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Internationales Privatrecht

Einführung IPR

Vorfrage bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts

Vorfrage bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts

15. April 2025

17 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 18-jährige A aus Deutschland verkauft dem 17-jährigen B, der in X lebt, eine Uhr. In X ist man bereits mit 16 voll geschäftsfähig. Ansonsten entspricht es vollständig dem deutschen Recht. A fragt ein deutsches Gericht, ob er von B den Kaufpreis verlangen kann.

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Einordnung des Falls

Vorfrage bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei vertraglichen Schuldverhältnisse ist die Rom I-VO einschlägig (Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO).

Ja, in der Tat!

Der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO umfasst Zivil- und Handelssachen. Ferner findet sie nur auf vertragliche Schuldverhältnisse Anwendung. Bereichsausnahmen finden sich in Art. 2 Abs. 2 Rom I-VO. Beim vorliegenden Sachverhalt geht es um einen Kaufvertrag, also ein vertragliches Schuldverhältnis. Der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet.
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2. Auch der räumlich-persönliche und der zeitliche Anwendungsbereich der Rom I-VO ist eröffnet.

Ja!

Die Rom I-VO gilt in allen Mitgliedsstaaten unabhängig davon, woher die Parteien stammen für grenzüberschreitende Sachverhalte (räumlich-persönlicher Anwendungsbereich). Die VO gilt ab dem 17.12.2009 (zeitlicher Anwendungsbereich, Art. 28 Rom I-VO). Es liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt innerhalb eines Mitgliedstaats (Deutschland) vor.  Mangels entgegenstehenden Angaben ist davon auszugehen, dass auch der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO ist somit eröffnet.

3. Das auf den Vertrag anwendbare Recht richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Art. 19 Rom I-VO) des Käufers (Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn die Parteien subjektiv keine Rechtswahl getroffen haben, richtet sich das anwendbare Recht nach dem sog. objektiven Vertragsstatut. In der Rom I-VO finden sich die Grundregeln hierfür in Art. 4 Rom I-VO. Hier finden sich Anknüpfungsregeln für die gängigsten Vertragstypen. Es liegt hier keine Rechtswahl vor, sodass eine passende Vorschrift in Art. 4 Abs. 1 zu suchen ist. Diese findet sich in lit. a. Hiernach ist an den gewöhnlichen Aufenthalt des Verkäufers anzuknüpfen. As gewöhnlicher Aufenthalt ist in Deutschland. Wir werden also ins deutsche Recht verwiesen. Die Rom I-VO nimmt eine Sachnormverweisung vor (Art. 20 Rom I-VO), sodass direkt das deutsche Kaufrecht anzuwenden ist (§§ 433ff. BGB).

4. Nach deutschem Recht kann A von B den Kaufpreis verlangen, wenn ein wirksamer Kaufvertrag vorliegt (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Voraussetzung für den Kaufpreiszahlungsanspruch ist ein wirksamer (Kauf-)Vertrag. Ein solcher kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen von zwei geschäftsfähigen Parteien zustande. A und B haben zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben. Allerdings ist B erst 17 und nach deutschem Recht nur beschränkt geschäftsfähig. Es stellt sich also die Frage der Geschäftsfähigkeit einer Partei. Dies ist im Rahmen einer sog. Vorfrage zu klären.

5. Da hinsichtlich des Kaufvertrages auf deutsches Recht verwiesen wurde, wird automatisch auch die Frage der Wirksamkeit des Vertragsschlusses nach deutschem Recht geprüft.

Nein!

Im Rahmen der Prüfung des Sachrechts, auf welches verwiesen wurde, gibt es häufig auch Fragen bezüglich der rechtlichen Voraussetzungen der Sachnorm. Solche Voraussetzungen dürfen nicht einfach nach derselben Rechtsordnung beurteilt werden. Die Anwendbarkeit der entsprechenden Rechtsordnung wurde nur für einen spezifischen Bereich bestimmt (hier: vertragliches Schuldverhältnis). Das anwendbare Recht muss für jede einzelne Voraussetzung gesondert geprüft werden. Hier ist also eine komplett neue IPR-Prüfung anzustellen. Nach h.M. geschieht dies nach dem IPR des angerufenen Staats (= lex fori).  Es handelt sich also um eine sog. selbstständige Anknüpfung.

6. Die Frage, nach welchem Recht die Geschäftsfähigkeit des B zu beurteilen ist, beantwortet Art. 7 Abs. 2 S. 1 EGBGB.

Genau, so ist das!

