Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Drittanfechtung einer Baugenehmigung - Schwerpunkt: Klagebefugnis, Ausschluss der Popularklage, EIGENE subjektiv-öffentliche Rechte

Drittanfechtung einer Baugenehmigung - Schwerpunkt: Klagebefugnis, Ausschluss der Popularklage, EIGENE subjektiv-öffentliche Rechte

8. April 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Winkeladvokat W aus Wolfsburg hat seinen Lebenssinn in der Bürokratie gefunden. Mit Entsetzen stellt er fest, dass A in Aachen eine Baugenehmigung für ein Haus bekommen hat, das den Mindestabstand zum Nachbarhaus nicht einhält. W klagt dagegen. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

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Einordnung des Falls

Drittanfechtung einer Baugenehmigung - Schwerpunkt: Klagebefugnis, Ausschluss der Popularklage, EIGENE subjektiv-öffentliche Rechte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Klagebegehren des W richtet sich auf die Aufhebung der Baugenehmigung. Die Anfechtungsklage ist statthaft.

Ja!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). W begehrt die Verhinderung der Errichtung des Hauses. Aus rechtlicher Sicht möchte er damit die Aufhebung der Baugenehmigung für das Haus erreichen. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft.
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2. W kann als Adressat der Baugenehmigung geltend machen, durch diese in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt zu sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) beurteilt sich danach, ob der Kläger durch den angegriffenen Verwaltungsakt möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie). Ist der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, ergibt sich die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) auch ohne Sachvortrag aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) (sog. Adressatentheorie). Da W nicht Adressat des Verwaltungsakts ist, greift die Adressatentheorie hier nicht.

3. W ist klagebefugt, weil er geltend machen kann, durch die Baugenehmigung in einem geschützten Recht verletzt zu sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Kläger ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), wenn er durch einen Verstoß gegen drittschützende Vorschriften möglicherweise in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden ist. Eine Norm ist drittschützend, wenn sie nicht nur Interessen der Allgemeinheit schützen soll, sondern zumindest auch den Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schutznormtheorie). Es sind Abstandsvorschriften der BauO verletzt. Diese dienen nach Sinn und Zweck dem Schutz der Interessen des Nachbarn (Belüftung, Lichteinfall). Sie sind daher drittschützend. Sie schützen aber nur den Nachbarn. Da W kein Nachbar des A ist, kann er nicht geltend machen, in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.

4. W könnte durch die Baugenehmigung in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt sein, wenn sie eine drittschützende Norm verletzt und diese ihn schützt.

Ja!

Verwaltungsakte können Doppel- und Drittwirkung (§§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO) haben. Auch hier ist die Klagebefugnis danach zu ermitteln, ob der Kläger möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (Möglichkeitstheorie). Dies setzt voraus, dass der Kläger die Verletzung eines geschützten Rechts geltend macht, das auch ihn schützt (Drittschutz).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

James Morgan McGill

James Morgan McGill

16.4.2024, 16:53:42

W ist doch nicht etwa mit dem Anzeigenhauptmeister verwandt? 🧐

robse27

robse27

26.7.2024, 11:54:01

Hab mich sehr amüsiert, danke 🤣👍🏻

N00B

n00b

26.7.2024, 13:05:00

Dito. Und die Zeichnung ist phänomenal.

LELEE

Leo Lee

28.7.2024, 10:05:33

Hallo robse27 und n00b, vielen Dank für die lieben Worte! Wir freuen uns immer ri

esi

g darüber, wenn unsere humorvollen Sachverhalte und – vor allem die – Zeichnungen bei unseren Nutzern und Nutzerinnen gut ankommen. Jura ist ohnehin schon trocken genug, da braucht man ja irgendwas, damit man Spaß haben kann ;). Wir freuen uns auf weitere Feedbacks von euch und wünschen euch noch viel Spaß mit den anderen – ebenso tollen – Sachverhalten und Zeichnungen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

YI

YI

6.12.2024, 13:45:34

Kurze Frage bezüglich der Zeichnung. Nach dieser ist das Haus ja quasi schon gebaut. Würde dann nicht ein Abriss eher in Betracht kommen. ich bin etwas verwirrt da die Zeichnung und der Text nicht vom selben Baustand ausgehen. Mit freundlichen Grüßen

Simon

Simon

6.12.2024, 14:05:39

Die Baugenehmigung entfaltet wie jeder VA Regelungs- und Tatbestandswirkung. D.h. es gilt die Feststellung, dass das Vorhaben mit öffentlich-rechtlichen Normen, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, übereinstimmt (Legalisierungswirkung). Solange die Baugenehmigung wirksam ist, liegen die Voraussetzungen einer Beseitigungsanordnung ("im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften") nicht vor, vgl. bspw. Art. 76 S. 1 BayBO. Um eine Beseitigungsanordnung erstreiten zu können, muss daher zunächst die Baugenehmigung im Wege einer Anfechtungsklage beseitigt werden (§ 113 I 1 VwGO).

LELEE

Leo Lee

3.2.2025, 09:49:32

Hallo YI, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich in Ansehung der Zeichnung diese Frage stellen. Allerdings hat der VA - wie Simon völlig zutreffend klargestellt hat - eine legitimierende (Tatbestands-)Wirkung. Denn ein eisernerer Grundsatz des Verwaltungsrechts ist es, dass auch

rechtswidrig

e Verwaltungsakte grds. wirksam sind (außer in den Ausnahmefällen von etwa 3 oder

44 VwVfG

). Wenn also der VA - etwa die Baugenehmigung - nicht per se nichtig ist, dann muss der Nachbar diesen immer im Wege einer Klage (etwa

Drittanfechtungsklage

) zunächst beseitigen, damit er das Haus - im doppelten Sinne - zu Fall bringen kann. Somit darf das Haus erstmal (und wenn es lang genug bleibt, weil niemand jemals dagegen vorgegangen ist, aufgrund

Vertrauensschutz

es in eng umgrenzten Fällen sogar für IMMER) bleiben, bis ein Gericht die Genehmigung (VA) offiziell aufhebt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schoch/Schneider VwVfG, Goldhammer § 43 Rn. 27 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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