Strafrecht

BT 8: Ausssagedelikte

Falsche uneidliche Aussage, § 153 StGB

§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?

§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T wird als Zeuge uneidlich vor Gericht vernommen. Um seine Freundin, mit der er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, zu schützen, sagt er falsch aus und berichtet nichts über den von ihr begangenen Diebstahl.

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Einordnung des Falls

§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um Zeugen vor Konfliktsituationen zu schützen, gibt es den Strafmilderungsgrund des Aussagenotstandes (§ 157 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Der Aussagenotstand (§ 157 Abs. 1 StGB) enthält einen besonderen Strafmilderungsgrund, der der Konfliktsituation eines Zeugen/Sachverständigen Rechnung tragen will. Es geht um Aussagen zugunsten eines Angehörigen oder zu eigenen Gunsten, mit denen eine Sanktionierung abgewendet werden sollte. Erfasst sind nur Taten der §§ 153, 154 StGB. Die Gefahr der Bestrafung muss gerade aus der wahrheitsgemäßen Aussage resultieren. Der Zeuge muss infolge des Widerstreits zwischen Zeugniszwang und drohender Selbstbezichtigung/Bezichtigung eines Angehörigen falsch aussagen.
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2. Der Aussagenotstand (§ 157 Abs. 1 StGB) gilt auch für Aussagen zugunsten nahestehender Personen, also auch für T zugunsten seiner nichtehelichen Partnerin.

Nein!

Umstritten ist, ob die Bestimmung des Aussagenotstands (§ 157 Abs. 1 StGB) auch auf nahestehende Personen im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 StGB analog erweitert werden soll. Dafür spricht im vorliegenden Fall insbesondere ein eheähnlicher Umgang und dadurch eine ähnliche Konfliktsituation. Allerdings wird eine Analogie außerhalb der Lehre (noch) abgelehnt. So auch das OLG Celle: Einer Analogie stehen methodologische Erwägungen entgegen. Sie setzte voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Lücke enthielte, die dann der Richter durch Anwendung von Rechtsgedanken, die der Gesamtrechtsordnung innewohnen, schließen könnte. Das ist hier nicht der Fall.

3. Gegen die Analogie sprechen auch der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB und des entschuldigenden Notstands (§ 35 Abs. 1 S. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Bei der Schaffung des geltenden § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB war im Gesetzgebungsverfahren die Frage diskutiert worden, ob auch nichteheliche Lebensgemeinschaften in den Kreis der in der Vorschrift genannten Personen aufgenommen werden sollten. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dagegen entschieden und die Definition des Angehörigen in der Großen Strafrechtsreform vom 4.7.1969 in der heute geltenden Form des § 11 StGB getroffen, während durch dasselbe Gesetz in den entschuldigenden Notstand (§ 35 Abs. 1 S. 1 StGB) ausdrücklich (Norm lesen) auch die "nahestehende Person" aufgenommen wurde. Ts Freundin ist keine Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Da eine Analogie ausscheidet, greift der Strafmilderungsgrund des Aussagenotstands (§ 157 Abs. 1 StGB) nicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

29.11.2020, 17:00:12

Wenn man sich einmal ansieht wie selten zu damaliger Zeit die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Vergleich zu heute war, finde ich die Begründung über die nun 60 Jahre alte Intention des Gesetzgeber nicht wirklich überzeugend. Gerade hinsichtlich der Formen des Zusammenlebens hat sich ja einiges getan.

Isabell

Isabell

29.11.2020, 17:00:49

Entschuldigung. Es sind 50 Jahre.

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

30.11.2020, 17:31:29

Diese Argumentation halte ich nicht für Tragfähig. Die bloße Steigerung in der Häufigkeit von solchen Beziehungen ist nicht dazu geeignet die Wertung des Gesetzgebers, dass solche Beziehungen nicht von 157 umfasst sein sollen, zu umgehen. Ich würde deiner Argumentation nur zustimmen, wenn der Gesetzgeber ein Bestehen von solchen losen Beziehung gar nicht gesehen hätte, oder wenn der Gesetzgeber die Bindungswirkung solcher Beziehungen im Vergleich zu ehelichen Beziehungen erheblich schwächer gewertet hätte als sie heutzutage bestehen. Ersteres ist klar nicht der Fall, an zweiteres könnte man aber tatsächlich anknüpfen. Dafür wären aber wohl weitere Tatsachen einzuholen :)

JO

jomolino

30.9.2021, 15:57:43

Nach 11 abs. 1 ist doch der Lebenspartner Angehöriger und damit umfasst oder nicht?

Jakob G.

Jakob G.

20.2.2022, 19:27:14

Lebenspartner:in im Sinne des LPartG, nicht Lebensabschnittsgefährt:in.

VI

Vivien

31.1.2023, 06:54:03

Naja aber auch das LPartG gab es vor 50 Jahren noch nicht. Also ich hätte Lebenspartner jetzt auch analog unter eheähnliche Lebensgemeinschaft verbucht und die Freundin damit bejaht.

Dogu

Dogu

3.12.2023, 16:00:34

@[Vivien ](39735) Vor 50 Jahren stand da auch noch nicht Lebenspartner.

AG

agi

20.10.2024, 14:02:45

In zivilrechtlichen Konstellationen wird doch damit argumentiert, dass derjenige der sich bewusst gegen die Rechtkonstitution der Ehe entscheidet, nicht erwarten kann die Vorteile die für Ehepaare gelten zu erhalten. Würde hier einfach genauso argumentieren.


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