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Lernplan ZR Kleiner Schein (100%)

V möchte K sein Grundstück für €1.000.000 verkaufen. Um Beurkundungsgebühr und Grunderwerbssteuer zu sparen, geben V und K beim Notar einen Kaufpreis von €500.000 an.

Einordnung des Falls

Scheingeschäft beim Grundstückskauf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Grundstückskaufvertrag kann formlos geschlossen werden.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich herrscht im Zivilrecht der Grundsatz der Formlosigkeit. Erfordert das Gesetz ausnahmsweise eine Form und wird diese Form nicht erfüllt, so ist der Vertrag nichtig (§ 125 BGB). Ebenfalls können sich die Parteien auf eine bestimmte Form einigen (§ 127 BGB). Kaufverträge über Grundstücke müssen notariell beurkundet werden (§ 311b Abs. 1 BGB). Das BGB kennt die Schriftform (§ 126 BGB), die elektronische Form (§ 126a BGB), die Textform (§ 126b BGB), die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB), sowie die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB).

2. Die Angabe eines falschen Kaufpreises zum Sparen von Steuern führt hier zur Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB i.V.m. § 370 AO).

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist grundsätzlich nichtig (§ 134 BGB). Ein Verbotsgesetz liegt vor, wenn die Norm bestimmte Rechtsgeschäfte wegen ihres Inhalts oder wegen besonderer Umstände ihrer Vornahme untersagt, weil sie sie für schädlich hält oder aus einem anderen Grunde missbilligt. Ein Vertrag, mit dessen Abwicklung eine Steuerhinterziehung verbunden ist, wird nach Rspr. von § 370 AO nur dann verboten, wenn die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Vertrages ist und nicht lediglich Nebenzweck. V möchte K in erster Linie das Grundstück verkaufen. Die Grunderwerbssteuer zu sparen, ist nur ein Nebenzweck.

3. V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von €500.000 geschlossen.

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Nein!

Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung nichtig, wenn sie mit dem Einverständnis des Empfängers nur zum Schein abgegeben wird. Das Scheingeschäft wird auch das simulierte Geschäft genannt. Hier haben V und K den Kaufpreis von €500.000 nur angegeben, um Steuern zu sparen. In Wahrheit wollten sie einen Kaufpreis von €1.000.000 vereinbaren. Der wahre Wille der Parteien geht bei Verträgen dem Wortlaut vor. Damit handelt es sich bei dem notariell beurkundeten Vertrag nur um ein Scheingeschäft. Dieses ist nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Nach einer Mindermeinung fehlt bereits Rechtsbindungswillen beim Scheingeschäft.

4. Der Kaufvertrag über €1.000.000 wird wirksam, wenn V dem K das Grundstück übereignet (§§ 873, 925 BGB).

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Genau, so ist das!

Das BGB sieht in Ausnahmefällen die Heilung von Formfehlern vor. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Funktion der Formvorschrift nicht mehr erreicht werden kann. Bei der notariellen Beurkundung ist dies (1) die Warnfunktion, (2) die Beweisfunktion, sowie (3) die Beratungsfunktion. Ist der Kaufvertrag vollzogen – also das Grundstückseigentum übertragen worden –, so sind die Parteien weniger schutzbedürftig. Daher sieht § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB vor, dass ein formnichtiger Vertrag bei Auflassung des Grundstücks seinem ganzen Inhalt nach gültig wird.Diesen Mehrschritt der gesetzlichen Regelungen zum Scheingeschäft bei formbedürftigen Rechtsgeschäften musst Du drauf haben.Nach der st. Rspr. des 5. Senates des BGH führt der falsche Kaufpreis nur dann wegen der Absicht der Steuerhinterziehung zur Nichtigkeit (§ 134 BGB i.V.m § 370 AO), wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist. Strenger bei Steuerhinterziehung ist der für das Werkrecht zuständige 7. Senat. Bei "Ohne-Rechnung"-Abreden im Werkrecht hält er den Werkertrag regelmäßig bereits für nichtig, wenn die Abrede auf die Preisgestaltung Einfluss hatte.

5. V und K haben einen wirksamen Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von €1.000.000 geschlossen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Wird durch das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung (§ 117 Abs. 2 BGB). Das verdeckte Geschäft wird auch das dissimulierte Geschäft genannt. Im vorliegenden Fall wollten V und K in Wirklichkeit einen Kaufpreis von €1.000.000 vereinbaren. Für dieses dissimulierte Geschäft finden die Formvorschriften der §§ 311b Abs. 1, 128 BGB Anwendung. Notariell beurkundet wurde allerdings nur das simulierte Geschäft über €500.000. Damit ist das dissimulierte Geschäft formnichtig (§§ 311b Abs. 1, 128, 125 BGB).

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