Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Dieb D stiehlt den PKW des E. Versicherung V verlangt von E im Gegenzug für die Schadensregulierung die Übertragung des Eigentums an dem PKW. E und V einigen sich über den Eigentumsübergang.

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Einordnung des Falls

Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E kann V Eigentum am PKW verschaffen nach § 929 S. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. V und E haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. Jedoch kann E den PKW nicht an V übergeben. D ist im Besitz des PKW.
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2. E kann V Eigentum verschaffen, ohne den PKW zu übergeben, wenn er ihm einen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer (D) abtritt (§§ 929 S. 1, 931 BGB).

Ja!

Der Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 931 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Abtretung des Herausgabeanspruchs, (3) Einigsein, (4) Verfügungsberechtigung. Die Abtretung fungiert bei § 931 BGB als Übergabesurrogat (= Ersatz für die Übergabe der Sache).

3. E hat gegen D einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Genau, so ist das!

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchsstellers, (2) Besitz des Anspruchsgegners, (3) Fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB).E ist weiterhin (trotz Diebstahls) Eigentümer des PKW. D ist Besitzer ohne Besitzrecht gegenüber E.

4. E kann seinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB an V abtreten (§ 398 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach herrschender Meinung ist der Vindikationsanspruch aus § 985 BGB nicht nach § 398 BGB abtretbar. Der Vindikationsanspruch sei nichts anderes als das Eigentum selbst in seiner speziellen Abwehrfunktion. Der Herausgabeanspruch und das Eigentum seien untrennbar miteinander verbunden. Der Anspruch entstehe jeweils in der Person des aktuellen Eigentümers neu.Der Herausgabeanspruch kann also nicht selbstständig von E abgetreten werden.

5. E hat gegen D zudem einen Herausgabeanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.

Ja!

§ 823 Abs. 1 BGB hat folgende Voraussetzungen: (1) Rechtsgutsverletzung, (2) Verletzungshandlung, (3) Haftungsbegründende Kausalität, (4) Rechtswidrigkeit, (5) Verschulden, (6) Vorliegen eines Schadens. Die Rechtsgutsverletzung liegt im Entzug des berechtigten Besitzes. Das aktive Tun des D war auch kausal für die Rechtsgutsverletzung. Die Rechtswidrigkeit gilt als indiziert. Auch das Verschulden liegt vor, da D vorsätzlich handelte. Der Schaden besteht im Verlust des unmittelbaren Besitzes und der damit entzogenen Nutzungsmöglichkeit. Im Rahmen der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) schuldet D die Herausgabe des PKW.

6. Wenn E der V seinen Herausgabeanspruch gegen D (§§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB) abtritt und E und V sich über den Eigentumsübergang einig sind, erwirbt V Eigentum am PKW (§§ 929 S. 1, 931 BGB)

Genau, so ist das!

Der Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 931 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Abtretung des Herausgabeanspruchs, (3) Einigsein, (4) Verfügungsberechtigung. E und V haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. E steht gegenüber D mit dem Herausgabeanspruch aus §§ 823 Abs.1, 249 Abs. 1 BGB auch ein abtretbarer Anspruch zur Verfügung. E ist auch verfügungsbefugt. Wenn E der V den Herausgabeanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB abtritt und sie sich im Zeitpunkt der Abtretung über den Eigentumsübergang einig sind, erwirbt V Eigentum.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IUS

iustus

28.11.2020, 10:37:50

Kann man iSv 929 S1 nicht auch mittelbaren Besitz „übergeben“?

CAR

Carl

11.12.2020, 16:12:54

D ist hier aber ja nicht

Besitzmittler

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2021, 15:34:13

Danke iustus für die Nachfrage. In der Tat kann eine Übergabe nach

§ 929

S. 1 BGB nach der hM auch dadurch erfolgen, dass der

Besitzmittler

des Veräußers zum

Besitzmittler

des Erwerbers wird. Da in diesen Fällen das gesamte

Besitzmittlungsverhältnis

übergeht und nicht nur der

Herausgabeanspruch

abgetreten wird findet insoweit § 9

31 BGB

keine Anwendung. Vorliegend liegt zwischen D und E aber - wie Carl zurecht einwendet - kein

Besitzmittlungsverhältnis

vor. Insbesondere fehlt es an einem entsprechenden Besitzmittlungswillen des D, der sich den Wagen ja gerade selbst aneignen möchte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

frausummer

frausummer

12.3.2021, 21:37:09

Müsste bei der Frage nach 823, 249 nicht auch 992 mit zitiert werden? Sobald ein EBV vorliegt, geht nur 823 doch nicht mehr, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2021, 15:45:33

Danke Dir, für Deine Rückfrage! Bei der Prüfung des EBV ist indes sorgfältig zu prüfen, an welchen Zeitpunkt man anknüpft. Die

Vindikationslage

muss bereits zu dem Zeitpunkt bestehen, in welchem der anspruchsbegründende Umstand eingetreten ist. Daran fehlt es hier. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist dDie deliktische Handlung des D in Form der Entziehung des Eigentums und des Besitzes des E am PKW. Diese erfolgte zu einem Zeitpunkt zu dem D noch gar kein Besitzer war. Damit fehlt es an der notwendigen Voraussetzung des EBV. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ri

ri

20.7.2021, 02:26:21

Könntest du das nochmal erklären, irgendwie verstehe ich das nicht. Was ist der Anspruchsbegründende Umstand? Würde man keine