Internationales Recht regelt die Frage der Geschäftsfähigkeit nicht. Deshalb ist auf das EGBGB zurückzugreifen. Hier findet sich die einschlägige Norm in Art. 7 EGBGB. Hiernach unterliegt die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit einer Person dem Recht des Staates, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.. B hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat X. Demnach richtet sich die Geschäftsfähigkeit nach dem Recht des Staates X. Laut Sachverhalt ist man in X - anders als in Deutschland - bereits mit 16 Jahren voll geschäftsfähig. B konnte deshalb mit A einen wirksamen Vertrag schließen. Einer Genehmigung durch die Eltern oder ähnliches bedurfte es nicht.Zum 1.1.2023 wurde Art. 7 EGBGB geändert. Zuvor knüpfte die Geschäftsfähigkeit nicht an den gewöhnlichen Aufenthalt, sondern an die Staatsangehörigkeit an (Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F.).

7. A kann also von B den Kaufpreis verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Verkäufer kann von dem Käufer dem Kaufpreis nach § 433 Abs. 2 BGB verlangen, wenn ein wirksamer Kaufvertrag vorliegt und deutsches Recht auf diesen anwendbar ist. Wir haben bereits festgestellt, dass auf den Kaufvertrag deutsches Recht anwendbar ist. Auch ein wirksamer Vertrag liegt vor, da B nach dem Recht von X geschäftsfähig ist. A kann somit von B den Kaufpreis verlangen. Einer Korrektur dieses Ergebnisses durch den ordre public-Vorbehalt (Art. 26 Rom I-VO) bedarf es nicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

Steven

5.4.2024, 16:47:06

Bitte konkretisiert die Aufgabenstellung dahingehend, dass es sich um den Mitgliedstaat X handelt. Ohne diese Angabe lässt sich nur erraten, ob Rom-I Anwendung findet.

Paulah

Paulah

19.6.2024, 22:51:29

Nach Art. 2 Rom I-VO findet die Verordnung auch Anwendung, wenn es nicht um einen Mitgliedstaat geht. Dann müsste die Angabe, ob es sich um den Mitgliedstaat X handelt nicht erforderlich sein.

VALA

Vanilla Latte

18.2.2025, 16:52:34

Also reicht es wenn nur mind. 1 MSt involviert ist, also hier Deutschland?

Paulah

Paulah

18.2.2025, 18:16:06

@[Vanilla Latte](217055) Ja genau.

JURA

Jurapro

24.4.2024, 11:35:37

Hallo, wahrscheinlich hat sich ein Tippfehler eingeschlichen. Der Ordre Public Vorbehalt ist in Art. 21 Rom I VO geregelt, nicht in Art. 26.

JURA

Jurapro

24.4.2024, 12:00:06

Wie würde die Prüfung in der Klausur gegliedert werden?

CLA

Clara.annie

29.12.2024, 21:59:44

„Da hinsichtlich des Kaufvertrages auf deutsches Recht verwiesen wurde, wird automatisch auch die Frage der Wirksamkeit des Vertragsschlusses nach deutschem Recht geprüft.“ - Die Aussage ist als „falsch“ abgespeichert, aber in der Lösung steht dann was zum Sachenrecht. Ist vielleicht in der Aussage ein Tippfehler?

johannes.fr

johannes.fr

22.2.2025, 12:56:13

Wieso richtet sich die Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit nicht nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO (Zustandekommen des Vertrages)?

Paulah

Paulah

7.3.2025, 20:25:47

Die Hauptfrage richtet sich beim Kaufvertrag nach dem Vertragsstatut Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO und Fragen des Zustandekommens und Wirksamkeit (liegen Angebot und Annahme vor,

Zugang

von Willlenserklärungen, Willens- und Einigungsmängel und deren Folgen, AGB-Einbeziehung usw.). Die Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit stellen eine Vorfrage dar. Die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen ist gem. Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom IVO ist, unbeschadet des Art. 13 Rom I-VO vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen. Deshalb bestimmt sich das auf die Geschäftsfähigkeit anwendbare Recht nicht nach der Rom I-VO zu bestimmen, sondern nach dem autonomen deutschen IPR (lex fori).

HAR

HarvineSpecter

27.3.2025, 15:22:01

...ist hier nicht anwendbar, weil sie von "...Personen, die sich in demselben Staat befinden, ..." spricht, richtig?

