Strafrecht
BT 4: Brandstiftungsdelikte
Besonders schwere Brandstiftung, § 306b StGB
Gefahr des Todes eines anderen Menschen (Nr. 1)
Gefahr des Todes eines anderen Menschen (Nr. 1)
6. Juli 2025
14 Kommentare
4,7 ★ (13.057 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A zündet die Villa des B an. Er weiß, dass sich zu dieser Zeit keine Menschen im Haus befinden. Lediglich Putzfrau P kommt gelegentlich, um die Zimmer zu reinigen. A nimmt dabei die Gefährdung der P billigend in Kauf, da er davon ausgeht, dass sie den Brand bemerkt und sich selbst rettet. P betritt die Villa vom Hintereingang und bemerkt nicht, dass der vordere Teil der Villa bereits in Flammen steht. Später kann sie sich nicht mehr vor den Flammen retten und stirbt.
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Einordnung des Falls
Gefahr des Todes eines anderen Menschen (Nr. 1)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem A die Villa angezündet hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) und schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
2. A hat sich wegen besonders schwerer Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht, wenn er den „Tatbestand des § 306a StGB“ erfüllt hat und „durch die Tat die P vorsätzlich in die Gefahr des Todes“ gebracht hat.
Ja!
3. Das Opfer muss sich zum Tatzeitpunkt bereits im Gebäude befinden.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Indem A die Villa in Brand gesetzt hat, hat er P kausal und objektiv zurechenbar „in die Gefahr des Todes“ gebracht (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel
7.8.2022, 06:46:15
Könnt ihr noch etwas zum subjektiven Tatbestand sagen?

Lukas_Mengestu
8.8.2022, 14:55:25
Hallo Daniel, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben dies nun etwas präzisiert. Nach hM muss der Täter bei § 306b Abs. 2 StGB vorsätzlich im Hinblick auf den Gefährdungserfolg handeln (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl. 2019, StGB § 306b Rn. 30). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus der Systematik der Norm. Das gegenüber § 306b Abs. 1 StGB deutlich erhöhte Strafmaß lasse sich nur damit rechtfertigen, dass, für die Erfolgsqualifikation nach Abs. 2 Vorsatz gefordert wird. Wichtig: der Vorsatz muss sich nur auf die Gefährdung richten. Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet dies nicht automatisch, dass bei Gefährdungsvorsatz auch Tötungsvorsatz vorliegt (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 309 - der Angeklagte wollte in dem Fall wieder eine Verbindung zu seiner Tochter herstellen, indem er ihr das Heim nahm. Dadurch habe er zwar ihre Gefährdung, nicht aber ihren Tod billigend in Kauf genommen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
benjaminmeister
16.6.2025, 18:35:29
@[Lukas_Mengestu](136780) meinst du mit der damaligen Änderung, dass "nimmt die Gefährdung der P billigend in Kauf" hinzugefügt wurde? Ich würde zwar soweit zustimmen, dass der Täter durch diese Formulierung Vorsatz hinsichtlich (irgendeiner) einer
Gefahrhatte. Allerdings schreibt ihr selbst, dass er davon ausging, dass P sich werde retten können. Dass der Täter eine Todes
gefahrgebilligt hat, kann ich aus dem Sachverhalt deshalb nicht herauslesen und würde § 306b II Nr. 1 deshalb an dieser Stelle tatsächlich verneinen. Edit: Ich habe das BGH-Urteil grob überflogen und dort fand sich folgende Formulierung: "Der Angeklagte habe nämlich durch den Brand vorsätzlich Menschen in die
Gefahrdes Todes bringen wollen. Die unbemerkte Ausbreitung des Feuers sei aus seiner Sicht wahrscheinlich und damit die
Gefahrfür das Leben der Hausbewohner auch konkret gewesen." Der Täter hat in dem BGH-Fall die Eingangstür in Brand gesetzt, während zur Nachtzeit die Bewohner schliefen, deshalb kann ich gut nachvollziehen, dass man eine (gebilligte) Todesgfahr bejaht. Im vorliegenden Jurafuchs-Fall fehlen mir dafür aber die Informationen, insbesondere weil zwei Eingänge angesprochen werden und es sich nur um eine vorbeischauende Putzfrau zur Tageszeit handelt, die den Brand viel besser wahrnehmen kann, wenn sie die Villa betritt. Vielleicht erweitert man den Fall/die Formulierung darum, dass der Täter eine TODES
gefahrbilligend in Kauf nimmt?
Anne
18.7.2024, 10:21:50
Wäre hier auch § 306c StGB erfüllt?
Timurso
18.7.2024, 11:27:40
Meiner Meinung nach ja. Ich sehe nichts, was dagegen spricht.
Magnum
11.12.2024, 13:08:09
Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen
gefahrspezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?
Magnum
11.12.2024, 13:08:09
Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen
gefahrspezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?
Jotus
14.2.2025, 11:33:09
Richtig, ich hätte dies ebenfalls in der objektiven Zurechenbarkeit erläutert!

Nadim Sarfraz
3.7.2025, 09:48:56
Lieber @[Magnum](172647), lieber @[Jotus](244613), vielen Dank für die gute Frage. In der Lit. wird zu einem großen Teil ein
Gefahrverwirklichungszusammenhanggefordert (Bosch in: TK-StGB, 31. Aufl. 2025, § 306b RdNr. 9; Heger in: Lackner/Kühl-StGB, 30. Aufl. 2023, § 306b RdNr. 2; Radtke in: MüKo-StGB, 4. Aufl. 2022, § 306b RdNr. 14) ohne dass dies tiefergehend begründet oder auf einschlägige Rspr. verwiesen wird. Tatsächlich ist es aber etwas kontraintuitiv, dass bei einer Qualifikation abseits des § 18 StGB (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt gerade Vorsatz im Hinblick auf die Todes
gefahrvoraus!) ein
Gefahrverwirklichungszusammenhanggefordert wird. Auch bei anderen, ähnlich strukturierten Delikten wird ein
Gefahrverwirklichungszusamenhang abgelehnt (siehe z.B. bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit b. Wittig in: Beck-OK-StGB, § 250 RdNr. 13, 8) - der Terminus "durch die Tat" kann also nicht entscheidend sein. Ob man also einen
Gefahrverwirklichungszusammenhangfordert (hierfür könnte das hohe Strafmaß sprechen) oder nicht, ist also m.E. beides vertretbar. Wir haben die Aufgabe dennoch etwas angepasst, um das Verwirrungspotenzial rauszunehmen. (: Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team
Magnum
11.12.2024, 13:08:11
Ich verstehe nicht, warum ich bei einer normalen Qualifikation auch einen
gefahrspezifischen Zusammenhang brauche. Normaler Weise würde sich doch die Prüfung in der objektiven Zurechnung erschöpfen, oder liege ich da falsch?