Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Bestimmtheit/Bestimmbarkeit des Angebots

Bestimmtheit/Bestimmbarkeit des Angebots

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Verband V erteilt Professor P einen Auftrag zu einem Gutachten, das die Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung der "Deutsche Wohnen" Wohnungsgesellschaft untersuchen soll. P sagt zu, das Gutachten zu erstellen, über das Honorar sprechen die beiden nicht.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Bestimmtheit/Bestimmbarkeit des Angebots

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Erstellung eines Gutachtens stellt einen Dienstvertrag dar.

Nein!

Sowohl Werkvertrag (§ 631 BGB), als auch Dienstvertrag (§ 611 BGB) haben eine entgeltliche Tätigkeit zum Gegenstand. Während jedoch beim Dienstvertrag die Dienstleistung als solche, das Tätigsein, geschuldet wird, schuldet der Werkunternehmer das Ergebnis seiner Tätigkeit, den Erfolg, das Werk. Der zur Erstellung eines Gutachtens Verpflichtete schuldet den Erfolg des tatsächlichen Erstellens des Gutachtens und keine bloße (erfolgslose) Tätigkeit. Auch erhält er seine Vergütung erst, nachdem er das Gutachten erstellt hat und es abgenommen wurde (§ 641 Abs. 1 BGB). Es handelt sich somit um einen Werkvertrag.
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2. Ein Vertragsangebot muss hinreichend bestimmt sein.

Genau, so ist das!

Unter einem Antrag (§ 145 BGB) versteht man eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist. Gegenstand und Inhalt des Vertrages müssen nach der Rechtsprechung im Antrag so bestimmt bzw. bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches Ja erfolgen kann. Es genügt hierbei, dass der Inhalt des Angebots unter Zuhilfenahme ergänzender Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 315 ff.) ermittelbar ist oder sich das Angebot an einen unbestimmten, aber noch bestimmbaren Personenkreis (ad incertas personas) richtet. Die Erklärung des Antragenden ist dann auf den Vertragsschluss mit jedem, der die Annahme erklärt, gerichtet.

3. Das Angebot des V ist trotz fehlender Honorarvereinbarung hinreichend bestimmt.

Ja, in der Tat!

Eine fehlende Abrede über die Vergütung ist unschädlich, da § 632 Abs. 2 BGB im Bereich des Werkvertrages die Vermutung aufstellt, dass auch ohne explizite Abrede eine übliche Vergütung als vereinbart gilt. Ist eine solche übliche Vergütung aufgrund der Art der Leistung nicht ermittelbar, so gilt subsidiär die Auslegungsregel des § 316 BGB. Danach steht die Bestimmung ohne explizite Vereinbarung im Zweifel demjenigen zu, der die Gegenleistung zu fordern hat (hier also P hinsichtlich seines Honorars).In Vs Vertragsangebot fehlt zwar ein wesentlicher Vertragsbestandteil, nämlich die Höhe der Vergütung. Die Vergütung ist aber bestimmbar und das Angebot somit hinreichend bestimmt.

4. Zwischen P und V ist ein Gutachtervertrag (Werkvertrag, § 631 BGB) zustande gekommen.

Ja!

Ein Werkvertrag kommt zustande durch zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, die hier vorliegen. P hat gegen V daher einen Anspruch auf Zahlung des Werklohns nach Erstellung und Abnahme des Gutachtens (§§ 631 Abs. 1, 641 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

22.5.2020, 14:57:28

Wird 316 BGB aus dem Schuldrecht AT hier nicht von den spezielleren Regeln des Werkvertragsrechts in 632 I, II BGB verdrängt?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

28.6.2020, 23:00:38

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JakobGo

JakobGo

13.7.2020, 09:45:16

Spannende Frage. § 632 I BGB scheidet hinsichtlich der Verdrängung des § 316 BGB wohl aus weil Unentgeltlichkeit nie in Rede stand. § 632 II BGB setzt eine übliche Taxe voraus die vereinbart wäre, wenn nichts zwischen den Parteien geregelt wurde. Das setzt jedoch voraus, dass der Gegenstand des Werkvertrages öfter in Verkehr vorkommt, sodass eine Vergütung "üblich" werden kann. Ein Gutachten über die

Enteignung

der "Deutsche Wohnen" ist (jedenfalls bisher) noch nicht so etwas wie die Reinigung eines Autos in der Waschanlage, ein Rundum-Check des Fahrrades im Frühjahr oder der die Grundierung durch eine:n Maler:in.

GEL

gelöscht

20.10.2020, 12:17:02

§ 632 I erklärt erstmal nur das „Ob“ einer Vergütung. Das für ein juristisches Sachverständigengutachten eine Vergütung üblich ist, dürfte alleine schon wegen notwendigem Aufwand/Expertise unstreitig sein. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung „ob“ einer Vergütung, besagt § 632 I dann, „dass“ eine stillschweigende Vereinbarung angenommen bzw. fingiert wird. § 632 II erklärt weiter noch das „Wie (viel)“ der Vergütung. Es gibt sicherlich verschiedene Gebührenordnungen für die Erstellung von Sachverständigengutachten z.B. bei Gericht („Taxe“). Hier ist es aber eine private Beauftragung, sodass wohl bestehende „allgemeine Erfahrungssätze“ eines objektiven Empfängers hinsichtlich der üblichen Vergütung nach notwendigem Aufwand/Expertise für ein Gutachten dieser Größenordnung heranzuziehen sind.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.3.2021, 12:10:05

Danke euch für die Hinweise! In der Tat geht die Ermittlung der Vergütung nach § 632 II BGB einer einseitigen Leistungsbestimmung nach § 316 BGB vor. Wir haben das entsprechend im Hinweistext angepasst. Für die Antwort bleibt dies vorliegend indes ohne Auswirkung, denn unabhängig davon, ob man vorliegend auf die übliche Vergütung oder das einseitige Bestimmungsrecht abstellt, liegt ein bestimmbares Angebot vor :) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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