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Klassisches Klausurproblem

Patient O ist todkrank, aber noch bei Bewusstsein. Angesichts Os schwerer Leiden hat Krankenschwester T Mitleid. Um ihm weiteres Leiden und einen Todeskampf zu ersparen, verabreicht sie O tödliche Injektionen. Weder O selbst noch seine Angehörigen hatten T hierum gebeten.

Einordnung des Falls

Mitleidstötung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O war "arg- und wehrlos" (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des Versuchs (§ 22 StGB)) keines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht. Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist. O lag im Krankenhaus und rechnete nicht mit einem Angriff auf sein Leben; im Gegenteil erwartete er eine Heilbehandlung. Er war arglos. Zudem war O auch infolge seiner Arglosigkeit in seiner Verteidigungsbereitschaft stark eingeschränkt.

2. T hat in "feindseliger Willensrichtung" gehandelt.

Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung hat den Tatbestand der Heimtücke durch das Merkmal der "feindseligen Willensrichtung" (oft auch: "feindliche Willensrichtung") eingeschränkt. An einer solchen feindseligen Willensrichtung kann es nur dann fehlen, wenn die Tat dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht (etwa bei Tötungen aus Mitleid und bei missglücktem Mitnahmesuizid). T handelte in feindseliger Willensrichtung. T hätte O fragen müssen, ob es seinem Willen entspricht, getötet zu werden. Der BGH hat früher (BGH, Urt. v. 08.05.1991 - 3 StR 467/90) vertreten, dass der Täter dann nicht in feindseliger Willensrichtung handele, wenn er glaubt, zum Besten des Opfers zu handeln (das wäre vorliegend zu bejahen).

3. Dass T den O getötet hat, ist aufgrund der Umstände in gewisser Weise nachvollziehbar. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe stünde nicht in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und dem Maß der Schuld.

Ja!

Die Definition der Heimtücke (bewusstes Ausnutzen der Arg- und der darauf beruhenden Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung in feindlicher Willensrichtung) ist relativ weit gefasst und ermöglicht eine sehr weite Auslegung des Mordmerkmals. Das BVerfG folgert aus dem Schuldgrundsatz sowie dem Rechtsstaatsprinzip, dass Tatbestand und Rechtsfolge aufeinander abgestimmt sein und die angedrohte Strafe in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld stehen müssen. Die Tötung des O durch T ist in gewisser Weise "nachvollziehbar" und eine lebenslange Freiheitsstrafe erscheint nicht schuldangemessen. Rechtsprechung und Literatur versuchen deshalb mit verschiedenen Ansätzen die Verfassungswidrigkeit einer solch weiten Auslegung zu vermeiden.

4. Nach der Tatbestandseinschränkung der Literatur durch ein zusätzliches Merkmal ("verwerflicher Vertrauensbruch" bzw. "tückisch-verschlagenes Vorgehen") würde die Strafbarkeit des T wegen Mordes entfallen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Literatur regt eine Restriktion auf Tatbestandsebene an. Ein Teil der Literatur verlangt einen verwerflichen Vertrauensbruch (zu unterscheiden von dem Merkmal der "feindlichen Willensrichtung"). Ein anderer Teil verlangt ein tückisch-verschlagenes, also listiges, hinterhältiges Vorgehen. T hat sowohl in verwerflicher Weise das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Krankenschwester gebrochen als auch ein tückisch-verschlagenes Vorgehen an den Tag gelegt. Die Strafbarkeit würde nach der Literatur nicht entfallen.

5. Nach der Rechtsprechung ist T wegen Mordes zu verurteilen. T profitiert jedoch von einer Strafmilderung.

Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung verurteilt zwar weiterhin wegen Mordes, mindert aber auf Rechtsfolgenseite den Strafrahmen. Der BGH lässt an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe den Strafrahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB treten, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die das Ausmaß der Täterschuld erheblich mindern. Diese könnten bei Taten angenommen werden, die in notstandsnahen, ausweglos erscheinenden Situationen in großer Verzweiflung, aus tiefem Mitleid oder aufgrund von wiederholter schwerer Provokation begangen werden. T hat den O aus Mitleid getötet, damit er nicht weiter leiden muss und ihm so den Todeskampf erspart. Die Rechtsprechung würde den Strafrahmen mindern.

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