Strafrecht
BT 8: Ausssagedelikte
Falsche uneidliche Aussage, § 153 StGB
§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?
§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?
31. Mai 2025
16 Kommentare
4,8 ★ (7.571 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T wird als Zeuge uneidlich vor Gericht vernommen. Um seine Freundin, mit der er in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, zu schützen, sagt er falsch aus und berichtet nichts über den von ihr begangenen Diebstahl.
Diesen Fall lösen 82,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 157: Angehörigeneigenschaft – analog auf nahestehende Personen?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Um Zeugen vor Konfliktsituationen zu schützen, gibt es den Strafmilderungsgrund des Aussagenotstandes (§ 157 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Aussagenotstand (§ 157 Abs. 1 StGB) gilt auch für Aussagen zugunsten nahestehender Personen, also auch für T zugunsten seiner nichtehelichen Partnerin.
Nein!
3. Gegen die Analogie sprechen auch der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB und des entschuldigenden Notstands (§ 35 Abs. 1 S. 1 StGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
29.11.2020, 17:00:12
Wenn man sich einmal ansieht wie selten zu damaliger Zeit die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Vergleich zu heute war, finde ich die Begründung über die nun 60 Jahre alte Intention des Gesetzgeber nicht wirklich überzeugend. Gerade hinsichtlich der Formen des Zusammenlebens hat sich ja einiges getan.

Isabell
29.11.2020, 17:00:49

Real Thomas Fischer Fake 🐳
30.11.2020, 17:31:29
Diese Argumentation halte ich nicht für Tragfähig. Die bloße Steigerung in der Häufigkeit von solchen Beziehungen ist nicht dazu geeignet die Wertung des Gesetzgebers, dass solche Beziehungen nicht von 157 umfasst sein sollen, zu umgehen. Ich würde deiner Argumentation nur zustimmen, wenn der Gesetzgeber ein Bestehen von solchen losen Beziehung gar nicht gesehen hätte, oder wenn der Gesetzgeber die Bindungswirkung solcher Beziehungen im Vergleich zu ehelichen Beziehungen erheblich schwächer gewertet hätte als sie heutzutage bestehen. Ersteres ist klar nicht der Fall, an zweiteres könnte man aber tatsächlich anknüpfen. Dafür wären aber wohl weitere
Tatsacheneinzuholen :)
jomolino
30.9.2021, 15:57:43
Nach 11 abs. 1 ist doch der Lebenspartner Angehöriger und damit umfasst oder nicht?

Jakob G.
20.2.2022, 19:27:14
Lebenspartner:in im Sinne des LPartG, nicht Lebensabschnittsgefährt:in.
Vivien
31.1.2023, 06:54:03
Naja aber auch das LPartG gab es vor 50 Jahren noch nicht. Also ich hätte Lebenspartner jetzt auch analog unter eheähnliche Lebensgemeinschaft verbucht und die Freundin damit bejaht.
Dogu
3.12.2023, 16:00:34
@[Vivien ](39735) Vor 50 Jahren stand da auch noch nicht Lebenspartner.
agi
20.10.2024, 14:02:45
In zivilrechtlichen Konstellationen wird doch damit argumentiert, dass derjenige der sich bewusst gegen die Rechtkonstitution der Ehe entscheidet, nicht erwarten kann die Vorteile die für Ehepaare gelten zu erhalten. Würde hier einfach genauso argumentieren.
Scholle65
13.5.2025, 19:51:29
Meiner Meinung nach sollte man eine Analogie eher damit begründen, dass § 11 Abs. 1 Nr. 1a nicht nur den Ehegatten und den Lebenspartner sondern auch den Verlobten in den Kreis der Angehörigen aufnimmt. Verglichen mit einem Verlöbnis dürfte bei einer Lebensgemeinschaft wohl eine sehr ähnliche emotionale Beziehung bestehen. Das zivilrechtliche Argument könnte so auch entkräftet werden, da Verlobte im Gegensatz zu Ehepartnern nicht die Privilegien genießen.

Leporello
15.12.2024, 11:14:34
Auch hier: 1. Frage ist m E dogmatisch falsch zu beantworten Die erste Frage „Um Zeugen vor Konfliktsituationen zu schützen, gibt es den Strafmilderungsgrund des Aussage
notstandes (§ 157 Abs. 1 StGB).“ muss eindeutig mit Nein beantwortet werden. Alles andere ist dogmatisch falsch. Um den Zeugen vor Konfliktsituationen zu schützen, also davor, dass er in den Konflikt gerät, einen Angehörigen zu belasten, hat der Gesetzgeber ausschließlich den Paragraph
52 StPOgeschaffen. Deshalb dann auch die stets mehr als ausführliche Belehrung des vernehmen Richters vor der Einvernahme. Paragraph 157 Abs. 1 soll erst dann, wenn sich der Zeuge in der Konfliktsituation trotz seines Weigerungsrechts dazu hat hinreißen lassen, die Unwahrheit zu sagen, eine sachgerechte justizielle Reaktion ermöglichen. Keinesfalls stellt Paragraph 157 aber einen Schutz vor der Konfliktsituation dar. Es ist gerade nicht das Signal an den Zeugen: wenn du zu Gunsten deines Angehörigen lügst, ist das nicht so schlimm, du bist ja in einem Konflikt, du wirst dann nicht oder nur wenig bestraft. 
Timurso
2.2.2025, 19:42:02
Den Wortlaut des § 11 I Nr. 1 StGB der Analogie entgegenzuhalten ist meines Erachtens ein Zirkelschluss. Wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft vom Wortlaut des § 11 I Nr. 1 StGB erfasst wäre, wäre ja bereits keine Analogie notwendig. Das hier gebrachte Argument bedeutet also, dass gegen die Analogie spricht, dass die Situation vom Wortlaut nicht erfasst wird. Das halte ich für nicht tragfähig.
onlyjura
18.4.2025, 08:11:24
Die Norm wird aber doch erst ausgelegt (hier mit dem Ergebnis aus Wortlaut/Historie, dass eine bewusste Unterscheidung zu 35 I 1 StGB getroffen wurde). Erst danach, falls über die Auslegung einer Norm nichts erreicht wird, kommt überhaupt eine Analogie in Betracht (hier also die Erstreckung auf die nahestehenden Personen). Dazu müssten aber die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen. Daran scheitert es allerdings mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke. Der Wortlaut lässt also keine Erstreckung auf
nahestehende Personen zu und die Analogie wird abgelehnt, weil aufgrund einer bewussten Unterscheidung keine planwidirge Regelungslücke besteht.