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Alleinhaftung des Fußgängers bei vorsätzlicher Kollision mit Pkw
Alleinhaftung des Fußgängers bei vorsätzlicher Kollision mit Pkw
14. Februar 2025
17 Kommentare
4,8 ★ (36.950 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G geht nachts auf der rechten Fahrbahn eine nicht beleuchtete Landstraße entlang. Halter H nähert sich mit seinem ordnungsgemäß geführten Trabbi. In suizidaler Absicht springt G plötzlich auf die Fahrbahn. H kann nicht mehr ausweichen. G verlangt Schadensersatz von H.
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Einordnung des Falls
Alleinhaftung des Fußgängers bei vorsätzlicher Kollision mit Pkw
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G könnte ein Schadensersatzanspruch gegen H zustehen (§ 7 Abs. 1 StVG).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG liegt vor.
Ja!
3. Die Verletztung erfolgte bei Betrieb eines Fahrzeugs.
Genau, so ist das!
4. H ist Halter des Fahrzeugs (§ 7 Abs. 1 StVG).
Ja, in der Tat!
5. Wenn der haftungsbegründende Tatbestand der Halterhaftung erfüllt ist (§ 7 Abs. 1 StVG), hat der Verletzte zwingend einen Anspruch auf Schadensersatz.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Vorliegend ist zulasten des H ein Verstoß gegen des Sichtfahrgebot zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO).
Nein, das trifft nicht zu!
7. G trifft ein überragendes Mitverschulden, hinter dem die Betriebsgefahr des Fahrzeugs vollständig zurücktritt (§§ 9 StVG, 254 BGB).
Ja!
8. Steht G ein Schadensersatzanspruch gegen H zu (§ 7 Abs. 1 StVG)?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

kithorx
7.2.2023, 19:39:54
Ist die letzte Frage korrekterweise wirklich negativ zu beantworten? Sie fragt danach, ob ein Schadensersatzanspruch besteht. Dies ist dem Grunde nach ja der Fall. Nur haftungsausfüllend eben gleich null.

Nora Mommsen
9.2.2023, 13:48:20
Hallo kithorx, danke für deine Frage. Die Frage-Antwort Kombination ist richtig so. Der Anspruch besteht eben nur, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind. Dazu gehört der haftungsbegründende wie haftungsausfüllende
Tatbestandgleichermaßen. Fehlt eins von beiden ist kein Anspruch gegeben. Du kannst es dir vorstellen wie den letzten Satz einer Prüfung. Wenn der hauftungsausfüllende
Tatbestandnicht gegeben ist, dann musst du als Schlussatz schreiben - ein Anspruch aus § 7 StVG besteht nicht. Genau das fragt die letzte Frage ab. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

kithorx
10.2.2023, 00:49:31
Danke! Ergibt für mich so jetzt auch mehr Sinn 😄
ehemalige:r Nutzer:in
28.5.2023, 12:26:57
Der angegeben Maßstab bzgl. "
Bei Betriebeines
Fahrzeugs" dürfte veraltete sein, indem man den örtlichen Bereich auf den -öffentlichen Verkehr- begrenzt. Denn der BGH geht von einer sehr weiten Auffassung des Betriebsbegriffs aus und bejaht 7 StVG auch bei Privatgeländen.
evanici
12.9.2023, 13:35:18
Könnte man einen plötzlich auf die Straße springenden Suizidenten nicht auch als "höhere Gewalt" subsumieren, sodass bereits ein Ausschlussgrund vorliegt? Wertungsmäßig wäre das ja auf einer Ebene mit dem das Sichtfahrgebot beschränkenden Vertrauensgrundsatz.
Nilson2503
10.10.2023, 15:40:55
Habe auch im Hinterkopf dass es sich bei plötzlichem Suizid durch Springen auf die Fahrbahn um höhere Gewalt handelt. Daher dürfte der Anspruch bereits hieran scheitern.

GS99
29.11.2023, 20:14:30
In diesem Kontext ist höhere Gewalt "ein außergewöhnliches von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis...". Der Suizidversuch kam nicht von außen durch eine dritte Person, sondern vom "Opfer" selbst, also ist das kein Fall von höherer Gewalt. Allerdings wurde bis 2002 die
Verteidigungeines "
unabwendbaren Ereignisses" verwendet. Diese hat auch das Verhalten des Opfers erfasst. Heute ist diese
Verteidigungallerdings nicht mehr anwendbar.
Amelie7
31.10.2024, 14:39:36
Tritt die Betriebsgefahr des Kfz auch vollständig hinter dem Verstoß eines Fußgängers zurück, der nicht suizidal handelt sonder nicht genug aufpasst? In dem vorliegenden Fall müsste H ja vielmehr einen deliktischen Anspruch gegen G haben, oder? Wenn ja, wäre es super das in der Vertiefung kurz zu vermerken.
unvorsätzlicher Totschläger
27.12.2024, 19:22:11
Ist der Suizidversuch des G nicht ein eigenverantwortliches Dazwischentreten, was den spezifischen Gefahrenzusammenhang zum Betrieb des Kfz entfallen lässt, so dass die Rechtsgutverletzung nicht "
bei Betriebdes
Fahrzeugs" Eintritt?
Leo Lee
28.12.2024, 18:21:08
Hallo un
vorsätzlicher Totschläger, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Deine Frage bzw. Bauchgefühl ist insoweit völlig verständlich, als das eigenverantwortliche Dazwischentreten (
Vorsatzoder grobe Fahrlässigkeit) in der Tat bei STRAFRECHT (dort bei der obj. Zurechnung) den Zusammenhang entfallen lässt. Beachte allerdings, dass i.R.d. Zivilrechts (weil das Zivilrecht eben nicht das schärfste Schwert des Staates ist) andere Maßstäbe (meistens lockerer) geltend. Zusätzlich kommt bei 7 StVG hinzu, dass aufgrund der spezifischen Gefahr von Autos das Merkmal "
bei Betrieb" SEHR weit ausgelegt wird. So wird etwa "
bei Betrieb" auch dann bejaht, wenn ein parkendes (und nicht gezündetes) Auto von sich aus anfängt zu brennen und die danebenstehenden Autos erfasst (obwohl man nicht mal das Auto gezündet hat!). Dieser Logik folgend entfällt "
bei Betrieb" auch nicht bei Suizidversuchen. Allerdings wird zugunsten des Fahrers berücksichtigt, dass der
Selbstmordversuch/-erfolg "höhere Gewalt" ist i.S.d. 7 II StVG, weshalb er dann schließlich nicht haften muss. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke Straßenverkehrsrecht 28. Auflage, Burmann § 7 StVG Rn. 14 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
unvorsätzlicher Totschläger
28.12.2024, 19:11:44
Vielen lieben Dank, mein Kommentar war auch wieder ein bisschen schwammig formuliert.. Ich habe im Kopf die Parallele zum "Grünstreifen Fall" gezogen bei dem ja auch (Zitat aus der Jurafuchsaufgabe, habe das mit dem Aufgaben teilen noch nicht drauf): ,,Das unmittelbar schädigende Verhalten eines Dritten ist nicht mehr der spezifischen Betriebsgefahr des Kfz zurechenbar (ist), weil das
vorsätzliche pflichtwidrige Handeln eines Dritten den
Zurechnungszusammenhangdurchbricht" was auch gelten soll, wenn: ,,(...) das Schadensgeschehen (durch das Kfz)(...)."das mitgeprägt w(u)rde." Ist dann aber wahrscheinlich zu weit hergeholt der Vergleich oder? Zumal der Suizidversuch ja nicht unter Strafe steht..