Zivilrecht
Sachenrecht
Der Besitzschutz
Besitzschutz unter Ehegatten, § 1361a als lex specialis gegenüber § 861?
Besitzschutz unter Ehegatten, § 1361a als lex specialis gegenüber § 861?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Ehegatten X und Y wollen sich trennen, die Scheidung ist noch nicht erfolgt. Y zieht aus der Ehewohnung aus. Er nimmt den Kaffeevollautomaten mit, der in seinem Eigentum steht, den aber beide Eheleute stets gemeinsam genutzt haben.
Diesen Fall lösen 80,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Besitzschutz unter Ehegatten, § 1361a als lex specialis gegenüber § 861?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Vor der Entfernung des Kaffeevollautomaten aus der Ehewohnung hatten X und Y Mitbesitz (§ 866 BGB) hieran.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem Y den Kaffeevollautomaten mitnimmt, begeht er verbotene Eigenmacht.
Genau, so ist das!
3. Aufgrund von § 866 BGB, der eine Regelung für die Grenzen des Gebrauchs unter Mitbesitzern enthält, liegt dennoch keine verbotene Eigenmacht vor.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Herausgabeanspruch X gegen Y (§ 861 Abs. 1 BGB) liegen vor.
Ja!
5. Der Herausgabeanspruch X gegen Y (§ 861 Abs. 1 BGB) ist ausgeschlossen, da § 1361a BGB für die Verteilung von Haushaltsgegenständen bei getrennt lebenden Ehegatten eine speziellere Regelung enthält.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
9.9.2020, 16:39:29
Wenn der Eigentümer seinen Besitz dann rechtlich wiederhaben möchte, muss er dann der Besitzerin ein Ultimatum stellen? also in etwa, in 2 Wochen werde ich die Kaffeemaschine abholen? Hat dann nach den 2 Wochen der Eigentümer den Herausgabeanspruch?
Lukas_Mengestu
18.10.2021, 12:48:41
Hallo :), grundsätzlich muss der Eigentümer keine gesonderte Frist setzen, sondern kann unmittelbar sein Eigentum einfordern. Um allerdings nicht Gefahr zu laufen, dass in einem Gerichtsprozess der Beklagte direkt den Anspruch anerkennt und die Kosten dann des Verfahrens bei dem Eigentümer hängen bleiben (vgl. §
93 ZPO), ist zumindest erforderlich, dass der Eigentümer zunächst den Schuldner auffordert, das Eigentum herauszugeben. Dies kann aber mit einer deutlich kürzeren Frist erfolgen. Verweigert der Schuldner die Herausgabe, dann besteht hinreichende Veranlassung die Klage zu erheben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
webuser 2014
14.9.2022, 14:37:50
Hier ging es um den Mitbesitz. X hat automatisch Mitbesitz erhalten am Kaffeeautomaten; Y muss aber jetzt explizit X darum bitten, den Mitbesitz (ihren Anteil) an Y abzugeben bzw. Aufzugeben. Alleiniger Eigentümer ist Y bereits. Wie soll man das Gericht einfordern lol, X hat ja nichts körperliches, das sie zurückbehalten kann.
Geasoph
6.9.2021, 14:45:43
Eine Verlinkung der Normen wäre noch nice!
Lukas_Mengestu
18.10.2021, 12:44:47
Hallo Geasoph, das erfolgt normalerweise automatisch. Wenn Du auf die entsprechende Norm klickst, dann wirst Du zu dem entsprechenden Gesetzestext geleitet. Sofern der Fall neu eingestellt ist oder man noch nicht auf die neueste Appversion geupdated hat, kann es hier manchmal Schwierigkeiten geben. Bei mir hat allerdings gerade alles funktioniert. Solltest Du weiterhin Schwierigkeiten haben, dann gib gerne nochmal Bescheid :). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Insa
21.1.2022, 08:26:55
Warum zählt hier nicht § 903 BGB als gesetzlicher Grund, der dem Eigentümer ges
tattet mit seinem Eigentum zu verfahren, wie er will? Steht da das Besitzrecht der X dagegen?
Victor
21.1.2022, 17:36:15
§ 903 BGB führt nicht zu grenzenlosen Befugnissen des Eigentümers. Insbesondere ist der besonders geschützte possessorische
Besitzschutzzu berücksichtigen. Besitz ist oft einfacher festzustellen als das Eigentum. Unstreitig bestand ja Mitbesitz, sodass eben
§ 861 BGBzunächst greift. Hiermit soll lediglich Selbstjustiz verhindert werden. Nichtsdestotrotz besteht der Herausgabeanspruch des „Eigentümers“
Lukas_Mengestu
21.1.2022, 17:44:16
Völlig richtig, Victor. Das § 903 BGB nicht grenzenlos gilt, ergibt sich hier bereits aus dem Wortlaut. Denn hier heißt es einschränkend, dass gesetzliche Regelungen sowie entgegenstehende Rechte Dritter den Befugnissen des Eigentümers entgegenstehen können. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
evanici
14.9.2023, 13:18:21
Wäre § 866 im Prüfungsschema dann auch unter "kein Ausschluss" zu prüfen? Also dort, wo auch § 861 II geprüft wird?
H. Schmidt von Church
21.11.2024, 16:23:01
Hallo zusammen, ich habe scheinbar ein Brett vor dem Kopf. Es geht um einen möglichen Herausgabeanspruch der X. Y ist Eigentümer der Sache und nimmt sie mit. § 1361a I passt nicht, weil die Sache ja Y und nicht X gehört. Also kann es doch nur § 1361a II sein, der den Eigentümer verpflichtetet, dem anderen Ehegatten die Sache zum Gebrauch zu
überlassen(die übrige Anforderung außer Acht gelassen). Des Weiteren kann ich das Argument der Vermeidung von Selbstjustiz nicht nachvollziehen, wenn § 1361a III sogar den Versuch einer Einigung für die gerichtliche Klärung voraussetzt. Grundsätzlich finde ich den Begriff der Selbstjustiz vorliegend etwas befremdlich. Beste Grüße!