Lederspray-Variante 2 (Kausalität des zustimmenden Gremienmitglieds bei einer Mehrheit von mehr als einer Stimme)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Beschluss der fünf Gesellschafter G1-G5 der L GmbH, das Lederspray trotz Gesundheitsgefahr weiterhin zu vertreiben, ergeht mit deutlicher Mehrheit. G1, G2, G3 und G4 stimmen dafür, G5 stimmt dagegen.
Einordnung des Falls
Lederspray-Variante 2 (Kausalität des zustimmenden Gremienmitglieds bei einer Mehrheit von mehr als einer Stimme)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei schlichter Anwendung der conditio-Formel war die Ja-Stimme des G1 kausal für den Beschluss und damit für den Erfolgseintritt.
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Die Ja-Stimme des G1 ist für den Erfolgseintritt in Form kumulativer Kausalität ursächlich.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Ja-Stimme des G1 ist für den Erfolgseintritt in Form alternativer Kausalität ursächlich geworden.
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Nein!
4. Die Ja-Stimme des G1 ist für den Erfolg in Form einer Kombination aus kumulativer und alternativer Kausalität ursächlich geworden.
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Genau, so ist das!
5. Nach der Rspr ist die Stimme des G1 für den Erfolg mittels gegenseitiger Zurechnung der anderen Ja-Stimmen im Wege der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) ursächlich geworden.
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Ja, in der Tat!
6. Anders als die wohl hL kommt die Rspr zu dem Ergebnis, dass auch G5 das Verhalten der Mehrheit zugerechnet wird (§ 25 Abs. 2 StGB).
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Nein!
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DeliktusMaximus
25.7.2022, 12:09:48
Hat der BGH nicht irgendwann tatsächlich die fahrlässige Mittäterschaft angenommen?

Lukas_Mengestu
27.7.2022, 18:47:42
Hallo DeliktusMaximus, die deutsche Rechtsprehcung hat - soweit mir bekannt - eine fahrlässige Mittäterschaft bislang nicht ausdrücklich anerkannt (so auch Schönke/Schröder, StGB vor § 25 Rn. 111). In dem hier behandelten Lederspray-Fall (BGHSt 37, 131f.) hätte man sich dies zwar überlegen können. Stattdessen hat der BGH aber den Weg über die Kausalität gewählt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sniter
5.1.2023, 15:47:03
Ist dieser Meinungsstreit "Kausalität bei Gremienentscheidungen" nur relevant, wenn der fragliche Gesellschafterbeschluss mit Mehrheit erreicht wurde (hier 4/5), oder wäre er auch relevant und in der Klausur darzustellen, wenn der Beschluss (wie im Fall 1 dieses Kapitels) einstimmig gefasst wurde?

Sambajamba10
29.5.2023, 09:22:13
Also logisch betrachtet, wird die Relevanz der Stimme des G1 geringer, desto mehr Leute zustimmen. Daher würde ich folgern, dass du diesen Streit bei einem einstimmig ergangenen Beschluss erst Recht darstellen musst.
Timurso
15.6.2023, 15:11:37
Ist die Mehrheitsentscheidung nur gerade so zustande gekommen, braucht es den Meinungsstreit nicht. Dann reicht die normale Anwendung der csqn-Formel. Haben wir stattdessen eine deutlichere Mehrheit, bei der nicht eine einzelne Stimme den Unterschied macht, braucht es den in diesem Kapitel dargestellten Meinungsstreit.
MikeRoss10
15.7.2023, 21:35:40
Wie wäre die kausalität zu prüfen, wenn einer dafür und einer dagegen gestimmt hat? Bei einem Ergebnis von 3:2. Würde man die kausalität nach der CSQN Formel wie gewohnt bejahen/verneinen?
Timurso
16.7.2023, 12:05:48
@[MikeRoss10](212739) Ja genau, dann ist es csqn. Denn jede Ja-Stimme, die hinweggedacht wird, lässt den Erfolg entfallen (da keine Mehrheit mehr). Ist praktisch ein normaler Fall der kumulativen Kausalität dann.
MikeRoss10
16.7.2023, 12:46:27
Was passiert bei der Nein-Stimme, wenn mit 3:2 die Mehrheit beschlossen wurde? Würde man die Nein- Stimme wegdenken dann hätte man ja trotzdem die Mehrheit.
Timurso
16.7.2023, 12:48:08
@[MikeRoss10](212739) richtig. Die Nein-Stimmen sind nie kausal (angenommen, dass der Beschluss den Erfolg kausal herbeiführt und nicht das Unterlassen dieses), unabhängig davon, wie die Mehrheitsverhältnisse sonst sind.
Diaa
26.7.2023, 13:23:18
Könnte eventuell jemand die kumulative Kausalität mit einfachen Wörtern erklären? Wäre echt super lieb, denn ich kann diese Art Kausalität nicht verstehen.
mariaaa01
27.7.2023, 14:50:43
Eine kumulative Kausalität kann man ganz gut mit dem Beispiel des Gifted erklären! A und B wollen voneinander unabhängig C vergiften. Als C nicht hinguckt schütten beide jeweils eine Menge Gift in sein Glas rein, welche einzeln nicht dazu geeignet ist den Erfolg des Todes herbeizuführen. Beide zusammen aber reichen, um C zu töten. Und weil eben C die addierte Menge an Gift trank, starb er. Ich hoffe das hilft dir weiter!
Diaa
27.7.2023, 17:25:08
Ja, vielen Dank!
patric
18.9.2023, 13:34:46
Ist das mit der geheimen Abstimmung nicht eine riesige Regelungslücke? Könnte man dann nicht mit einem geheimen Mehrheitsbeschluss einen Mord planen, ohne, dass jemand dafür angeklagt werden könnte?