Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Verfolger Fall / Abgrenzung Wahndelikt und untauglicher Versuch BGHSt 11, 268
Verfolger Fall / Abgrenzung Wahndelikt und untauglicher Versuch BGHSt 11, 268
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B begehen gemeinsam einen Raub. Auf der Flucht verwechselt A den B mit einem Verfolger und schießt mit Tötungsvorsatz auf diesen, wie es vorher gemeinsam abgesprochen war. Wie macht sich B durch den Schuss des A strafbar?
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verfolger Fall / Abgrenzung Wahndelikt und untauglicher Versuch BGHSt 11, 268
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat „Tatentschluss“ hinsichtlich des Totschlages.
Genau, so ist das!
3. B hat nach der Rechtsprechung „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Ja, in der Tat!
4. B handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
melb1995
20.6.2022, 18:42:39
Ich verstehe nicht ganz wieso nur wegen Versuch bestraft wird wenn der B sterben würde :) kann das vielleicht nochmal erklärt werden ?:) LG
Skywalker
29.6.2022, 16:47:56
Das Opfer bei Totschlag und Mord muss nach h.M. eine andere Person als der Täter sein. Daher kann der
Tatbestand des Totschlag auch im Falle von B's Tot nicht vollendet werden, weil B kein taugliches
Tatobjekt ist. Im übrigen müsste auch die (eigene) versuchte Selbsttötung grds. nicht unter den Totschlag zu subsumieren sein. Hier wird es nur durch die spezielle Kostelation möglich, dass B Mittäter ist und A einem
Tatobjektsirrtum unterliegt. Allerdings wundert mich wieso das Wissen von B er würde später erschossen werden daran etwas ändern soll...
melb1995
6.7.2022, 17:18:34
Danke dir für die Antwort, jetzt habe ich es verstanden :)
Nora Mommsen
7.7.2022, 11:08:57
Hallo Skywalker, hallo melb
1995, um noch die letzte Frage zu beantworten, warum es einen Unterschied macht, wenn B wüsste, es werde auf ihn selber geschossen, muss man sich die Konstelllation vor Augen führen. B macht sich des mittäterschaftlichen versuchten Totschlags strafbar, weil er
Tatentschluss hinsichtlich des Schusses auf die Verfolger hat - hier unterliegt er dem letztendlich strafbarkeitsbegründendem Irrtum. Zudem kann ihm die
Tathandlung des A zugerechnet werden, sodass auch wenn für ihn untauglich (mangels "anderer Person") ein Versuch vorliegt. Hat er aber positive Kenntnis davon, dass A auf ihn selber schießen würde fehlt es an dem Irrtum, der den
Tatentschluss bezüglich der Tötung einer "anderen Person" begründet, da er weiß dass auf ihn selber geschossen werden soll. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
david1234
29.3.2024, 11:46:29
Hierzu nochmal eine Frage: der B irrt doch nicht, sondern der schießende A, er irrt über B, es wird die Handlung und der
error in Personades A dem B zugerechnet. Wenn jetzt wüsste, dass auf ihn geschossen wird, würde es doch trotzdem zugerechnet werden, da A irrt und handelt oder wäre das dann ein Exzess?
Elias Von der Brelie
31.5.2023, 12:25:10
Ich bin mal wieder ein wenig verwirrt. Ich dachte bis jetzt, dass ein
untauglicher Versuchstrafbar sein müsste, da in den Fragen "etwas anderes ergibt sich daraus, dass es sich um einen untauglichen Versuch handelt" stets verneint wird. Aber hier wird gesagt, dass ein
untauglicher Versuchin jedem Fall straflos ist. Handelt es sich hier um einen
Einzelfall, oder habe ich hier etwas durcheinander gebracht?
Lukas_Mengestu
2.6.2023, 13:29:46
Hallo Elias, vielen Dank noch einmal für Deine Nachfrage! Der Fall ist in der
Tattricky! Der Hinweis bezieht sich nicht darauf, dass der untaugliche Versuch strafbar ist. Dieser ist - wie Du völlig richtig sagst - grundsätzlich strafbar. Eine Strafbarkeit wegen vollendeter mittäterschaftlichem Mordes an sich selbst scheidet aber aus, da die Selbsttötung nicht strafbar ist. Zudem stünde der Strafverfolgung mit dem Tod des B natürlich auch ein Strafverfolgungshindernis entgegen, da sich tote Personen schlecht auf die Anklagebank bringen lassen. Da also eine Vollendung hier nicht möglich war, wird das etwas kontraintuitive Ergebnis des BGH, dass B des mittäterschaftlichen versuchten Mordes §§ 211, 25 Abs. 2 StGB (gegenüber sich selbst) strafbar ist, auch von der Literatur kritisiert und teilweise dafür plädiert, B lediglich wegen
Verbrechensverabredungzu verurteilen (§§ 30 Abs. 2, 212, 211 StGB), zB https://www.zjs-online.com/dat/artikel/2008_4_76.pdf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
nullumcrimen
27.4.2024, 22:22:51
Würde man obwohl B tot ist seine Strafbarkeit in der Klausur überhaupt prüfen? Oder kommt es dafür auf den jeweiligen Bearbeitervermerk / die Fragestellung an?
L.Goldstyn
22.7.2024, 16:44:02
Hallo nullumcrimen, es gilt der Grundsatz, dass die Strafbarkeit von Toten nicht geprüft wird (alles andere wäre, gerade wenn man, wie im Examen die Regel, von einem Praktiker geprüft wird, ein massiver Fehler). Anders ist es, wie Du richtig sagst, nur, wenn der Bearbeitervermerk ausdrücklich auch nach der Strafbarkeit des Toten fragt. Viele Grüße!