+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Ehegatten X und Y wollen sich trennen, die Scheidung ist noch nicht erfolgt. Y zieht aus der Ehewohnung aus. Er nimmt den Kaffeevollautomaten mit, der in seinem Eigentum steht, den aber beide Eheleute stets gemeinsam genutzt haben.
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Einordnung des Falls
Besitzschutz unter Ehegatten, § 1361a als lex specialis gegenüber § 861?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Vor der Entfernung des Kaffeevollautomaten aus der Ehewohnung hatten X und Y Mitbesitz (§ 866 BGB) hieran.
Ja!
Zwar ist Y Alleineigentümer des Kaffeevollautomaten. Durch die Einbringung in die gemeinsame eheliche Wohnung haben X und Y jedoch auf Basis der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) Mitbesitz (§ 866 BGB).
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2. Indem Y den Kaffeevollautomaten mitnimmt, begeht er verbotene Eigenmacht.
Genau, so ist das!
Verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) ist jede widerrechtlich vorgenommene Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in der Ausübung seiner tatsächlichen Sachherrschaft. Widerrechtlich ist die Besitzbeeinträchtigung, wenn sie ohne den Willen des Besitzers erfolgt und gesetzlich nicht besonders gestattet ist. Die Beeinträchtigung kann in einer Sachentziehung oder in einer sonstigen Störung bestehen.Y entfernte die Kaffeemaschine ohne Willen der X. Dies war auch nicht durch eine gesetzliche Regelung besonders gestattet.
3. Aufgrund von § 866 BGB, der eine Regelung für die Grenzen des Gebrauchs unter Mitbesitzern enthält, liegt dennoch keine verbotene Eigenmacht vor.
Nein, das trifft nicht zu!
Unter Mitbesitzern ist dem Besitzschutz durch § 866 BGB eine Grenze gesetzt. Besitzschutz findet dabei nicht statt, soweit es um die Grenzen des dem Einzelnen zustehenden Gebrauchs geht.Zwischen X und Y geht es hier jedoch nicht um die Grenzen des Gebrauchs, sondern um den Entzug des gesamten Mitbesitzes. Diesen Fall erfasst § 866 BGB nicht.
4. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Herausgabeanspruch X gegen Y (§ 861 Abs. 1 BGB) liegen vor.
Ja!
Der Herausgabeanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Besitzentzug beim Anspruchsteller durch verbotene Eigenmacht,
(2) fehlerhafter Besitz des Anspruchsgegners,
(3) kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB,
(4) kein Erlöschen nach § 864 BGB.
Y entzog X den Mitbesitz mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). Y besitzt auch fehlerhaft gegenüber X, da er die verbotene Eigenmacht selbst begangen hat (§ 858 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen nach § 861 Abs. 2 BGB (kein Fall von verbotener Eigenmacht des Y als Reaktion auf verbotene Eigenmacht der X) oder erloschen nach § 864 BGB (Jahresfrist ab Verübung der verbotenen Eigenmacht). 5. Der Herausgabeanspruch X gegen Y (§ 861 Abs. 1 BGB) ist ausgeschlossen, da § 1361a BGB für die Verteilung von Haushaltsgegenständen bei getrennt lebenden Ehegatten eine speziellere Regelung enthält.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Voraussetzungen des § 1361a BGB liegen zwar vor: X und Y leben getrennt, da zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und beide sie erkennbar nicht mehr herstellen wollen. Der Kaffeevollautomat ist auch ein Haushaltsgegenstand, da er für das Zusammenleben und die Wohn- und Hauswirtschaft bestimmt ist. Umstritten ist, ob § 1361a BGB den Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB verdrängt (als lex specialis).
Dagegen spricht, dass auch zwischen Ehegatten Selbstjustiz zu vermeiden ist. Des Weiteren haben § 1361a BGB und § 861 Abs. 1 BGB unterschiedliche Zielrichtungen: § 1361a BGB bezweckt die endgültige Verteilung der Haushaltsgegenstände. Demgegenüber regelt § 861 Abs. 1 BGB nur die vorläufige Wiederherstellung der bisherigen Besitzverhältnisse.