), und diese ggf. im Innenverhältnis Regress nehmen kann. Haftet allerdings sowohl der Geschäftsführer als auch die Gesellschaft auf Grundlage des Deliktsrechts, ordnet § 840 I BGB hier die

gesamtschuld

nerische Haftung an. So liegt der Fall hier. Daher haften Geschäftsführer und Gesellschaft

gesamtschuld

nerisch. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Eileen 🦊

Eileen 🦊

29.10.2024, 09:09:33

Vielen Dank! Es ist mir jetzt klarer geworden. Wie begründet man die Gleichstufigkeit von Geschäftsführer und Gesellschaft?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

6.11.2024, 09:56:07

@[Eileen 🦊](190132) Da Gesellschaft und Geschäftsführer hier aufgrund § 840 I BGB

gesamtschuld

nerisch haften, folgt die volle Haftung im Außenverhältnis direkt aus § 421 S. 1 BGB :)

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

24.2.2025, 20:01:55

Es gibt drei Arten der Entstehung einer

Gesamtschuld

: 1) Vertragliche

Gesamtschuld

2) Gesetzlich ausdrücklich angeordnete

Gesamtschuld

oder 3)

Gesamtschuld

nach den Voraussetzungen des §

421 BGB

Die Gleichstufigkeit der Haftung ist nur im Rahmen des §

421 BGB

erforderlich

. Außerhalb dessen können auch nicht gleichstufig haftendende

Schuld

ner

Gesamtschuld

ner sein. Vorliegend begehen die GmbH und der Geschäftsführer dieselbe unerlaubte Handlung, weshalb §

840 BGB

greift und unmittelbar

Gesamtschuld

begründet wird. Auf Gleichstufigkeit kommt es nicht mehr an.

LI

Linder

21.4.2025, 21:30:43

Werden hier die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensersatz im Verhältnis Gmbh <-> GF angewendet, wenn es sich um einen angestellten GF handelt? Gilt das gleiche für ein Gesellschafter-GF?

PK

P K

21.4.2025, 22:51:12

Für einen Gesellschafter-Geschäftsführer würde ich das dezidiert verneinen, zumindest wenn er eine nennenswerte Beteiligung hat, was bei einer GmbH aber - anders als bei der AG - regelmäßig der Fall sein wird. Bei einem angestellten Geschäftsführer ist das, noch mehr bei dem Vorstand einer AG, ziemlich umstritten. Geschäftsführer sind nämlich keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Sozialversicherungsrechtlich werden sie dennoch als solche behandelt, aber diese Materien sind voneinander zu trennen. Manche wollen nun die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich entsprechend anwenden mit dem Argument, dass ebenso wie beim Arbeitnehmer eine ungleiche Verteilung von Risiko und Chance vorliege (der GF muss ggf. für besonders riskante Geschäfts voll haften, ohne entsprechend im Erfolgsfalle auch zu profitieren - das ist aus meiner Sicht auch der entscheidende Unterschied zum Gesellschafter-Geschäftsführer). Andere verweisen darauf, dass es mit der Business judgement rule bereits eine Regelung gebe, die diesem Problem ausreichend Rechnung trage. Ob dies trägt kann man aber bezweifeln. Denn die Business Judgement Rule betrifft nur unternehmerische Entscheidungen. Eine solche liegt nicht vor bei der Befolgung/Verletzung rechtlich zwingender Bestimmungen. Eine "legal judgement rule" gibt es nach hM nicht, obwohl es immer schwieriger wird, gerade für mittelständische Unternehmen, all diese - nicht selten auch unklare - Regeln zu befolgen. Im wirtschaftlichen Ergebnis meine ich, dass man die Grundsätze dennoch nicht entsprechend auf Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft übertragen kann, denn erstens können diese ihr Risiko versichern mittels einer D&O Versicherung. Ein Haftungsausschluss bzw. eine Milderung würde dann zugunsten der Versicherung und zulasten der Gläubiger wirken. Zweitens sehen Anstellungsverträge von Organmitgliedern - insbesondere bei den großen Aktiengesellschaften - nahezu immer auch erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile vor. Das Grundanliegen, einer ungleichen Verteilung von Risiko und Chance Rechnung zu tragen, trägt also nicht.


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