Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen

Eröffnungsbeschluss - Wirksamkeit trotz fehlender Unterschrift eines Richters (Strafkammer)

Eröffnungsbeschluss - Wirksamkeit trotz fehlender Unterschrift eines Richters (Strafkammer)

10. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Landgericht verurteilt. Der Eröffnungsbeschluss des Prozesses ist nur von der Vorsitzenden der großen Strafkammer unterschrieben worden. Laut Aktenvermerk äußerte die Vorsitzende im Prozess, der Beschluss sei „gemeinsam gefällt worden”. Dienstliche Äußerungen der anderen Berufsrichter bestätigen das.

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Einordnung des Falls

Eröffnungsbeschluss - Wirksamkeit trotz fehlender Unterschrift eines Richters (Strafkammer)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Fehlt der Eröffnungsbeschluss oder ist er unwirksam, so stellt dies ein Verfahrenshindernis dar, auf das die Revision gestützt werden kann.

Ja!

Ein wirksamer Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 StPO) ist zwingende Verfahrensvoraussetzung. Fehlt er oder ist er unwirksam, kann die Revision auf das Fehlen dieser Verfahrensvoraussetzung gestützt werden. Das Revisionsgericht muss dann das Urteil aufheben und das Verfahren einstellen (§ 354 Abs. 1 StPO). Der Eröffnungsbeschluss ist nur dann unwirksam, wenn er an schweren formellen Mängeln leidet. Der Eröffnungsbeschluss beendet das Zwischenverfahren und bewirkt zugleich den Übergang in das Hauptverfahren. Das Gericht prüft, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (§ 203 StPO). Ist dies nicht der Fall, sollen dem Angeklagten die Belastungen der Hauptverhandlung erspart werden. Dies ist Ausdruck des rechtsstaatstypischen Systems von „checks and balances” an einer wichtigen Stelle im Verfahren.
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2. Ohne Unterschrift aller zuständigen Richter ist der Eröffnungsbeschluss immer unwirksam.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eröffnungsbeschluss ist nur unwirksam, wenn er an schweren formellen Mängeln leidet. Er ist gemäß § 35 StPO als Beschluss außerhalb der Hauptverhandlung durch Zustellung oder formlose Übersendung bekannt zu machen. Schon deshalb muss er schriftlich ergehen. Da das Gesetz jedoch nur für Urteile die Unterschrift der mitwirkenden Richter explizit vorschreibt (§ 275 Abs. 2 StPO), gehört die richterliche Unterschrift im Umkehrschluss nicht zur vorgeschriebenen „Schriftform“ des Eröffnungsbeschlusses. Deren Fehlen macht den Eröffnungsbeschluss also nicht automatisch unwirksam.

3. Der Eröffnungsbeschluss leidet an einem schweren formellen Fehler, wenn er nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung getroffen wurde.

Ja, in der Tat!

Gerichtliche Entscheidungen sind in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu treffen. Dies ergibt sich aus dem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Gesetzlicher Richter ist die Gerichtsbesetzung, in der das Gericht nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem Geschäftsverteilungsplan die Sache zu verhandeln und zu entscheiden hat. Regelungen hierzu finden sich insbesondere im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Fasst das Gericht den Eröffnungsbeschluss nicht unter Beteiligung aller gesetzlich vorgeschriebenen Richter, ist er unwirksam. Zu beachten ist, dass Schöffen außerhalb der Hauptverhandlung an Entscheidungen nicht mitwirken (dürfen) (vgl. § 76 Abs. 1 S. 2, § 30 Abs. 2 GVG) und entsprechend auch nicht auf dem Beschluss unterschreiben!

4. Wurde der Eröffnungsbeschluss vorliegend in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung getroffen?

Ja!

Die große Strafkammer besteht aus drei Richtern und zwei Schöffen, wobei die Schöffen außerhalb der Hauptverhandlung nicht mitwirken (§ 76 Abs. 1 GVG). Für die Einhaltung der vorgeschriebenen Besetzung kommt es nicht darauf an, dass alle Berufsrichter auf dem Beschluss unterschreiben. Fehlt es jedoch an einer Unterschrift, muss sich ohne Zweifel aus den Umständen ergeben, dass die Entscheidung auf dem Willen aller zuständigen Richter beruht. Dies ist im Freibeweis zu ermitteln. Der Eröffnungsbeschluss erging außerhalb der Hauptverhandlung. Es mussten nur die drei Berufsrichter mitwirken. Zwar wurde der Beschluss nur von der Vorsitzenden unterschrieben. Der Vermerk und die dienstlichen Äußerungen zeigen jedoch, dass auch die anderen Richter mitgewirkt haben. Es ergibt sich also aus den Umständen, dass der Eröffnungsbeschluss in der vorgeschriebenen Besetzung gefasst wurde.

5. Das Revisionsgericht hebt wegen der fehlenden Unterschriften das Urteil auf und stellt das Verfahren ein (§ 354 Abs. 1 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Wege des Freibeweises kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Eröffnungsbeschluss in der korrekten Besetzung, also wirksam erging. Die Verfahrensvoraussetzung des wirksamen Eröffnungsbeschlusses liegt vor, weshalb die Revision insoweit keinen Erfolg hat. Nach allgemeiner Ansicht kommt eine Nachholung des Eröffnungsbeschlusses nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils nicht mehr in Betracht. Damit liegt in der Revision bei Fehlen oder Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses immer ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vor. Eine Heilung kommt nur in erster Instanz in Betracht. Dazu später mehr.
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