Paulah

Paulah

28.3.2025, 19:42:48

Im Prinzip ja, aber man müsste meiner Meinung nach auf Art. 12 EGBGB abstellen, weil die Geschäftsfähigkeit nach Art. 7 EGBGB beurteilt wurde.

HAR

HarvineSpecter

28.3.2025, 21:33:39

Jetzt bin ich komplett lost 😅

Paulah

Paulah

29.3.2025, 12:15:14

Sorry! Ich habe mich vertan bzw. nicht konsequent durchgeprüft das habe ich gerade mal komplett ausführlich gemacht. Die Schutzvorschrift richtet sich doch nach Art. 13 Rom I-VO. Vielleicht mal spaßeshalber meine Prüfung, wobei ich mich aber teilweise rauswinden musste, weil der Sachverhalt nicht alle Informationen enthält: A könnte gegen B einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung für die Uhr aus § 433 II BGB haben. Dann müssten A und B einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben. I. Auslandsberührung Es könnte ein Fall mit Auslandsberührung vorliegen und damit die Vorschriften des Internationalen Privatrechts Anwendung finden. A wohnt in Deutschland, B lebt in X, eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten, nämlich X und Deutschland und damit ein Fall mit Auslandsberührung i. S. d. Art. 3 a. E. EGBGB liegt vor. II. Materielles Einheitsrecht Zunächst ist zu prüfen, ob vorrangig vor den deutschen Kollisionsnormen materielles europäisches Einheitsrecht anzuwenden ist. Vorliegend könnte vorrangig das CISG Anwendung finden, dann müsste der Anwendungsbereich des CISG in sachlicher und räumlicher Hinsicht eröffnet sein. 1. Persönlicher Anwendungsbereich Zunächst müsste der persönliche Anwendungsbereich des CISG eröffnet sein. A und B handeln als Privatpersonen. Art. 1 Abs. 3 CISG schließt Nicht-Kaufleute in den persönlichen Anwendungsbereich ein. Der persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet. 2. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich müsste eröffnet sein. Dies setzt nach Art. 1 Abs. 1 voraus, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über Waren geschlossen wurde. Ein Kaufvertrag liegt nach autonomer Auslegung vor, wenn es sich um einen Austausch von Waren gegen

Geld

handelt. Unter Waren werden alle beweglichen Gegenstände verstanden. A und B haben sich über den Austausch einer Uhr als Ware gegen Zahlung eines Kaufpreises geeinigt. Ein Kaufvertrag i. S. d. CISG liegt damit vor. Der sachliche Anwendungsbereich des CISG ist eröffnet. 3. Räumlicher Anwendungsbereich Ferner müsste der räumliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Der räumliche Anwendungsbereich ist nach Art. 1 CISG eröffnet, wenn die Parteien ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben und diese Staaten Vertragsstaaten (lit. a) sind oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen (lit. b). A wohnt in Deutschland, B lebt in X. Die Staaten sind demnach verschieden. X ist aber kein Vertragsstaat. Nach Art. 1 lit. a CICSG ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet. Es müsste für die Prüfung nach Art. 1 lit. b CICSG eine Inzidentprüfung des anwendbaren Rechts erfolgen, wenn der Anwendungsbereich des CICSG nicht bereits aus anderen Gründen verschlossen ist. 4. Ausschlussgründe CICSG Nach Art. 2 lit. a CICSG findet das CICSG keine Anwendung, wenn die Ware für den persönlichen Gebrauch gekauft wurde und der Verkäufer vor oder bei Vertragsabschluss weder wusste noch wissen musste, dass die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde. Vorliegend ist davon auszugehen, dass B die Uhr für den privaten Verkauf gekauft hat und A davon wusste. Es liegt damit ein Ausschlussgrund vor. 5. Zwischenergebnis Das CICSG ist nicht anzuwenden. III. Deutsches Kollisionsrecht 1. Qualifikation Zu prüfen ist anhand des deutschen Kollisionsrechts, welche Kollisionsnorm auf den Vertragsschluss Anwendung findet. Dafür ist zunächst die Qualifikation vorzunehmen. Mit der Qualifikation wird der Lebenssachverhalt unter die Systembegriffe einer Kollisionsnorm subsumiert. Die Qualifikation erfolgt aus der Sicht des deutschen Internationalen Privatrechts, also lege fori. Gemäß Art. 3 EGBGB ist zu prüfen, ob vorrangig unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Union oder staatsvertragliche Regelungen maßgeblich sind. Staatsvertragliche Regelungen sind ersichtlich. Vorliegend könnte die Rom I-VO einschlägig sein. Voraussetzung ist, dass zwischen A und B ein vertragliches Schuldverhältnis besteht. Die Rom I-VO ist eine europarechtliche Norm. Der Begriff des vertraglichen Schuldverhältnisses ist daher europarechtlich autonom auszulegen. Gemäß Erwägungsgrund 7 zur Rom II-VO sollten der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen der Rom II-VO mit der Brüssel Ia-VO in Einklang stehen, sodass die hierzu vom EuGH ergangene Rechtsprechung herangezogen werden kann. Ein vertragliches Schuldverhältnis liegt danach vor, wenn eine von der Partei gegenüber der anderen Partei freiwillig eingegangene Verpflichtung besteht. A und B haben sich über den Verkauf der Uhr geeinigt, sind also eine freiwillige Verpflichtung eingegangen. Ein vertragliches Schuldverhältnis i. S. d. Rom I-VO liegt damit vor. Die Anknüpfung erfolgt nach der Rom I-VO. 2. Anwendungsbereich der Rom I-VO Der Anwendungsbereich der Rom I-VO müsste in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht eröffnet sein. a) Sachlicher Anwendungsbereich Zunächst müsste der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet sei. Dafür fordert Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO das Vorliegen eines vertraglichen Schuldverhältnisses in Zivil- und Handelssachen, das eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist. Darüber hinaus darf der Anwendungsbereich nicht durch eine Ausnahme nach Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO verschlossen sein. Ein vertragliches Schuldverhältnis liegt nach obiger Prüfung vor. Weder A noch B handeln in

