Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Nichtigkeit von Verwaltungsakten
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M wohnt in einem Baugebiet der Gemeinde G, welches unmittelbar an das Gebiet der Gemeinde K grenzt. M stellt bei der Baubehörde von K einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Sauna in ihrem Garten. Der unerfahrene Sachbearbeiter S erteilt die Genehmigung ohne Rücksprache mit G.
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Einordnung des Falls
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Baugenehmigung könnte formell rechtswidrig sein. Hat hier die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG örtlich zuständige Behörde den Verwaltungsakt erlassen?
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Handelt eine örtlich unzuständige Behörde, führt das immer zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. K war nicht zum Erlass der Genehmigung durch G ermächtigt. Ist die Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) nichtig?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
asanzseg
5.4.2023, 17:20:13
Ok habe ich das jetzt richtig verstanden: bei der örtlichen unzuständigen
Behördemuss man mehrfach in der Prüfung auf die örtliche Unzuständigkeit eingehen. Erstmal muss geprüft werden ob die örtliche unzuständige
Behördeüberhaupt den VA Bekanntgeben kann. Bei sachlich unzuständigen
Behörden gänzlich nein, bei örtlich unzuständigen
Behörden i.d.R. Ja. Dann geht man im rahmen der formellen
Rechtmäßigkeitdes VA im rahmen der Zuständigkeit der
Behördeim OB einen solchen VA erlassen durfte und konkret WO sie das ausüben würde also sachliche und örtliche Zuständigkeit. Um dann zu sagen sie war sachlich unzuständig, dies führt nicht immer zur Nichtigkeit nach §44 II VwVfG und damit zur Unwirksamkeit sondern nur wenn sie von der zuständigen
Behördenicht ermächtigt wurde oder wenn kein Gesetz diese Ausnahme zulässt (etwa bei Eilzuständigkeit der Polizei im Rahmen der
Gefahr im Verzug). Richtig ?
Benedikt
24.8.2023, 15:21:19
Ich habe es folgendermaßen verstanden: Die Zuständigkeit spielt bei der Existenz und bei der
Rechtmäßigkeitvon VA's eine Rolle. Die Existenz des Verwaltungsaktes scheitert bei fehlender örtlichen Zuständigkeit wegen Nichtigkeit nach § 44 II Nr. 3, wenn keine Ermächtigung durch die zuständige
Behördevorliegt. Bei fehlender sachlicher Zuständigkeit scheitert sie an der Bekanntgabe (immer?). Die
Rechtmäßigkeitscheitert an bei fehlender örtlicher Zuständigkeit, wenn diese die Entscheidung in der Sache beeinflussen konnte arg. e. c. § 46 VwVfG. An fehlender sachlichen Zuständigkeit scheitert die
Rechtmäßigkeit eines VA's nur, wenn dieser überhaupt existiert. Wann eine sachlich unzuständige
Behördewirksam einen VA erlassen kann, weiß ich nicht. Ich gehe mal davon aus, dass die Verletzung bestimmter sachlicher Zuständigkeitsvorschriften nicht immer die Nichtigkeit (und vielleicht auch noch nichtmal immer die Rechtswidrigkeit) zur Folge haben. § 46 VwVfG ist jedenfalls nicht analog anzuwenden.
Artur Schönhals
8.11.2023, 10:59:14
Also die sachliche Zuständigkeit wird in §44 nicht explizit erwähnt aber ist anhand von der Generalklausel des Absatz 1 zu beurteilen. Danach müsste er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden und dies müsste nach verständiger Würdigung offensichtlich sein; hier liegt auch der Knackpunkt, da dies in den seltensten Fällen vorliegen würde.
Simon
26.1.2024, 00:52:08
Ein wirksamer VA setzt seine Bekanntgabe voraus, vgl. § 43 I VwVfG. Umstritten ist aber, was bei einer fehlerhaften Bekanntgabe gilt. Eine Ansicht nimmt bei jedem Bekanntgabefehler an, dass kein VA existiert (zB Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 41 Rn. 222). Das widerspricht aber schon § 44 III Nr. 1 VwVfG, der zeigt, dass nicht jeder Bekanntgabefehler zu einer Unwirksamkeit des VA führen kann. Überwiegend wird daher differenziert und die Unwirksamkeit nur dann angenommen, wenn eine zwingende Bekanntgabevoraussetzung missachtet wurde (zB Baer, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 41 Rn. 135 ff., Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 9 Rn. 73 ff., wohl auch BVerwG, NVwZ 1992, 565, 566). Problematisch erscheint jedoch, was letztendlich zu einer Bekanntgabe notwendigerweise gehört. Die hL definiert Bekanntgabe wohl als Eröffnung des Inhalts des VA ggü dem Betroffenen durch die zuständige
Behördein amtlicher Eigenschaft, wobei sich als Umkehrschluss zu §§ 44, 46 VwVfG ergibt, dass damit nur die sachliche Zuständigkeit gemeint ist (vgl. Maurer/Waldhoff, aaO). Das BVerwG spricht jedoch nur davon, dass die
Behördewillentlich dem Adressaten vom Inhalt des VA Kenntnis verschaffen müsse (BVwerG, NVwZ 1992, 565, 566; BVerwGE 22, 14). Tatsächlich scheint es die sachliche Unzuständigkeit daher "nur" iRd § 44 I VwVfG zu prüfen (so zB BVerwG, NJW 1974, 1961, 1963). Das leuchtet mE auch ein, da nicht jeder Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit offensichtlich ist und damit zur Unwirksamkeit des VA führen sollte (was aber das Ergebnis wäre, wenn man Bekanntgabe nur bei Handeln der sachlich zuständigen
Behördebejaht). Bsp.: Es handelt nicht die Versammlungs
behörde, sondern die Polizei. MMn ist daher wie folgt vorzugehen: 1) Bekanntgabe des VA, wobei weder sachliche noch örtliche Zuständigkeit eine Rolle spielen; 2) Nichtigkeit nach § 44 II VwVfG, wobei örtliche Zuständigkeit relevant werden kann; 3) Nichtigkeit nach § 44 I VwVfG, wobei sachliche und örtliche Zuständigkeit (unter Berücksichtigung von § 44 III VwVfG) beachtlich sein können; 4) Rechtswidrigkeit des VA, wobei jeder Zuständigkeitsverstoß grds. zur RW führt, aber § 46 VwVfG zu beachten ist.