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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Einsiedler E vereinbart zum Schutz seiner Privatsphäre mit Nachbar N, dass dieser an der dem E zugewandten Hauswand keine Fenster anbringt. N lässt dort zur Belichtung milchige Glasbausteine einbauen.

Einordnung des Falls

Ergänzende Vertragsauslegung (3)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Unterlassungsvertrag stellt einen gesetzlich nicht geregelten Vertrag sui generis dar (§§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Im BGB gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB). Zwar regelt das BGB für bestimmte Vertragstypen auch bestimmte Voraussetzungen und Rechtsfolgen (Buch 2, Abschnitt 8). Das ändert jedoch nichts daran, dass die Vertragsparteien grundsätzlich in der inhaltlichen Gestaltung des Vertrages frei sind. Es ist ihnen damit auch möglich, einen gesetzlich nicht geregelten Vertragstypen – sui generis – zu vereinbaren. Mangels gesetzlicher Regelung stellt der Unterlassungsvertrag einen solchen Vertrag sui generis dar. Dabei stellt § 241 Abs. 1 S. 2 BGB klar, dass die vertragliche Leistung auch in einem Unterlassen bestehen kann.Gesetzlich nicht geregelte oder atypische Vertragstypen musst Du in der Klausur oft auslegen.

2. E kann von N aus dem Vertrag die Unterlassung des Anbringens von Fenstern an der dem E zugewandten Hauswand verlangen.

Ja!

Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, nennt sich Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB). E und N haben vertraglich vereinbart, dass N keine Fenster an der E zugewandten Hauswand anbringen darf, sodass E von N eine Unterlassung dieser Handlung auch verlangen darf.

3. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ergibt sich, dass E von N auch verlangen kann, an der ihm zugewandten Hausseite keine milchigen Glasbausteine einzubauen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Ermittlung vertraglicher Verpflichtungen im Wege ergänzender Vertragsauslegung setzt eine ausfüllungsbedürftige Lücke im Vertrag voraus und dass der hypothetische Parteiwille darauf gerichtet ist. Eine ausfüllungsbedürftige Lücke liegt vor, wenn die Parteien bei Vertragsschluss einen bestimmten Umstand nicht oder in falscher Art und Weise berücksichtigt haben und dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Sinn und Zweck der Vereinbarung war der Schutz von Es Privatsphäre. Sein Grundstück soll nicht einsehbar sein. Dieser Zweck bleibt gewahrt, wenn N milchige Glasbausteine in seine Wand einbaut, da hierdurch eine Einsicht in das Grundstück des E nicht ohne Weiteres möglich wird. Eine ausfüllungsbedürftige Lücke besteht nicht.

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REFAS

ReFaStudiert

29.9.2020, 20:09:18

Hier wird mehrmals auf 194 BGB verlinkt. Das dürfte ein Fehler sein. 🙃😊

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.9.2020, 11:50:25

Hallo ReFaStudiert, danke für deinen Hinweis. Wir wollten mit dem Link auf § 194 Abs. 1 BGB auf die dort stehende Legaldefinition des Anspruchs verweisen. Ich gebe allerdings zu, dass das in der zweiten Frage missverständlich war, sodass man meinen könnte, der Anspruch ergäbe sich aus § 194 Abs. 1 BGB. Deswegen haben wir die Frage dahingehend angepasst, dass sich der Anspruch aus dem Unterlassungsvertrag sui generis ergibt. In der Antwort haben wir § 194 Abs. 1 BGB allerdings belassen um klarzustellen, dass dort die Legaldefinition des Anspruchs "Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen" steht und diese eben auch ein Unterlassen umfasst. LG

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.9.2020, 11:54:02

Weiterhin haben wir auch noch § 241 Abs. 1 S. 2 BGB ergänzt, der klarstellt, dass die vertragliche Leistung (auch gerade im Schuldrecht) in einem Unterlassen bestehen kann.

