Öffentliches Recht
VwGO
Fortsetzungsfeststellungsklage
Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Sonstige Erledigung)
Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Sonstige Erledigung)
21. Mai 2025
13 Kommentare
4,8 ★ (17.582 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S bekommt eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus. Nachbar N ficht die Genehmigung an. Während des Prozesses stellt S einen neuen Antrag bei der Baubehörde auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen Stall. Er erklärt, dass er sein Grundstück nun doch nicht für Wohnzwecke nutzen wolle.
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Einordnung des Falls
Statthaftigkeit der FFK: Erledigung nach Klageerhebung (Sonstige Erledigung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist statthaft, wenn zunächst eine Anfechtungsklage statthaft war und sich der angefochtenen Verwaltungsakt erledigt hat.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die an S erteilte Baugenehmigung hat sich durch Zeitablauf erledigt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Baugenehmigung könnte sich lediglich „auf andere Weise“ erledigt haben.
Ja!
4. Der neue Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Stall kann als ein Verzicht auf die Genehmigung des Wohnhauses ausgelegt werden.
Genau, so ist das!
5. Die von N angefochtene Baugenehmigung hat sich erledigt. Ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
8.3.2022, 10:40:15
Das finde ich schwierig. Denn A hat einen neuen eigenen Genehmigungsvorgang in Gang gesetzt und nicht den schon bestehenden umgestellt. Er hat auch den alten Antrag nicht zurück genommen und stattdessen den neuen gestellt.
Victor
8.3.2022, 10:49:26
Aber gerade dadurch tritt doch das erledigende Ereignis auf andere Weise ein. A
verzichtet somit auf die Genehmigung bzw. macht sie gegenstandslos auf
konkludente Weise. Dann kann N eine Antragsumstellung vornehmen.

Isabell
8.3.2022, 10:58:52
Und genau diese Schlussfolgerung ziehe ich aus den genannten Gründen nicht. Denn solange mir die Gedankenwelt des A unbekannt ist, ist bei objektiver Betrachtung nur ein neuer Bauantrag gestellt worden. Ich als Sachbearbeiter muss, je nach innerer Organisation, auch gar nicht unbedingt merken, dass es noch einen anderen gibt. Schade, dass es kein Urteil dazu zu geben scheint. Ich wüsste gerne, wie und mit welchen Gründen das entschieden werden würde.

Lukas_Mengestu
8.3.2022, 13:50:43
Hallo Isabell, vielen Dank für den Hinweis. In der Tat ist bei der Frage, ob ein
Verzichtvorliegt, der jeweilige Einzelfall entscheidend. Allein aus dem Stellen des neuen Antrages kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass dieser an die Stelle der alten Genehmigung bzw. eines laufenden Verfahrens treten soll. Denn der Antragssteller könnte durchaus auch ein Wahlrecht anstreben, indem er letztlich 2 genehmigte Vorhaben hat (realisieren kann er letztlich allerdings nur eines). Fälle, in denen im Einzelfall ein
Verzichtauf die Baugenehmigung und damit eine Erledigung "auf andere Weise" eingetreten ist, sind durchaus auch schon von der Rechtsprechung entschieden worden (z.B. zu einem Änderungsantrag VGH München, NVwZ-RR 2015, 247). Um es hier im Sachverhalt noch klarer zu machen, haben wir nun aufgenommen, dass S explizit äußert, er wolle das Grundstück nicht mehr für Wohnzwecken nutzen. Dadurch wird seine "Gedankenwelt" offenbart und es lässt sich der
Verzichteindeutiger erkennen. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

Isabell
8.3.2022, 14:02:02
Hallo Lukas, danke für die Fundstelle und die ausführliche Rückmeldung. Diese unterschiedlichen Sichtweisen auf die Fälle sind ja gerade spannend und man kann aus jeder Meinung immer ein bisschen was für sich selbst mitnehmen.

Edward Hopper
4.10.2022, 17:42:10
Finde den "
Verzicht" auch schwierig. Regelungswirkung besteht ja weiterhin, egal was er möchte. Er kann ja beantragen was er möchte, bekanntgegeben ist schon die eine Beaugenehmigung und solange diese nicht zurückgenommen wird ist sie weiterhin "in der Welt"

Tim Gottschalk
10.2.2025, 14:23:49
Hallo @[Edward Hopper](174080), gerade durch den
Verzichtverliert der Verwaltungsakt seine rechtliche Wirkung, auch wenn er nicht von der
Behördezurückgenommen wird. Das ergibt sich explizit aus § 43 Abs. 2 VwVfG. Siehe auch Schoch/Schneider/Goldhammer, 5. EL Juli 2024, VwVfG § 43 Rn. 120. Liebe Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team
eviiimaria
27.10.2024, 02:49:24
Vermeintlich eine Kleinigkeit aber im Bild ist S eine Frau und im Text dann plötzlich ein Mann War kurz verwirrt, vielleicht könnte man das ja anpassen:)

Linne_Karlotta_
28.10.2024, 17:10:59
Hey @[eviiimaria ](255301), danke für den Hinweis. Wir haben die Stelle korrigiert (auch, wenn S im „echten Leben“ natürlich ein anderes Pronomen verwenden könnte ;)). Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

K.Attalla
10.4.2025, 12:23:44
Vielleicht eine blöde Frage, aber kann man nicht das Klagebegehren in die Anfechtung der neuen Baugenehmigung umdeuten und damit weiterhin eine Anfechtungsklage als statthaft bejahen? Finde die
Feststellungder
Rechtswidrigkeitder alten Baugenehmigung etwas lebens
fremd.
Timurso
10.4.2025, 13:36:15
Nein, weil das ein anderer Streitgegenstand wäre. Eine Auslegung nach dem klägerischen Begehr ist nicht möglich, um damit die Anfechtungsklage auf eine ganz andere Baugenehmigung zu erstrecken, wenn sie sich davor unzweifelhaft auf die erste bezogen hat. Die
Feststellungder
Rechtswidrigkeitder alten Baugenehmigung ist deswegen nicht lebens
fremd, weil dadurch N den Prozess gewinnen kann und keine Gerichtskosten tragen muss. Der
Angriffder neuen Baugenehmigung ist davon unabhängig. Würde er nicht die
Feststellungder
Rechtswidrigkeitder alten Baugenehmigung wollen, könnte er die Klage zurücknehmen und eine neue Klage gegen die neue Baugenehmigung erheben. Dann müsste er für die Klagerücknahme aber Gerichtskosten zahlen.