Gefahr des Todes eines anderen Menschen (Nr. 1)

6. Juli 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A zündet die Villa des B an. Er weiß, dass sich zu dieser Zeit keine Menschen im Haus befinden. Lediglich Putzfrau P kommt gelegentlich, um die Zimmer zu reinigen. A nimmt dabei die Gefährdung der P billigend in Kauf, da er davon ausgeht, dass sie den Brand bemerkt und sich selbst rettet. P betritt die Villa vom Hintereingang und bemerkt nicht, dass der vordere Teil der Villa bereits in Flammen steht. Später kann sie sich nicht mehr vor den Flammen retten und stirbt.

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Einordnung des Falls

Gefahr des Todes eines anderen Menschen (Nr. 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A die Villa angezündet hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) und schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

A hat durch seine vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Tathandlung ein fremdes Gebäude durch Brandlegung zerstört und damit den Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB verwirklicht. Daneben handelte es sich bei der Villa um ein Gebäude, das zu Wohnzwecken dient, so dass A sich ebenfalls wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht hat.
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2. A hat sich wegen besonders schwerer Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht, wenn er den „Tatbestand des § 306a StGB“ erfüllt hat und „durch die Tat die P vorsätzlich in die Gefahr des Todes“ gebracht hat.

Ja!

Bei § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB muss der Täter einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes gebracht haben und diesbezüglich auch Gefährdungsvorsatz besitzen. Wie § 306a Abs. 2 StGB auch ist § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB ein konkretes Gefährdungsdelikt. Der einzige Unterschied zu § 306a Abs. 2 StGB besteht darin, dass es sich um eine gesteigerte Gefahr, nämlich um die Gefahr des Todes handeln muss. Ansonsten kannst Du auf sämtliche Ausführungen zu § 306a Abs. 2 StGB Bezug nehmen.

3. Das Opfer muss sich zum Tatzeitpunkt bereits im Gebäude befinden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Dies ist nicht erforderlich. Das Opfer muss sich nicht zur Tatzeit in den Räumlichkeiten aufhalten. Dass P erst später die Villa betreten hat, ist unerheblich. Eine eigenverantwortliche Selbstschädigung liegt schon deshalb nicht vor, da P das Feuer beim Betreten des Hauses nicht bemerkt hat.

4. Indem A die Villa in Brand gesetzt hat, hat er P kausal und objektiv zurechenbar „in die Gefahr des Todes“ gebracht (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Konkrete Gefahr meint eine kritische Situation, in der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rechtsgutserfolges besteht und die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt. Hier konnte sich P nicht mehr vor den Flammen retten. Der Tod der P ist eingetreten. In der Lit. wird teilweise über die Kausalität und objektive Zurechenbarkeit hinaus ein spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang gefordert (Bosch in: TK-StGB, 31. Aufl. 2025, § 306b RdNr. 9; Heger in: Lackner/Kühl-StGB, 30. Aufl. 2023, § 306b RdNr. 2; Radtke in: MüKo-StGB, 4. Aufl. 2022, § 306b RdNr. 14). Zwingend ist dies nicht, da es sich bei § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB gerade nicht um eine Erfolgsqualifikation nach § 18 StGB, sondern um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Ein Gefahrverwirklichungszusammenhang liegt vor, wenn sich die spezifische mit der Verwendung des Tatmittels Feuer verbundene entweder unmittelbar auf das Rechtsgut Gesundheit wirkende Gefährlichkeit (wie Rauchgasentwicklung) oder die über die Einwirkung auf das Tatobjekt vermittelte Gefährlichkeit der Vornahme der Tathandlung (etwa Gefahr durch das Einstürzen des Tatobjekts) im konkreten Gefahrerfolg verwirklicht. P kann sich nicht mehr vor den Flammen retten, sodass der Gefahrverwirklichungszusammenhang zu bejahen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

7.8.2022, 06:46:15

Könnt ihr noch etwas zum subjektiven Tatbestand sagen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2022, 14:55:25

