Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Camila (C) stellt erfolgreich einen Antrag auf Einbürgerung nach § 10 StAG. Sachbearbeiter S erklärt C, die Einbürgerung sei nun erfolgt. S hat jedoch schlecht geschlafen und vergisst, C die Einbürgerungsurkunde zu überreichen.

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Einordnung des Falls

Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die mündliche Erklärung des S ist ein Verwaltungsakt.

Ja!

Ein Verwaltungsakt ist eine hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ein Verwaltungsakt ist grundsätzlich nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann auch mündlich ergehen (§ 37 Abs. 2 S. 1 Var. 3 VwVfG). Die Einbürgerung durch die zuständige Behörde ist eine hoheitliche Maßnahme. Die Regelungen des StAG berechtigen und verpflichten ausschließlich Hoheitsträger, sodass die Einbürgerung auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgt. S trifft hier eine Maßnahme außerhalb der internen Verwaltungsvorgänge (= Außenwirkung), die darauf gerichtet ist, im konkreten Einzelfall der C die Rechtsfolge der Änderung der Staatsangehörigkeit zu erreichen.
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2. Sind Verwaltungsakte nichtig, wenn nach einer Rechtsnorm die Aushändigung einer Urkunde vorgesehen ist und die Urkunde nicht ausgehändigt wird?

Genau, so ist das!

In § 44 Abs. 2 VwVfG sind Fälle geregelt, die immer zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen. § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG bestimmt, dass ein Verwaltungsakt nichtig ist, wenn eine vorgeschriebene Urkunde nicht ausgehändigt wird. Die Vorschrift umfasst nur konstitutive Urkunden, d. h. Urkunden, an denen unmittelbar die mit dem Verwaltungsakt bezweckte Rechtsfolge hängt. Nicht von der Vorschrift betroffen sind dagegen Urkunden, die aus Beweis- und Legitimationsgründen (deklaratorisch) ausgestellt werden, wie zum Beispiel Führerscheine oder die Gaststättenerlaubnis. Eigentlich ergibt sich auch ohne § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG schon, dass ein Verwaltungsakt, dessen Wirksamkeit an die Aushändigung einer Urkunde geknüpft ist, nicht wirksam (= nichtig) ist, wenn die Aushändigung unterbleibt. Diese Fälle werden trotzdem über § 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG gelöst.

3. C ist wirksam eingebürgert worden (§ 16 StAG).

Nein, das trifft nicht zu!

§ 44 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG bestimmt, dass ein Verwaltungsakt nichtig ist, wenn eine vorgeschriebene Urkunde nicht ausgehändigt wird. § 16 StAG legt fest, dass die Einbürgerung wirksam wird, wenn dem Ausländer die von der zuständigen Verwaltungsbehörde ausgefertigten Einbürgerungsurkunde ausgehändigt wird. Hierbei handelt es sich um eine konstitutive Urkunde, d.h. die Rechtsfolge der Einbürgerung tritt erst mit Überreichung der Urkunde ein. S hat C die Einbürgerungsurkunde nicht überreicht. Der Verwaltungsakt ist nichtig. An diesem Beispiel kannst du erkennen, dass die Nichtigkeit des Verwaltungsakts eigentlich schon in § 16 StAG angelegt ist. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass die Einbürgerung nicht wirksam wird ohne Aushändigung der Urkunde.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

19.12.2022, 17:56:06

Wie kann man hier auf Paragraph 16 kommen, wenn man das Gesetz nicht kennt. Mir wurde immer beigebracht 5 Normen vor und nach einer betroffenen Norm zu schauen ob es weitere zugehörige Normen gibt. Hier geht es ja aber um Paragraph 10 der Trick würde also nicht funktionieren, zumindest bei der online Version des Gesetzes. Wenn es da keinen Trick gibt, fände ich irgendeinen Hinweis auf 16 ganz nett Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2022, 12:57:59

Hallo Blotgrim, vielen Dank für Deinen Hinweis. Dass man 5 Normen davor oder dahinter schauen soll, ist in der Tat eine gute Daumenregel, aber natürlich kein absolutes Dogma. Da im Staatsangehörigkeitsrecht indes keine Vorkenntnisse erwartet werden können, haben wir hier bei der Frage nun noch einen expliziten Hinweis auf die einschlägige Norm gegeben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BEN

Ben

1.10.2023, 02:49:41

Es wird erwähnt, das eine Nichtigkeit auch ohne § 44 (2) Nr 2 VwVfG bestehen würde. Aber es wird nicht weiter darauf eingegangen. Habe ich jetzt etwas völlig offensichtliches übersehen oder warum sollte auch so eine Nichtigkeit bestehen?

NI

Nilson2503

2.10.2023, 12:35:10

Lieber @[Ben](44571), schau einmal in § 16 StAG. Dort ist bereits die Nichtigkeit angelegt, sollte die Urkunde nicht überreicht werden. Denn es heißt: „Die Einbürgerung wird WIRKSAM mit der AUSHÄNDIGUNG der…. Einbürgerungsurkunde.“ Ergo wird ohne Aushändigung auch keine Einbürgerung wirksam. Die bloß mündliche Erklärung entfaltet keine Rechtswirkung. Der mündliche VA ist nichtig.

JUDI

judith

14.11.2024, 15:46:59

Könnte man in der mündlichen Erklärung der S, dass die Einbürgerung erfolgt sei (Frage 1), statt des VA eher eine Zusicherung nach § 38 VwVfG sehen bzw. sollte man an dieser Stelle eine Abgrenzung vornehmen?


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