Überzeugungskraft bei Zeugenaussagen IV: Glaubwürdigkeit bei persönlicher Nähe des Zeugen zu einer Partei/Sympathie-Rspr. des BGH


mittel

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K und B haben einen Kaufvertrag über einen PKW geschlossen, dessen Übergabe und Übereignung K nun klageweise verlangt. B behauptet, er habe bereits an K erfüllt, was der Zeuge Z (Sohn des B), bestätigt. Zeugin X (kennt K und B nur flüchtig) sagt dagegen, das Auto stehe nach wie vor bei B. ‌

Einordnung des Falls

Überzeugungskraft bei Zeugenaussagen IV: Glaubwürdigkeit bei persönlicher Nähe des Zeugen zu einer Partei/Sympathie-Rspr. des BGH

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zeugenaussage des Z hat aufgrund des Näheverhältnisses des Z zu B keinerlei Überzeugungskraft.

Nein, das trifft nicht zu!

Für die Glaubwürdigkeit bzw. Überzeugungskraft eines Zeugen spricht es, wenn dieser in keinerlei Näheverhältnis zu einer der Parteien steht. Umgekehrt bedeutet dies aber keinesfalls, dass die Aussage eines Zeugen, der in einem Näheverhältnis zu einer der Parteien steht, keinerlei Überzeugungskraft besitzt (sog. Sympathie-Rspr. des BGH). Z ist zwar der Sohn des B und steht damit in einem entsprechenden Näheverhältnis zu ihm. Dennoch lässt sich daraus allein nicht schließen, dass seine Zeugenaussage falsch ist.

2. Die Zeugenaussage der X hat mehr Überzeugungskraft als die Zeugenaussage des Z.

Nein!

Allein der Umstand, dass ein Zeuge in einem Näheverhältnis zu einer der Parteien steht, reicht nicht aus, um die Überzeugungskraft seiner Aussage zu verneinen. Die Überzeugungskraft wird durch das Näheverhältnis allein vielmehr nicht einmal gemindert. Insbesondere darf einer Zeugenaussage nicht allein deshalb weniger Überzeugungskraft als einer anderen zugeschrieben werden, weil der Zeuge in einem Näheverhältnis zu einer der Parteien steht. Das Näheverhältnis darf nur berücksichtigt werden, wenn noch weitere Anhaltspunkte die Überzeugungskraft mindern. Z steht in einem Näheverhältnis zu B. Ansonsten spricht mangels weiterer Sachverhaltsangaben nichts gegen die Überzeugungskraft seiner Aussage. Insofern sind beide Aussagen zunächst gleich glaubhaft und keine überwiegt.

3. Das Gericht hat nach Beweislast zu entscheiden.

Genau, so ist das!

Sofern keine weiteren Kriterien dafür sprechen, dass eine der beiden Zeugenaussagen mehr Überzeugungskraft hat als die andere, scheitert die Beweisführung (sog. non liquet). Das Gericht muss sodann zulasten desjenigen entscheiden, den die Beweislast trifft. Vorliegend sind keine weiteren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine der beiden Zeugenaussagen glaubhafter bzw. einer der beiden Zeugen glaubwürdiger ist. Somit ist entsprechend der Beweislastverteilung zu entscheiden.

4. Eine Entscheidung nach Beweislast bedeutet vorliegend, dass die Klage des K abzuweisen ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für die für sie günstigen Tatsachen. Das Schuldverhältnis erlischt durch Erfüllung, d.h. wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllung wirkt somit genauso wie andere Einwendungen zugunsten des Schuldners. Dementsprechend ist der Schuldner diesbezüglich beweisbelastet. Vorliegend schuldet B die Übergabe und Übereignung. Da das Bestehen der Schuld (Kaufvertrag) unstreitig ist, trägt B die Beweislast dafür, dass er bereits erfüllt hat. Diesen Beweis konnte er aber nicht erbringen. Das Gericht wird den Erfüllungseinwand daher nicht berücksichtigen und B antragsgemäß verurteilen.

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