Scheingeschäft beim Grundstückskauf
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V möchte K sein Grundstück für €1.000.000 verkaufen. Um Beurkundungsgebühr und Grunderwerbssteuer zu sparen, geben V und K beim Notar einen Kaufpreis von €500.000 an.
Einordnung des Falls
Scheingeschäft beim Grundstückskauf
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Grundstückskaufvertrag kann formlos geschlossen werden.
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Die Angabe eines falschen Kaufpreises zum Sparen von Steuern führt hier zur Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB i.V.m. § 370 AO).
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Nein, das trifft nicht zu!
3. V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von €500.000 geschlossen.
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Nein!
4. Der Kaufvertrag über €1.000.000 wird wirksam, wenn V dem K das Grundstück übereignet (§§ 873, 925 BGB).
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Genau, so ist das!
5. V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von €1.000.000 geschlossen.
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Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Skywalker
16.5.2020, 20:51:07
Ich glaube der Kaufvertrag über 1.000.000 EUR wird auch nicht durch die Heilung gemäß 311b Abs. 1 S. 2 wirksam. Laut Rechtssprechung (BGH-Urteil vom 16.03.2017 - VII ZR 197/16) wird ein solcher Schwarzkauf einer Immobilie überhaupt nicht als Scheingeschäft ausgelegt. Vielmehr handelt es sich demnach um einen (erstmal) wirksamen Hauptvertrag über 500.000€ und einem unwirksamen Zusatz- bzw. Nachtragsvertrag über die zusätzlichen 500.000€. Zweiterer ist dann sehr wohl nach 134 BGB nichtig, weil hiehr die Steuerhinterziehung eben Hauptzweck ist. Entsprechend 139 BGB sind dann beide Verträge unwirksam. Bin selbstverständlich für Belehrung offen und dankbar für eure tolle App! 🙂
Abcdef
19.5.2020, 16:22:25
Der 5. Senat hält den Vertrag für nichtig, wenn die Absicht der Steuerhinterziehung hauptsächlicher Zweck des RG ist. Der 7. Senat (WerkvertragsR), geht davon aus, dass schon tlws. Ohne-Rechnung-Abrede insg. nichtig ist. OLG Hamm, 25.6.2015, I-22 U 166/14 hat Streit offengelassen, da eine Heilung nach § 311b I 2 nicht in Betracht kam. Du kannst - in Abkehr der tradierten Rspr. - die Nichtigkeit des dissimilierten Geschäfts gem. § 134 iVm § 370 AO annehmen, wenn die bezweckte Steuerhinterziehung die Preisbildung wesentlich beeinflusst hat. Das beurkundete Geschäft über die 500.000 Euro ist aber in jedem Fall unwirksam: über § 117 oder über den fehlenden RBW der Parteien.
Larissa3
21.1.2023, 17:01:56
Wie ist das dann nochmal, wenn K den Kaufpreis schon (zum Teil) gezahlt hat, mit der Rückforderung nach § 812 I 1 Alt. 1 und den Ausschlüssen der § 814 und § 817? Die greifen nicht, anders als zB bei der Schwarzarbeit (Ohne-Rechnung Abrede), oder?
Timurso
28.1.2023, 00:14:38
Für 817 S. 2 (analog) ist auf die Sittenwidrigkeit der Übereignung abzustellen, die bei der Zahlung von Geld wegen der sachenrechtlichen Neutralität der Übereignung idR nicht vorliegt. 814 würde ich dagegen jedoch als gegeben ansehen. Wenn die beiden vorher abgesprochen haben, dass sie den Vertrag in Wirklichkeit zu einem anderen Preis wollen, ist ihnen bewusst, dass die Voraussetzungen für 117 I BGB vorliegen und auch, dass sie insofern keinen formwirksamen Vertrag geschlossen haben.

F. Rosenberg 🦅
18.3.2023, 12:18:09
Der falsa demonstratio non nocet-Grundsatz greift hier gerade nicht, da die Parteien nicht unbewusst etwas Falsches erklärt, sondern bewusst getäuscht haben.

Lukas_Mengestu
21.3.2023, 09:36:45
Hallo F.Rosenberg aka Tommy, vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat war der Hinweis auf die Figur "falsa demonstratio non nocet" (also die "unbewusste" Falschbezeichnung) an dieser Stelle etwas irreführend. Es sollte primär verdeutlicht werden, dass die Parteien grundsätzlich eine Willensübereinstimmung treffen können, ohne dass dies für einen objektiven Dritten erkennbar wäre. In der Tat unterscheiden sich aber die Rechtsfolgen. Bei der bewussten Falschbezeichnung, also dem Scheingeschäft, ordnet § 117 Abs. 1 BGB explizit die Nichtigkeit des simulierten Geschäfts anordnet und nach § 117 Abs. 2 BGB ist hier auch das dissimulierte Grundstückskaufgeschäft wegen Formnichtigkeit zunächst schwebend unwirksam. Anders ist dies dagegen bei der "falsa demonstratio non nocet" (Klassiker: die vertauschten Flurnummern, https://applink.jurafuchs.de/YV5oun5olyb). Da hier die Schutz- und Warnfunktion der notariellen Beurkundung gewahrt ist, geht die h.M. in diesen Fällen davon aus, dass der Kaufvertrag von Anfang an wirksam ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Flohm
8.8.2023, 16:16:55
Wieso wird dieser Fall anderes gelöst als der Fall in dem Waffen verkauft werden diese aber als Klaviere bezeichnet werden? Dort wird doch auch bewusst ein WE zum Schein abgegeben?

