Zivilrecht

Sachenrecht

Negatorischer Abwehr- und Unterlassungsanspruch

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei rechtlicher Unmöglichkeit I (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei rechtlicher Unmöglichkeit I (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G gehört ein Grundstück im Frankfurter Bahnhofsviertel. Der Zugang zu diesem wird regelmäßig durch die Drogenszene, welche sich vor dem benachbarten Drogenhilfezentrum der D sammelt, versperrt. Dadurch kann G ihr Grundstück nicht mehr betreten. Außerdem liegen überall benutzte Spritzen.

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Einordnung des Falls

Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei rechtlicher Unmöglichkeit I (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Voraussetzungen des Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB liegen vor.

Ja, in der Tat!

Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB sind (1) die Verletzung des Eigentums und (2) eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Zudem muss der (3) Anspruchsgegner Handlungs- oder Zustandsstörer sein. In dem versperrten Zugang und der Vermüllung mit Spritzen liegt eine Verletzung von Gs Eigentum. Es besteht eine Wiederholungsgefahr. Anspruchsgegner ist D als mittelbare Handlungsstörerin, da die Beeinträchtigung adäquat kausal auf ihren Betrieb des Drogenhilfezentrums zurückgehen.
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2. Kann G von D somit die Unterlassung weiterer Störungen verlangen (§ 1004 Abs. 2 BGB).

Nein!

Ein Unterlassungs-/Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB ist ausgeschlossen, soweit der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). Eine öffentlich-rechtliche Duldungspflicht kann bestehen, wenn die Störung von einem dem öffentlichen Interesse dienenden, öffentlichen Betrieb ausgeht. Das Drogenhilfezentrum ist ein öffentlicher Betrieb. Die Eindämmung der Sucht und die Hilfe für die Drogenabhängigen ist ein gemeinwichtiges Ziel. G hat daher zumindest das Bestehen der Einrichtung zu dulden.Die Ansammlungen vor dem Zentrum kann G nicht verhindern, da ihm hier lediglich Jedermannsrechte und keine polizeilichen Befugnisse zustehen. Ein Abwehranspruch ist hier bereits wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen.

3. Scheidet der Abwehranspruch allein aus rechtlichen Gründen aus, so kommt der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in Betracht.

Genau, so ist das!

Eine analoge Anwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus.Nach ständiger Rechtsprechung tritt der nachbarrechtliche an die Stelle des primären Abwehrrechts nach § 1004 Abs. 1 BGB. BGH: Ist der Eigentümer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen daran gehindert, den Abwehranspruch durchzusetzen, so sei ihm ein Ausgleich in Geld zu gewähren. Es soll also vermieden werden, dass der Nachbar schlechter steht als bei ortsüblichen wesentlichen Beeinträchtigungen, die auch nur gegen Entschädigung hinzunehmen sind (vergleichbare Interessenlage). Neben der Duldung aus tatsächlichen Gründen (=faktischer Duldungszwang) ist der nachbarrechtliche Ausgleich bei einer Duldungspflicht aus rechtlichen Gründen der zweite Hauptanwendungsfall des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.

4. G kann von D aufgrund des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigungen verlangen (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog).

Ja, in der Tat!

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog setzt voraus: (1) Fehlen anderweitiger, abschließender gesetzlicher Regelung (Subsidiarität), (2) eine wesentliche Einwirkung von einem Grundstück auf ein anderes Grundstück (3) die Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung, (4) Eigentümer/Nutzungsberechtigter war aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an rechtzeitiger Störungsabwehr über § 1004 Abs. 1 gehindert. Anderweitige Ansprüche bestehen nicht. Der versperrte Zugang und die Spritzen gehen mittelbar von Ds Grundstück aus und beeinträchtigten G über das zumutbare Maß hinaus. Aufgrund der rechtlichen Duldungspflicht kann G nicht gegen die Nutzung als Drogenzentrum vorgehen. Ihm steht aber zumindest ein angemessener Ausgleich in Geld zu.Im Originalfall ging es um Mietausfälle, die G infolge der Beeinträchtigungen erlitten hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

17.9.2023, 13:36:50

Ich verstehe nicht, warum die Duldungspflicht mal als Anspruchsvoraussetzung angeführt wird und mal nicht :-(...

LEO

Leonie

7.8.2024, 14:03:50

Habe mich hier auch in der ersten Frage deshalb falsch entschieden :(

Paulah

Paulah

5.10.2024, 10:13:54

Die Duldungspflicht steht in §

1004

Abs. 2 BGB. Es wird nach der Erfüllung der Voraussetzungen nach §

1004

Abs. 1 S. 2 BGB gefragt.


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