Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Angebot und Annahme

Unbestellt zugesendete Ware § 241a

Unbestellt zugesendete Ware § 241a

5. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K bekommt von Versandhändler V unaufgefordert 50 Weihnachtskarten zugeschickt. In dem Anschreiben geht V von einem Vertragsschluss zu €20 aus, wenn K innerhalb von zwei Wochen nicht antworte. K verschickt die Karten mit Weihnachtsgrüßen an seine Freunde, ohne zu bezahlen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Unbestellt zugesendete Ware § 241a

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat in dem Begleitschreiben ein Angebot, gerichtet auf Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben.

Ja!

Unter einem Antrag (§ 145 BGB) versteht man eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist. Er kann ausdrücklich erklärt werden oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. Indem V die Weihnachtskarten in dem Begleitschreiben für €20 anbot, hat er gegenüber K ein solches Angebot abgegeben.
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2. Durch das bloße Behalten der Karten hat K das Angebot des V angenommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Annahme (§ 147 BGB) ist eine Willenserklärung, mit der das Einverständnis mit dem Antrag ausgedrückt wird. K blieb hier jedoch untätig. Schweigen gilt nur als Willenserklärung, wenn die Parteien es vereinbart haben oder das Gesetz es bestimmt (z.B. in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB als Ablehnung sowie in §§ 516 Abs. 2 S. 2, 1943 BGB und § 362 Abs. 1 HGB als Zustimmung). Beides liegt hier nicht vor. Zu einer einseitigen Festlegung des Schweigens des K als Zustimmung fehlt V die Rechtsmacht. Das bloße Schweigen stellt somit keine Annahme dar.

3. Indem K die Karten mit Weihnachtsgrüßen versieht und verschickt, nimmt er das Angebot des V konkludent an. K schuldet V Zahlung von €20.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus Sicht eines objektiven Betrachters (§§ 133, 157 BGB analog) kann der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Sache eine konkludente Annahme eines Angebots darstellen. Der Zugang der Annahme ist entbehrlich, weil der Verkäufer hierauf verzichtet hat (§ 151 S. 1 BGB). Nach hM ist eine konkludente Annahme ausgeschlossen, wenn ein Unternehmer unbestellt Waren an einen Verbraucher schickt (§ 241a BGB) und die Annahme sich bloß in Zueignungs- oder Gebrauchshandlungen manifestiert. Ein Vertrag kommt nur dann zustande, wenn der Verbraucher die Annahme ausdrücklich erklärt oder bezahlt. Hier hat V als Unternehmer (§ 14 BGB) dem K als Verbraucher (§ 13 BGB) unbestellt Waren zugesandt (§ 241a BGB). K hat die Karten bloß gebraucht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Mike P

Mike P

29.5.2020, 19:24:56

Wir hatten an der Uni einen identischen Fall. Hier wurde allein schon im Beschriften der Karten eine

konkludent

e Handlung, in Form einer Aneignungshandlung gesehen. Durch das Verwenden der Karten, ist imho schon von einem objektiven Erklrärungstatbestand auszugehen.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

28.6.2020, 11:48:40

Hi Mike, Danke für die Anmerkung! Diese abweichende Auffassung ist vertretbar (z.B. Casper ZIP 2000, 1602 (1607)), aber eben nicht hM. Wir haben dafür sieben Fundstellen geliefert. Besten Gruß, - Christian

Arturio

Arturio

18.4.2022, 13:12:17

Das Zusenden der Wahre ist rechtlich absolut bedeutungslos, als wäre dies nicht passiert.

§241a

Abs. 3 ist da recht eindeutig. Es darf zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsnachteil für den Verbraucher entstehen. Ein Verbraucher hat i.d.R. nicht genug rechtliches Wissen um zu wissen, was eine "

konkludent

e Handlung" sein soll, ergo findet - egal in welchem Fall - immer Abs. 3 Anwendung, sobald auch nur irgendwas zu Lasten des Verbrauchers geht. So verstehe ich das zumindest.

Anastasia

Anastasia

20.2.2021, 21:22:46

Warum anwendet man hier 133, 157 analog und nicht direkt? Weil eine Willenserklärung kein Vertrag ist?