hoheitlich

er Funktion, sondern privatrechtlich, damit liegt das Schuldverhältnis im Bereich einer Zivil- und Handelssache. Eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten liegt nach obiger Prüfung ebenfalls vor. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich nach Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO liegt nicht vor. Der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO ist damit eröffnet. b) Räumlicher Anwendungsbereich Dann müsste der räumliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Die Rom I-VO ist nach Art. 1 Abs. IV Rom I-VO räumlich innerhalb der EU-Mitgliedstaaten anwendbar. Unabhängig davon ist die Verordnung nach Art. 2 Rom I-VO auch anzuwenden, wenn ein Drittstaat beteiligt ist. Vorliegend hat A ein deutsches Gericht angerufen. Deutschland ist Mitgliedsstaat der EU. Der räumliche Anwendungsbereich ist nach Art. 1 Abs. IV Rom I-VO eröffnet. c) Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich müsste nach Art. 28 Rom I-VO durch einen Vertragsschluss nach dem 17. Dezember 2009 eröffnet sei. Der Vertrag zwischen A und B. Ein Vertragsschluss nach diesem Zeitpunkt wird unterstellt. Der zeitliche Anwendungsbereich ist somit ebenfalls eröffnet. d) Zwischenergebnis Der Anwendungsbereich der Rom I-VO ist eröffnet. IV. Anwendbares Recht nach der Rom I-VO Das anwendbare Recht ist nunmehr nach der Rom I-VO zu bestimmen. 1. Rechtswahl (subjektive Anknüpfung) A und B könnten eine Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO getroffen haben. Eine Rechtswahl der Parteien ist nicht ersichtlich. Die Anknüpfung muss somit objektiv erfolgen. 2. Vorrangige Sonderanknüpfung Nach Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO sind die Sonderanknüpfungen der Art. 5 bis 8 der VO vorrangig. Sonderanknüpfungen sind nicht ersichtlich, insbesondere haben A und B als Privatpersonen gehandelt, eine Sonderanknüpfung aus Art. 6 Rom I-VO liegt nicht vor. 3. Objektive Anknüpfung nach der Rom I-VO Das anwendbare Recht ist nunmehr nach der objektiven Anknüpfung der Rom I-VO anzuknüpfen. Nach Art. 4 I lit. a Rom I-VO bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen nach dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zu bestimmen ist daher der Ort, an dem A seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art. 19 I 1 Rom I-VO trifft Regelungen zum gewöhnlichen Aufenthalt von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen und Art. 19 I 2 Rom I-VO für natürliche Personen im Rahmen der Ausübung ihrer Berufstätigkeit. A handelt aber nicht in Ausübung seiner Berufstätigkeit, sondern nicht kommerziell. Nach h. M. ist der gewöhnliche Aufenthalt des A daher autonom zu bestimmen. Er richtet sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt des A, soweit er auf eine gewisse Dauer angelegt ist. A wohnt in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass er in dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es ist deutsches Recht anzuwenden. 4. Verweisung Es kommt nach Art. 4 I lit. a Rom I-VO zur Verweisung auf deutsches Recht. Bei der Verweisung aus Art. I Rom I-VO auf deutsches Recht handelt es sich nach Art. 20 Rom I-VO um eine Sachnormverweisung. Eine Rück- oder Weiterverweisung ist ausgeschlossen. Es ist damit deutsches Sachrecht auf den Vertrag anzuwenden. 