Hallo Daniel, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben dies nun etwas präzisiert. Nach hM muss der Täter bei § 306b Abs. 2 StGB vorsätzlich im Hinblick auf den Gefährdungserfolg handeln (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl. 2019, StGB § 306b Rn. 30). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus der Systematik der Norm. Das gegenüber § 306b Abs. 1 StGB deutlich erhöhte Strafmaß lasse sich nur damit rechtfertigen, dass, für die Erfolgsqualifikation nach Abs. 2 Vorsatz gefordert wird. Wichtig: der Vorsatz muss sich nur auf die Gefährdung richten. Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet dies nicht automatisch, dass bei Gefährdungsvorsatz auch Tötungsvorsatz vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 309 - der Angeklagte wollte in dem Fall wieder eine Verbindung zu seiner Tochter herstellen, indem er ihr das Heim nahm. Dadurch habe er zwar ihre Gefährdung, nicht aber ihren Tod billigend in Kauf genommen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BEN

benjaminmeister

16.6.2025, 18:35:29

@[Lukas_Mengestu](136780) meinst du mit der damaligen Änderung, dass "nimmt die Gefährdung der P billigend in Kauf" hinzugefügt wurde? Ich würde zwar soweit zustimmen, dass der Täter durch diese Formulierung Vorsatz hinsichtlich (irgendeiner) einer

Gefahr

hatte. Allerdings schreibt ihr selbst, dass er davon ausging, dass P sich werde retten können. Dass der Täter eine Todes

gefahr

gebilligt hat, kann ich aus dem Sachverhalt deshalb nicht herauslesen und würde § 306b II Nr. 1 deshalb an dieser Stelle tatsächlich verneinen. Edit: Ich habe das BGH-Urteil grob überflogen und dort fand sich folgende Formulierung: "Der Angeklagte habe nämlich durch den Brand vorsätzlich Menschen in die

Gefahr

des Todes bringen wollen. Die unbemerkte Ausbreitung des Feuers sei aus seiner Sicht wahrscheinlich und damit die

Gefahr

für das Leben der Hausbewohner auch konkret gewesen." Der Täter hat in dem BGH-Fall die Eingangstür in Brand gesetzt, während zur Nachtzeit die Bewohner schliefen, deshalb kann ich gut nachvollziehen, dass man eine (gebilligte) Todesgfahr bejaht. Im vorliegenden Jurafuchs-Fall fehlen mir dafür aber die Informationen, insbesondere weil zwei Eingänge angesprochen werden und es sich nur um eine vorbeischauende Putzfrau zur Tageszeit handelt, die den Brand viel besser wahrnehmen kann, wenn sie die Villa betritt. Vielleicht erweitert man den Fall/die Formulierung darum, dass der Täter eine TODES

gefahr

billigend in Kauf nimmt?

AN

Anne

18.7.2024, 10:21:50

Wäre hier auch § 306c StGB erfüllt?

TI

Timurso

18.7.2024, 11:27:40

Meiner Meinung nach ja. Ich sehe nichts, was dagegen spricht.

MAG

Magnum

11.12.2024, 13:08:09

Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen

gefahr

spezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?

MAG

Magnum

11.12.2024, 13:08:09

Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen

gefahr

spezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?

JO

Jotus

14.2.2025, 11:33:09

Richtig, ich hätte dies ebenfalls in der objektiven Zurechenbarkeit erläutert!

Nadim Sarfraz

Nadim Sarfraz

3.7.2025, 09:48:56

Lieber @[Magnum](172647), lieber @[Jotus](244613), vielen Dank für die gute Frage. In der Lit. wird zu einem großen Teil ein

Gefahrverwirklichungszusammenhang

gefordert (Bosch in: TK-StGB, 31. Aufl. 2025, § 306b RdNr. 9; Heger in: Lackner/Kühl-StGB, 30. Aufl. 2023, § 306b RdNr. 2; Radtke in: MüKo-StGB, 4. Aufl. 2022, § 306b RdNr. 14) ohne dass dies tiefergehend begründet oder auf einschlägige Rspr. verwiesen wird. Tatsächlich ist es aber etwas kontraintuitiv, dass bei einer Qualifikation abseits des § 18 StGB (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt gerade Vorsatz im Hinblick auf die Todes

gefahr

voraus!) ein

Gefahrverwirklichungszusammenhang

gefordert wird. Auch bei anderen, ähnlich strukturierten Delikten wird ein

Gefahr

verwirklichungszusamenhang abgelehnt (siehe z.B. bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit b. Wittig in: Beck-OK-StGB, § 250 RdNr. 13, 8) - der Terminus "durch die Tat" kann also nicht entscheidend sein. Ob man also einen

Gefahrverwirklichungszusammenhang

fordert (hierfür könnte das hohe Strafmaß sprechen) oder nicht, ist also m.E. beides vertretbar. Wir haben die Aufgabe dennoch etwas angepasst, um das Verwirrungspotenzial rauszunehmen. (: Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team

MAG

Magnum

11.12.2024, 13:08:11

Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen

gefahr

spezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?


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