J2000

J2000

30.9.2020, 13:17:52

Ich hätte einen Anspruch, den Einbau von Milchglas zu unterlassen bejaht; egal welche Glassorte, sind es zunächst einmal Fenster; damit sind auch Milchglasfenster von dem Unterlassungsvertrag erfasst. Damit müsste vielmehr begründet werden, warum Milchglas nicht von dem vereinbarten Verbot erfasst sein soll - gewissermaßen eine den Vertragsinhalt beschränkende ergänzende Auslegung. Für eine solche Ausnahme wiederum fehlen mir die Argumente mit Interessen des Nachbarn. Der Einsiedler (der dann doch gar nicht begründen müsste) könnte ja jede Form der Sicht auf ihn vermeiden wollen haben, und auch durch das Milchglas kann er wahrgenommen werden. Freue mich aber, über einen Denkfehler, falls vorhanden, aufgeklärt zu werden!

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.9.2020, 15:37:14

Hallo J2000, danke für die Nachfrage. Nach allgemeinem Sprachgebrauch würde ich nicht sagen, dass eine Wand aus Milchglasbausteinen ein Fenster darstellt. Auch nach der Auslegung des Unterlassungsvertrages nach §§ 133, 157 BGB stellt die Wand kein Fenster da. Sinn und Zweck war hier nämlich der Schutz der Privatsphäre des E. Da durch milchige Glaswände nicht durchgeschaut werden kann, verstößt eine daraus errichtete Wand auch nicht dem Vertragszweck. LG

Johannes Nebe

Johannes Nebe

17.5.2024, 10:41:05

Mich hat erstaunt, dass in der Subsumtion steht, eine ausfüllungsbedürftige Lücke bestehe nicht. Die Lücke besteht doch gerade darin, dass es Vereinbarungen zu Fenstern gibt, jedoch keine explizite Vereinbarung zu Glaselementen, die zwar Licht hereinlassen wie ein Fenster, das Hinausblicken aber unmöglich machen (im Gegensatz zum Fenster). Die ergänzende Vertragsauslegung besteht eben im Ausfüllen dieser Lücke (dachte ich).

Skra8

Skra8

28.6.2024, 18:03:59

Hi Johannes, ich habe ehrlich gesagt bis zu Deinem Kommentar darüber noch nicht nachgedacht, aber ich würde mich hinter das stellen, was das Jurafuchs-Team hier vertritt: Es ist soweit richtig, dass die ergänzende Vertragsauslegung voraussetzt, dass der Vertrag eine durch sie zu schließende Regelungslücke enthält (BGH NJW 2004, 1590 (1591)). Allerdings ist dies nur dann der Fall, wenn der Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens und der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil er eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH NJW-RR 2021, 626 (628)). Der hier zugrunde liegende Regelungsplan von E ist, seine Privatsphäre zu schützen. Dieser Regelungsplan ist nicht gefährdet, wenn N Milchglas an der dem E zugewandten Hauswand anbringt, denn durch Milchglas kann man nicht hindurchsehen, sodass die Privatsphäre auch mit dem Einbau gewährleistet ist. Es ist irreführend, dass Fenster und Milchglas aus demselben Material bestehen, sodass diese Konstellationen vergleichbar aussehen. Entsprechend gibt es hier keine Regelungslücke, die eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig machen würde, denn die bestehende Regelung "Keine Fenster, aus Gründen der Privatsphäre" ist durch das Einsetzen von milchigen Glasbausteinen nicht berührt. Anders wäre es, wenn N Kameras an der dem E zugewandten Hauswand anbringen würde. In diesem Fall gäbe es eine Lücke, die geschlossen werden müsste, da der Plan, die Privatsphäre zu schützen, trotz fehlender Fenster nicht mehr erfüllt wäre.

Sophix58

Sophix58

19.4.2023, 08:48:12

Ich fänd zusätzlich auch noch eine kleine Einheit zum Verhältnis der ergänzenden Vertragsauslegung zu § 313 BGB hilfreich...🙆🏻‍♀️😇

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.4.2023, 13:50:31

Hallo Sophix58, danke für die Anregung! Die nehmen wir gerne mit auf :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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