5. Teilfrage Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags bestimmen sich nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO nach dem hypothetisch anzuwendenden Recht. Art. 1 Abs. 2 lit. a Rom I-VO nimmt unbeschadet von Art. 13 der VO die Geschäftsfähigkeit von natürlichen Personen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aus. g. Fraglich ist daher, nach welcher Kollisionsnorm sich die Geschäftsfähigkeit des B zu beurteilen sind. a) Geschäftsfähigkeit des B Das Geschäftsfähigkeitsstatut nach dem autonomen IPR der lex fori, hier also nach deutschem autonomen IPR, zu bestimmen. Die Geschäftsfähigkeit regelt Art. 7 II EGBGB. Danach bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit nach dem Recht desjenigen Staates, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Unter gewöhnlichem Aufenthalt i. S: d. Norm ist der Ort gemeint, an dem eine Person ihren Lebensmittelpunkt hat. B lebt im Staat X. Aufgrund fehlender anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass B dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. Art. 7 II EGBGB hat. Es gilt also das Recht des Staates X als Geschäftsfähigkeitsstatut. Im Staat X ist man bereits mit 16 Jahren voll geschäftsfähig. X war daher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig. b) Schutzvorschrift Art. 13 Rom I-VO Art. 13 Rom I-VO enthält eine Schutzvorschrift für Fälle, in denen eine Person nach dem Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts geschäftsfähig ist, jedoch nach dem Recht des Staates, in dem der Vertrag geschlossen wurde, geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig wäre. Dies setzt jedoch voraus, dass der Vertrag zwischen Personen geschlossen wurde, die sich im selben Staat befinden. A befindet sich in Deutschland, B hält sich in X auf. Die Schutzvorschrift des Art. 13 Rom I-VO greift damit nicht. c) Zwischenergebnis B war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig. V. Materiellrechtliche Prüfung Anzuwenden ist demnach das deutsche Sachrecht. Nach § 433 II BGB setzt der Anspruch auf Kaufpreiszahlung einen wirksamen Kaufvertrag i. S. d. §§ 145 ff. BGB voraus. Einen solchen Kaufvertrag haben A und B geschlossen. Der Kaufvertrag ist auch wirksam, da B im Zeitpunkt des Vertragsschlusses voll geschäftsfähig war. A kann somit den Kaufpreis von B verlangen.

Paulah

Paulah

8.4.2025, 10:48:20

Meiner Meinung nach stimmt die Lösung in einigen Punkten nicht: Die Aussage „Da hinsichtlich des Kaufvertrages auf deutsches Recht verwiesen wurde, wird automatisch auch die Frage der W i r k s a m k e i t des Vertragsschlusses nach deutschem Recht geprüft“ wird als falsch bewertet. Nach Art. 10 Rom I-VO bestimmt sich das Zustandekommen und die W i r k s a m k e i t des Vertrags aber nach der Rom I-VO. Wie ich bereits in einem anderen Thread erläutert habe, bestimmt sich die Frage, o b Geschäftsfähigkeit erforderlich ist, nach dem H a u p t s t a t u t – hier Rom I-VO. Die A n f o r d e r u n g e n an die Geschäftsfähigkeit sind als T e i l f r a g e selbständig nach Art. 7 EGBGB anzuknüpfen. Ich habe bei der Beantwortung in dem anderen Thread den Terminus „Vorfrage“ verwendet, weil im Jurafuchs nicht zwischen Vor- und Teilfrage differenziert wird. Das wäre meiner Meinung nach aber erforderlich. Darüber hinaus richtet sich der o r d r e p u b l i c – wie in einem anderen Thread auch schon zutreffend angemerkt wurde – nicht nach Art. 26 Rom I-VO, sondern nach Art. 20 Rom I-VO.


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