§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T wird als Zeuge uneidlich vor Gericht vernommen. Um seine Freundin, mit der er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, zu schützen, sagt er falsch aus und berichtet nichts über den von ihr begangenen Diebstahl.

Einordnung des Falls

§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um Zeugen vor Konfliktsituationen zu schützen, gibt es den Strafmilderungsgrund des Aussagenotstandes (§ 157 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Der Aussagenotstand (§ 157 Abs. 1 StGB) enthält einen besonderen Strafmilderungsgrund, der der Konfliktsituation eines Zeugen/Sachverständigen Rechnung tragen will. Es geht um Aussagen zugunsten eines Angehörigen oder zu eigenen Gunsten, mit denen eine Sanktionierung abgewendet werden sollte. Erfasst sind nur Taten der §§ 153, 154 StGB. Die Gefahr der Bestrafung muss gerade aus der wahrheitsgemäßen Aussage resultieren. Der Zeuge muss infolge des Widerstreits zwischen Zeugniszwang und drohender Selbstbezichtigung/Bezichtigung eines Angehörigen falsch aussagen.

2. Der Aussagenotstand (§ 157 Abs. 1 StGB) gilt auch für Aussagen zugunsten nahestehender Personen, also auch für T zugunsten seiner nichtehelichen Partnerin.

Nein!

Umstritten ist, ob die Bestimmung des Aussagenotstands (§ 157 Abs. 1 StGB) auch auf nahestehende Personen im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 StGB analog erweitert werden soll. Dafür spricht im vorliegenden Fall insbesondere ein eheähnlicher Umgang und dadurch eine ähnliche Konfliktsituation. Allerdings wird eine Analogie außerhalb der Lehre (noch) abgelehnt. So auch das OLG Celle: Einer Analogie stehen methodologische Erwägungen entgegen. Sie setzte voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Lücke enthielte, die dann der Richter durch Anwendung von Rechtsgedanken, die der Gesamtrechtsordnung innewohnen, schließen könnte. Das ist hier nicht der Fall.

3. Gegen die Analogie sprechen auch der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB und des entschuldigenden Notstands (§ 35 Abs. 1 S. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Bei der Schaffung des geltenden § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB war im Gesetzgebungsverfahren die Frage diskutiert worden, ob auch nichteheliche Lebensgemeinschaften in den Kreis der in der Vorschrift genannten Personen aufgenommen werden sollten. Der Gesetzgeber hat sich jedoch bewusst dagegen entschieden und die Definition des Angehörigen in der Großen Strafrechtsreform vom 4.7.1969 in der heute geltenden Form des § 11 StGB getroffen, während durch dasselbe Gesetz in den entschuldigenden Notstand (§ 35 Abs. 1 S. 1 StGB) ausdrücklich (Norm lesen) auch die "nahestehende Person" aufgenommen wurde. Ts Freundin ist keine Angehörige (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Da eine Analogie ausscheidet, greift der Strafmilderungsgrund des Aussagenotstands (§ 157 Abs. 1 StGB) nicht.

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