Unberechtigt erlangte Nutzung von Sachen, Rechten oder Dienstleistungen (Flugreisefall): Beförderungsleistung erlangt


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 17-jährige M fliegt mit der Fluggesellschaft F von München nach Hamburg. Ohne Ticket gelingt es M, mit F von Hamburg weiter nach New York zu fliegen. Ein Ticket Hamburg-New York hätte €1.200 gekostet.

Einordnung des Falls

Unberechtigt erlangte Nutzung von Sachen, Rechten oder Dienstleistungen (Flugreisefall): Beförderungsleistung erlangt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M hat nur dann "Etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB), wenn er ohnehin nach New York geflogen wäre, d.h. alternativ zur erschlichenen Leistung ein Fahrticket gelöst hätte.

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Nein, das ist nicht der Fall!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jeder vermögenswerte Vorteil. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen. Die ältere Rechtsprechung hat noch angenommen, dass das "erlangte Etwas" bei unberechtigt erlangten Nutzungen in der Ersparnis von Aufwendungen gelegen habe. Die heute hM sieht das Erlangte Etwas in der Beförderungsleistung selbst. Diese Lösung nimmt dem Schuldner den Einwand, dass er keine Aufwendungen erspart und somit nichts erlangt habe.

2. M hat die Beförderungsleistung, also den Flug nach New York, an sich "erlangt". (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)

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Ja, in der Tat!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jeder vermögenswerte Vorteil. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen. Die heute hM sieht das erlangte Etwas in der Beförderungsleistung an sich. Unabhängig davon, ob M alternativ zum Erschleichen der Leistung ein Ticket gelöst hätte oder nicht, hat er die Beförderungsleistung "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

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BL

Blotgrim

28.6.2022, 23:24:50

Ist das Ersparte als "Etwas" wirklich so veraltet ? So wie unsere Professorin uns das dargestellt hat klang es so als würde der BGH das heute bei solchen Nutzungsfällen immer noch so sehen. Oder ist die h.M nur außerhalb des BGH herrschend ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.6.2022, 12:04:44

Hallo Blotgrim, ausweislich des MüKo entspricht dies heute der herrschenden Meinung. Allerdings wird hier auch eingeräumt, dass die Rechtsprechung Erlangtes und Erparnis teilweise auch in jüngeren Jahren noch gleichgesetzt hat (vgl. MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 18). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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