Speetzchen

Speetzchen

21.2.2021, 08:34:09

§ 133 BGB bezieht sich seinem Wortlaut nach auf Willenserklärungen. § 157 BGB legt seinem Wortlaut nach fest, wie Verträge auszulegen sind. Verträge wiederum bestehen aus Willenserklärungen. Hier geht es um die Frage, ob überhaupt eine WE vorliegt. Deshalb kann man

§§ 133, 157 BGB

nicht direkt heranziehen. Die Normen sind allerdings analog auf die Frage anzuwenden, ob überhaupt eine Willenserklärung gegeben ist. So sehen das 

Speetzchen

Speetzchen

21.2.2021, 08:35:06

*so sieht das zumindest die h.M. ;)

S.

s.t.

3.9.2021, 12:19:56

Hallo, ich würde hier vllt als Anmerkung ergänzen, dass eine

konkludente Annahme

tlw. Bejaht wird und klausurtechnisch evtl. Gefolgt werden sollte, wenn andere Probleme mit Vss. Eines Vertrages sonst ausgeschlossen werden...

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 09:15:54

Hallo s.t., sehr guter Gedanke. Bei der

konkludent

en Annahme musst Du allerdings etwas aufpassen, dass auch diese sich irgendwie nach außen manifestieren muss, zB durch Nutzung des Grünebergs. Bloßes Schweigen genügt hier nicht. Zudem ist auch dann ein Vertragsschluss ausgeschlossen, sofern es sich um einen Verbraucher handelt (vgl.

§ 241a BGB

). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

3.2.2022, 09:25:57

Die

konkludente Annahme

sei hier bloß nach hM ausgeschlossen. Wie würde denn eine andere Ansicht die

konkludente Annahme

in diesem Fall begründen? Der 241a BGB ist doch diesbezüglich sehr deutlich.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.2.2022, 15:20:17

Hallo QuiGonTim, in der Tat herrscht mit Blick auf den Wortlaut der Norm bzw. auch den Telos der dahinterstehenden EU-Richtlinie (Art. 27 Verbraucherrechte-RL, früher: Art. 9 Fernabsatz-RL) jedenfalls insofern Einigkeit, dass allein die Entgegennahme (und wohl auch das Auspacken der Ware) noch keine

konkludente Annahme

erklärung darstellt. Dies ist gerade der besondere Regelungsgehalt der Norm. Die herrschende Meinung dehnt dies auch auf die dauerhafte Ingebrauchnahme, die Vernichtung oder die Weitergabe der unbestellten Sache aus. Jedenfalls insoweit wird teilweise vertreten, dass es sich hierbei um eine

konkludente Annahme

handele (Überblick bei: Fritzsche, in: BeckOGK-1.11.2021, § 241a RdNr. 74). Dies wäre auch mit EU-Recht vereinbar, da Art. 27 S. 2 Verbraucherrechte-RL lediglich normiert, dass eine fehlende Antwort keine Zustimmung darstellt. Andere "Annahmehandlungen" sind insoweit nicht explizit in der Norm aufgeführt. Nichtsdestotrotz ist weiterhin herrschend, dass der Verbraucher vollumfänglich über den Gegenstand disponieren kann, ohne Gefahr zu laufen, hierfür in Anspruch genommen zu werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Arturio

Arturio

18.4.2022, 13:14:46

Die

konkludente Annahme

steht doch in Widerspruch zu § 241a Abs. 3. Ein Verbraucher hat nicht genug Rechtsverständnis um zu verstehen, was eine "

konkludente Annahme

" sein soll, insofern greift bei jedem Rechtsnachteil automatisch Abs. 3. Oder verstehe ich was falsch?

QUIG

QuiGonTim

18.4.2022, 14:17:22

@[arturbuu](157912) Im Ergebnis stimme ich dir zu. Allerdings sollte mE nicht vorschnell auf das mangelnde Rechtsverständnis des Verbrauchers abgestellt werden. Zum einen sind

konkludent

e Erklärungen im alltäglichen Geschäftsverkehr eines Verbrauchers eher die Regel als die Ausnahmen. Die wenigsten Verbraucher werden wohl beim Bäcker den Vertragsschluss über den Kauf zweier Brötchen ausdrücklich antragen. Darüber hinaus traut das Gesetz dem Verbraucher die Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in 241a BGB zu. Es obliegt somit auch einem Verbraucher, sein Verhalten an die

Verkehrssitte

anzupassen und von ihm ungewollte Erklärungstatbestände zu vermeiden.

