Lukas_Mengestu
6.7.2021, 18:46:52
Hallo Daniil,
super Gedanke und in der Tat könnte man darüber nachdenken. Auch wenn die "sukzessive Mittäterschaft" in weiten Teilen der Literatur heftig umstritten ist, hält der BGH hieran grundsätzlich fest, weswegen man an dieser Figur nicht vorbeikommt (bei aller berechtigter Kritik). Die sukzessive Mittäterschaft passt allerdings bei den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten nicht so richtig, da hier Vollendung und Beendigung zwingend zusammenfallen (nicht verwechseln mit dem beendeten Versuch, der zeitlich noch vor der Vollendung liegt). Die "einfache" Mittäterschaft kommt allerdings nach mE durchaus in Betracht.
Um eine Zurechnung über die Mittäterschaft zu bejahen, benötigt man neben der gemeinsamen Tatausführung auch einen entsprechenden gemeinsamen Tatentschluss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung den "gemeinsamen Tatentschluss" grundsätzlich sehr weit fast. So bedarf es zB keiner "vorherigen" Vereinbarung, sondern genügen, wenn im Rahmen der Tat ein Einverständnis vorliegt. Eine Mittäterschaft soll selbst dann möglich sein, wenn die Mitwirkenden sich nicht kennen, aber jedem bewusst ist, dass neben ihm noch ein anderer oder andere mitwirken und diese von dem gleichen Bewusstsein erfüllt sind. Auch eine stillschweigende, durch schlüssiges Handeln bekundete Willensübereinstimmung genügt. Allerdings liegt der "gemeinsame" Tatenschluss dann nicht mehr vor, wenn eine Person mitwirkt, ohne dass der "unmittelbare Täter von der Tat weiß. Ebenso fehlt es an einer Mittäterschaft, wenn mehrere Täter nebeneinander die gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse über eine günstige Tatsituation zur Begehung gleichartiger Straftaten ausnutzen. (vgl. hierzu Joecks/Scheinfeld, in: MüKo-StGB, 4. A. 2020, § 25 Rn. 234 f.)
Aufgrund der Kürze des Sachverhalts kann man hier natürlich in beide Richtungen argumentieren. Geht man davon aus, dass A hier mitbekommt, dass O noch let und insofern billigt, dass B an ihren Taterfolg anknüpft, könnte man gut vertretbar davon ausgehen, dass im Laufe der Tat ein entsprechender gemeinsamer Tatentschluss gebildet wurde.
Im Ausgangsfall der dem BGH vorlag, stellte es sich dagegen so dar, dass A ihre Pflegemutter in ihrem Haus erstochen hat. Dann lief sie zu ihrem Freund B, dem sie von ihrer Tat berichtete, um anschließend mit B zurückzukehren.Während B hineinging, wartete A vor dem Haus. Sie hatte also keine Ahnung, dass ihre Tat noch nicht vollendet war und B sich nun daran beteiligte. In dieser Konstellation spricht insofern viel dafür, ein gemeinsames Zusammenwirken abzulehnen.
Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team