Lukas_Mengestu
8.8.2023, 18:28:16
Hallo Flohm, die beiden Fälle werden tatsächlich identisch gelöst. In beiden Fällen (Waffe statt Klavier bzw. 1.000.000 statt 500.000) setzt sich der tatsächliche Wille gegenüber dem scheinbar erklärten durch. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass der Waffenkauf nicht formbedürftig ist, der Grundstückskauf dagegen schon. Deswegen scheitert er hier zunächst an der Formbedürftigkeit. Dieser Fehler wird durch die anschließende Auflassung aber geheilt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
silasowicz
19.8.2023, 13:53:50
Wie ist denn das Verhältnis zwischen § 116 S. 2 und § 117 I? Dem Wortlaut nach wäre doch auch § 116 S. 2 hier anwendbar, sofern man davon ausgeht, dass der erklärte Kaufpreis i.H.v. 500.000 € nicht dem gewollten i.H.v. 1.000.000 entspricht. Sind beide parallel anwendbar oder ist § 117 I spezieller, sozusagen eine qualifizierte Mentalreservation?
Leo Lee
24.8.2023, 16:05:18
Hallo silasowicz, in der Tat sind § 116 2 BGB und § 117 I BGB nicht mal so weit entfernt voneinander. Beachte jedoch, dass sich diese beiden Normen durch die Kenntnis seitens des Erklärungsemfpängers unterscheidet. § 116 2 BGB ist einschlägig, wenn der Erklärende sich etwas "geheim" vorbehält und der Empfänger diesen Vorbehalt erkennt. Wichtig ist jedoch zu merken, dass der Erklärende (der sich etwas vorbehält) NICHT WEIß, dass er "durchschaut" wurde. Bei 117 I BGB sind sich beide Seiten darüber bewusst, dass sie quasi "zusammen" etwas vorbehalten (wie hier, wo beide Parteien konsensual die Tatsache vorbehalten, dass sie die Erklärung nur als Schein nutzen). Somit können die beiden Normen nicht parallel Anwendung finden, da § 116 2 BGB, wie erwähnt, nicht anwendbar ist, wenn sich beide Parteien im Klaren darüber sind, dass etwas vorbehalten wird. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage, Armbrüster § 116 Rn. 8 und § 117 Rn. 1 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
QuiGonTim
7.9.2023, 23:30:03
Wie kommt die Mindermeinung darauf, dass in den Fällen der Scheingeschäfte der Rechtsbindungswille fehle? In Fällen der Verdeckungsgeschäfte wie dem Vorliegenden kommt es den Parteien doch gerade darauf an, rechtliche Bindungen auszulösen. Es sollen bloß andere als die Erklärten sein.
Leo Lee
8.9.2023, 12:02:24
Hallo QuiGonTim, die Mindermeinung begründet diese Argumentation wie folgt: Wenn beide nur so "tun wollen", als würden sie ein wirksames Rechtsgeschäft abschließen, dann ist der "wirkliche Wille" der beiden Parteien gem. § 133 BGB auf die NICHTGELTUNG der Erklärung und somit auf AUSSCHLUSS von deren Rechtsfolgen (weil die Erklärung eben nicht gelten) gerichtet, weshalb Sie nicht den Willen haben, eine wirksame Rechtsfolge herbeizuführen (Definition für RBW)! Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage Armbrüster § 117 Rn. 1 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
QuiGonTim
11.9.2023, 18:19:34
Danke für die Antwort, Leo Lee. Die Ansicht finde ich wenig überzeugend. Es geht eben nicht darum, überhaupt keine Rechtsfolge herbeizuführen. Es ist aber gut zu wissen, dass es eine solche Ansicht gibt. :)
Paul21
23.10.2023, 02:51:19
Warum wird der Kaufvertrag mit dem Preis iHv 1.000.000 Euro geheilt? Durch dinglichen Vollzug wird iRd § 311b Abs. 1 S. 2 BGB nur der formnichtige, nicht der nach § 117 Abs. 1 BGB nichtige Vertrag wirksam. Eigentlich müsste doch der Kaufvertrag mit dem Preis iHv 500.000 Euro wirksam werden.
Leo Lee
28.10.2023, 18:53:17
Hallo Paul 21, in der Tat wird derjenige Vertrag, der tats. betroffen ist und auch gemein war, durch die Eintragung geheilt. Beachte allerdings, dass hier die 500.000 das simulierte Geschäft darstellen, das auch nichtig ist gem. § 117 I BGB. Nun haben wir noch die 1 Mio. Dieses Geschäft ist eigentlich gemeint, weshalb gem. § 117 II BGB die Vorschriften für den Kaufvertrag über das Grundstück gem. § 433, 311b I angewandt werden. Weil jedoch diese 1 Mio. nie beurkundet wurden (Notar hat nur die 500.000 beurkundet), ist dieser Vertrag, der eig. Gemeint war, gem. 311b I BGB formnichtig. Durch die Eintragung in das Grundbuch ist jedoch dieser Vertrag (der eben eig. Gemeint war aber formnichtig war und gem. § 117 II BGB Gegenstand der restlichen Vorschriften ist), durch die Eintragung geheilt. Die entscheidende Frage lautet also: Welcher Vertrag/Betrag war ursprünglich – wenn auch verdeckt – gemeint und wie sieht die Rechtslage bzgl. DIESER Vereinbarung aus? Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ruhwinkel § 311b Rn. 81 ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Paul21
30.10.2023, 21:15:32
Hallo Leo, danke für die Antwort. Richtig, ich habe beim Verfassen meines Kommentares die beiden Verträge verwechselt. Natürlich ist es so richtig, wie es in der Aufgabe steht.