Arturio

Arturio

18.4.2022, 14:26:20

Danke für die ausführliche Erklärung! :)

Edward Hopper

Edward Hopper

9.6.2022, 14:40:50

Es ist im Prinzip einfach. Fragt euch was das im realen Leben für Konsequenzen haben würde. Stellt euch vor Konzerne belagern Fremde (nicht Kunden) mit Artikeln und sobald Kunde irgendwie was anderes macht als auspacken (beispielsweise wird es aus Versehen zerkratzt) kommen nach m. M. auf einmal Ansprüche auf auf Kunden zu. Plus er müsste es bei sich lagern obwohl nicht bestellt. Um diesen Praktiken entgegenzuwirken würde der 241a geschaffen. Heißt keine(!) Ansprüche des Verkäufers. Alles andere ist hokus pokus

Jonah

Jonah

7.1.2023, 20:29:04

Liebes Team, wie sieht die weitere Rechtslage in diesem Fall aus? Hatte der K. die Pflicht die Ware zurückzugeben oder das Recht damit zutun was er wollte? Hat V. nun einen Anspruch gegenüber dem K. bspw. wegen Schadensersatz? Liebe Grüße

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

8.1.2023, 01:05:45

Soweit der Verbraucher die Sache ohne Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen tatsächlichen und rechtlichen Belange herausgeben kann und der Unternehmer sie auf eigene Kosten abholt, besteht ein Anspruch aus § 985 oder § 812. Der Verbraucher ist aber nicht zur Aufbewahrung der Sache verpflichtet und selbst bei Untergang oder Vernichtung ist dieser keinen Ersatzansprüchen seitens des Unternehmers ausgesetzt. Die h.M. lässt aber wohl selbst §§ 985, 812 aus dem Rückschluss des § 241a Absatz 2 nicht greifen.

rubenrubenruben

rubenrubenruben

18.9.2024, 11:46:05

Warum wird §157 BGB hier analog angewendet?

LELEE

Leo Lee

21.9.2024, 05:39:51

Hallo rubenrubenruben, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Die 133, 157 werden hier analog angewendet, weil der Anknüpfungspunkt in diesem Fall keine klassische Willenserklärung, sondern der GEBRAUCH der Sache ist (also ein

Realakt

), worauf die 104 ff. keine unmittelbare Anwendung finden können. Deshalb kommen sie analog zur Geltung :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Kai

Kai

31.10.2024, 17:16:50

Hey @[Leo Lee](213375), Folgefrage: Im Kapitel Grundbegriffe der

Rechtsgeschäftslehre

gibt es auch einen Fall (ich hoffe, der Link funktioniert: https://applink.jurafuchs.de/qolmBIdb9Nb ) zu

Realakt

en. Dort heißt es, dass die §§ 104 ff. BGB auf

Realakt

e nicht anwendbar seien. Insbesondere heißt es dort, dass auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über Rechtsgeschäfte nicht möglich ist. Wieso findet dann in diesem Fall hier gerade eine analoge Anwendung auf

Realakt

e statt?

Rechthaber

Rechthaber

8.11.2024, 13:21:54

Hat nicht der Unternehmer auf den Zugang der Willenserklärung verzichtet , sodass hier gar keine empfangsbedürftige Willenserklärung mehr vorliegt (Wortlaut des

151 BGB

). Demnach müsste der Annahmewille alleine anhand des 133 BGB beurteilt werden oder nicht ?

Denny Crane

Denny Crane

19.11.2024, 23:16:06

§ 157 BGB wird nur bei der Auslegung von Verträgen direkt angewendet (siehe Wortlaut der Norm). Eine Annahme nach §

147 BGB

ist eine einseitige Willenserklärung, sodass es der Analogie bedarf.


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