Verfolger Fall / Abgrenzung Wahndelikt und untauglicher Versuch BGHSt 11, 268


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B begehen gemeinsam einen Raub. Auf der Flucht verwechselt A den B mit einem Verfolger und schießt mit Tötungsvorsatz auf diesen, wie es vorher gemeinsam abgesprochen war. Wie macht sich B durch den Schuss des A strafbar?

Einordnung des Falls

Verfolger Fall / Abgrenzung Wahndelikt und untauglicher Versuch BGHSt 11, 268

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen, da die angedrohte Mindestfreiheitsstrafe 5 Jahre beträgt (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. B hat „Tatentschluss“ hinsichtlich des Totschlages.

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Genau, so ist das!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. B hat Vorsatz, mögliche Verfolger zu töten. B hat auch Vorsatz den Totschlag mittäterschaftlich zu begehen. Der Schuss auf Verfolger wurde auch vom Tatplan umfasst. Auch ein error in persona ist dabei voll zurechenbar. Hätte A auf eine andere Person geschossen, die er mit einem Verfolger verwechselt hätte, wäre der Totschlag ebenfalls voll zurechenbar. Daher liegt nach der Rechtsprechung ein Versuch vor, der für B allerdings untauglich ist. Auch bei Eintritt des Todes hätte B sich nur wegen untauglichen Versuchs strafbar gemacht, wobei eine Strafe dann in jedem Fall ausscheidet. Etwas andere wäre dann der Fall, wenn B bereits wüsste, dass er später erschossen werden würde.

3. B hat nach der Rechtsprechung „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

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Ja, in der Tat!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Ein unmittelbares Ansetzen liegt im Rahmen der Mittäterschaft dann vor, wenn einer der Beteiligten unmittelbar ansetzt, da § 25 Abs. 2 StGB eine echte Zurechnungsnorm darstellt. A hat mit dem Schuss auf B unmittelbar angesetzt.

4. B handelte rechtswidrig und schuldhaft.

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Ja!

Die Tathandlung war rechtswidrig und schuldhaft.

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