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M schuldet V €400 Miete und €400 aus einem Kaufvertrag. V schuldet M dagegen noch €400 aus einem Werkvertrag. Beim Auszug erklärt sie V mit der Werklohnforderung die Aufrechnung. V erklärt, dies reiche nicht und behält Ms teure Ledercouch als Pfand.

Einordnung des Falls

Aufrechnung bei mehreren Forderungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Darf V die Couch als Pfand behalten, wenn ihr daran ein Vermieterpfandrecht (§ 562 Abs. 1 BGB) zusteht.

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Ja, in der Tat!

Der Vermieter darf Sachen des Mieters bei dessen Auszug in Besitz nehmen, sofern diese seinem Vermieterpfandrecht unterliegen (§ 562b Abs. 1 S. 2 BGB). Das Vermieterpfandrecht setzt unter anderem eine offene Forderungen aus dem Mietverhältnis voraus (vgl. § 562 Abs. 1 BGB). Forderungen, die aus anderen Gründen gegenüber dem Mieter bestehen, werden nicht geschützt. Erlischt die Mietforderung, so erlischt auch das Vermieterpfandrecht (§§ 1257 iVm 1252 BGB). Einzelheiten zu den Voraussetzungen des Vermieterpfandrechts findest Du schon bald im Kapitel "Kreditsicherungsrecht".

2. Könnte Vs Anspruch auf Zahlung der Miete durch Aufrechnung erloschen sein (§ 389 BGB)?

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Ja!

Die Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage (§§ 387, 390 BGB) und eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) voraus. Zudem darf die Aufrechnung nicht ausgeschlossen sein (§§ 392-394 BGB).

3. Liegt eine Aufrechnungslage vor?

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Genau, so ist das!

Eine Aufrechnungslage liegt vor, wenn der Aufrechnende eine gegenseitige, gleichartige, fällige und durchsetzbare Gegenforderung besitzt, und die Hauptforderung wirksam und erfüllbar ist. V und M stehen gegenseitig Geldforderungen zu. Ms Forderung ist sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) fällig und einredefrei. Vs Mietforderung ist wirksam und erfüllbar.

4. Hat M durch die Aussage, sie wolle aufrechnen, zum Ausdruck gebracht, sie wolle gegen die Mietforderung aufrechnen?

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Aufrechnungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, bei der der Aufrechnende (konkludent) sowohl die Aktivforderung wie auch die Passivforderung bezeichnen muss. Bestehen mehrere Verbindlichkeiten, so steht dem Aufrechnenden ein Wahlrecht zu (§ 396 Abs. 1 S. 1 BGB). M hat zwar klargemacht, dass sie mit der Werklohnforderung aufrechnen wolle (Aktivforderung). Unklar blieb dagegen gegen welche von Vs Forderungen aufgerechnet werden soll (Passivforderung).

5. Ist Ms Aufrechnungserklärung unwirksam, weil sie die Hauptforderung nicht genau bezeichnet hat?

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Nein!

Nimmt der Aufrechnende bei mehreren gegen ihn gerichteten Forderungen keine Auswahl vor, so ist die Aufrechnungserklärung dadurch nicht unwirksam. Vielmehr bestimmt sich die Reihenfolge der Hauptforderung in diesem Fall nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 396 Abs. 1 S. 2, 366 Abs. 2 BGB).

6. Wird durch die unbestimmte Aufrechnung die Mietschuld getilgt?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Trifft der Aufrechnende keine Bestimmung darüber, gegen welche Verbindlichkeit aufgerechnet werden soll, so wird unter mehreren fälligen Schulden gegen diejenige aufgerechnet, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet (§§ 396 Abs. 1 S. 2, 366 Abs. 2 BGB). Während die Mietforderung durch das Vermieterpfandrecht abgesichert ist, steht V für die Kaufpreisschuld keine Sicherheit zur Verfügung. Nach der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge wurde durch Ms Aufrechnung damit vorrangig die Kaufpreisschuld zum Erlöschen gebracht.Bei Fehlen einer Bestimmung des Schuldners gibt das Gesetz folgende Reihung vor: 1)fällig, 2) weniger sicher, 3) lästiger, 4) älter, 5) verhältnismäßig (§ 366 Abs. 2 BGB).

7. Angenommen die Voraussetzungen des Vermieterpfandrechts lagen zunächst vor. Darf V trotz der erklärten Aufrechnung in Höhe von €400 die Couch als Pfand behalten.

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Ja, in der Tat!

Der Vermieter darf Sachen des Mieters bei dessen Auszug in Besitz nehmen, sofern diese seinem Vermieterpfandrecht unterliegen (§ 562b Abs. 1 S. 2 BGB). Erlischt die Mietforderung, so erlischt auch das Pfandrecht (§§ 1257 iVm 1252 BGB).Vs Mietforderung wurde nicht getilgt. Das Pfandrecht besteht weiter. Bis M die restlichen €400 zahlt, darf V die Couch als Pfand behalten. Neben der Forderung aus einem 1)Mietvertrag über Räume oder Grundstücke setzt das Vermieterpfandrecht voraus, dass es sich 2) um eine bewegliche Sache handelt, die 3) im Eigentum des Mieters steht, 4) pfändbar ist und 5) in den Mietraum "eingebracht" wurde.

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