Mitleidstötung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Patient O ist todkrank, aber noch bei Bewusstsein. Angesichts Os schwerer Leiden hat Krankenschwester T Mitleid. Um ihm weiteres Leiden und einen Todeskampf zu ersparen, verabreicht sie O tödliche Injektionen. Weder O selbst noch seine Angehörigen hatten T hierum gebeten.
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Einordnung des Falls
Mitleidstötung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. O war "arg- und wehrlos" (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat in "feindseliger Willensrichtung" gehandelt.
Ja, in der Tat!
3. Dass T den O getötet hat, ist aufgrund der Umstände in gewisser Weise nachvollziehbar. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe stünde nicht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und dem Maß der Schuld.
Ja!
4. Nach der Tatbestandseinschränkung der Literatur durch ein zusätzliches Merkmal ("verwerflicher Vertrauensbruch" bzw. "tückisch-verschlagenes Vorgehen") würde die Strafbarkeit des T wegen Mordes entfallen.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Nach der Rechtsprechung ist T wegen Mordes zu verurteilen. T profitiert jedoch von einer Strafmilderung.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
31.3.2020, 10:14:23
Mir reichen die Angaben im Sachverhalt nicht aus, um hier eine Tat aus Mitleid anzunehmen, anstelle der Anmaßung die eigene Vorstellung über lebenswertes Leben eigenmächtig zu entscheiden.
Marilena
31.3.2020, 12:03:30
Danke für Deine Meinung! Wir haben den SV noch etwas zugespitzt. Er gibt jetzt nichts mehr her für Deine zweite Option. ;)
Diaa
10.8.2023, 22:19:13
Argumentation überzeugt nicht, vor allem, weil sie den O ohne jegliche Vorsprache mit ihm oder mit seinen Angehörigen ermordete. Das wäre zu willkürlich. Würde man eine Strafminderung nach § 49 I bejahen, würde dies zuungunsten des Getöteten bzw. zuungunsten seiner Angehörigen erfolgen und dann würde das Mordmerkmal der Heimtücke leerlaufen bzw. wäre es überflüssig.
Leo Lee
11.8.2023, 12:37:25
Hallo Diaa, es mag zunächst so scheinen, als würde die Heimtücke "leerlaufen". Beachte jedoch, dass die Rechtsprechung die Heimtücke sehr wohl bejaht, nur die Strafe eben mildert. Der Grund dahinter ist, dass ein Vorgehen nach dem "Alle-oder-Nichts-Prinzip" (Heimtücke auf TB-Ebene bejahen oder verneinen aufgrund bestimmter Merkmale) eben hinsichtlich der Einzelfallgerechtigkeit nachteilhafter ist als eine Lösung bei der Strafzumessung :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Amelie7
28.10.2024, 18:13:32
Ich sehe das genau so. Ich verstehe zwar, dass hier keine Mitleidstötung in dem Sinne vorliegen kann, da der Patient noch bei Bewusstsein war, aber wieso wird dann doch eine Strafmilderung angenommen?
Flohm
18.4.2024, 10:57:06
Wie und wo führe ich den Streit in einer Klausur ? Führe ich den überhaupt ?
Nora Mommsen
18.4.2024, 16:54:05
Hallo Flohm, danke für deine Frage! Wenn es relevant ist, sollte das Thema natürlich angesprochen werden. Du prüfst erst ganz normal die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale durch. Im Anschluss leitest du in der Streit über, mit der Frage, ob aufgrund des vom BVerfG aufgestellten Gebots restriktiver Anwendung ausreichend ist, allein die vorgenannten Kriterien zur Begründung eines Mordes aus Heimtücke heranzuziehen. Dann fängst du mit den Ansichten zur Restriktion auf Tatbestandsebene an und kommt ggfs. zur Ablehnung um dann nach der Rechtswidrigkeit und Schuld noch die Rechtsfolgenlösung des BGH anzusprechen. Diese nutzt ja das bekannte Strafmaßkriterium des minder schweren Falls um zu einem Ausgleich zu kommen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen und kein gesetzlicher Milderungsgrund greift. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Timurso
27.4.2024, 10:35:11
In der Definition der feindseligen Willensrichtung werden Mitleidstötungen als Beispiel genannt für solche, die nicht in feindseliger Willensrichtung geschehen. Vorliegend wird das Merkmal jedoch bejaht. Da müsste imo noch etwas verfeinert werden.
Leo Lee
28.4.2024, 12:30:58
Hallo Timurso, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat könnte man meinen, der Text sei widersprüchlich. Beachte allerdings, dass die Mitleidstötung dann nicht in feindlicher Willensrichtung passiert, wenn davor als „Ausgangssituation“ eine explizite Einwilligung vorliegt oder das Opfer nicht in der Lage ist einen Willen zu äußern! Vorliegend war jedoch das Opfer bei Bewusstsein + keiner hatte drum gebeten, das Opfer aus „Mitleid“ zu töten. Sprich, Mitleid kann die feindliche Willensrichtung nur dann ausschließen, wenn dies unter der Voraussetzung passiert, dass weder ausdrücklicher Wille noch etwa Bewusstlosigkeit des Opfers vorliegt :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Gerrit
4.5.2024, 18:05:26
@[Leo Lee](213375) Würde bei Bewusstlosigkeit des O nicht die Arglosigkeit fehlen und es wäre somit kein heimtückischer Mord (ohne etwaige Garanten zu berücksichtigen)? Wenn O am Schlafen wäre, würde man dann die feindselige Willensrichtung verneinen, da O zum Zeitpunkt der Tötung nicht in der Lage war einen Willen abzugeben oder muss es ein dauerhafter Zustand sein?
eichhörnchen II
16.5.2024, 00:39:57
Eine Aufgabe vorher wird gesagt in den Krankenhausfällen ist eine Tötung aus Mitleid gegeben, sofern das Mitleid auch das dominante Motiv ist.. das wirkt mir jetzt doch etwas widersprüchlich. Das Lehrbuch-Beispiel für Mitleidstötungen /
Mitnahmesuizide ist das Töten der eigenen Kinder beim elterlichen Suizid. Wo genau liegt da jetzt der Unterschied? Die Kinder willigen doch auch nicht ein?