Vindikationslage

annehmen, wäre ja auch ein Anspruch aus 985 Bgb ausgeschlossen, das leuchtet mir irgendwie nicht ein.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.7.2021, 10:16:49

Hi Ri, du hast natürlich recht, dass im Ergebnis hier eine

Vindikationslage

vorliegt. Durch die inbesitzbahme des Autos verdrängt D den E aus seiner Besitzposition, d.h. im Anschluss an den Diebstahl liegen die Voraussetzungen der

Vindikation

vor. ZUM ZEITPUNKT des Diebstahls ist E aber sowohl Eigentümer, als auch Besitzer. Das heißt in diesem Zeitpunkt fehlt es gerade an dem EBV. Im Hinblick auf die deliktische Besitzentziehung kommt

§ 992 BGB

also noch nicht zum Zug. Beschädigt D dagegen im weiteren Verlauf das Auto, so liegt zu diesem Zeitpunkt das EBV vor und §992 BGB ist anwendbar. Ist es nun ein wenig klarer geworden? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ri

ri

21.7.2021, 13:26:34

Ok, vielen Dank für die Antwort. Ich muss also genau auf die Zeitpunkte achten.

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

7.6.2021, 23:35:48

Wäre auch eine Abtretung des § 812 (

Nichtleistungskondiktion

) im Rahmen von § 931 möglich?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.11.2021, 12:53:30

Hallo Dave, vielen Dank für die Nachfrage. Grundsätzlich genügt jeder abtretbare Anspruch, der seinem Inhaber "das Recht gewährt, die Sache in Besitz zu nehmen und in seine

Verfügungsgewalt

zu bringen und dessen Abtretung dem

Zessionar

die Ausübung des gleichen Rechts ermöglicht". Der Rechtsgrund ist dabei egal. Auch die Abtretung eines Anspruch aus

Nichtleistungskondiktion

ist im Rahmen von § 9

31 BGB

also möglich (vgl. Klinck, in: BeckOGK-BGB, 1.10.2021, § 931 RdNr. 17). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

ANY

ANY

28.11.2021, 11:52:25

Müsste E dann nicht beide Ansprüche abtreten, um seinen Besitz vollständig aufzugeben?

ANY

ANY

28.11.2021, 11:58:19

Also Besitz hat E nach dem Diebstahl natürlich zunächst keinen mehr, aber wie wird verhindert, dass die Herausgabeansprüche auseinanderfallen ?

SCH

Schrobl

13.6.2023, 23:26:41

Ich wäre auch für eine Antwort dankbar :)

Johannes Nebe

Johannes Nebe

22.4.2022, 18:28:56

Ich habe noch eine (wie ich hoffe) andere Frage. Hätte die Eigentumsübertragung gem. §

§ 929

S. 1, 931 nicht ausgereicht? Die Abtretung des Anspruchs aus § 823 ist sinnvoll, aber doch nicht notwendig, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2022, 11:26:16

Vielen Dank für die Nachfrage, Johannes. Die Abtretung des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB ist hier notwendiger Teil des Erwerbsvorgangs nach §

§ 929

S. 1, 9

31 BGB

. "Normalerweise" erfolgt die

Übereignung

beweglicher Sachen ja durch die Übergabe der Sache (

§ 929

S. 1 BGB). Dies war E hier nicht möglich, er war ja nicht im Besitz des Autos. Anstelle der Übergabe genügt aber auch die Abtretung eines

Herausgabeanspruch

es um einen Eigentumserwerb nach §

§ 929

S. 1, 9

31 BGB

durchzuführen. Dies ist vorliegend durch die Abtretung des

Herausgabeanspruch

es aus § 823 Abs. 1 BGB erfolgt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe

Johannes Nebe

25.4.2022, 15:36:16

Jetzt verstehe ich. Wir brauchen für die Abtretung nach § 931 einen Anspruch, und das darf nicht § 985 sein, weil er nicht abgetreten werden kann.

eichhörnchen II

eichhörnchen II

3.7.2023, 14:06:58

Danach geht aber auch der Anspruch aus 985 an die V über, oder?

HAN

hannabuma

5.2.2024, 14:48:47

Sobald V Eigentümerin wird, entsteht für sie der Anspruch aus § 985 BGB. Ich weiß allerdings nicht ob man es als „Übergang“ formulieren sollte, da der Anspruch aus § 985 BGB nicht abtretbar ist und immer neu entsteht bei Wechsel des Eigentümers.

STE

StellaChiara

19.7.2023, 12:32:35

steht hier § 935 BGB dem Eigentumsübergang nicht entgegen? oder gilt das nie im Verhältnis zum Eigentümer sondern nur zu dem, der die Sache klaut und weitergibt?

EVA

evanici

14.9.2023, 16:32:48

Wird dann aus denselben Gründen, warum man eine Abtretung von § 985 verneint, dann bei § 823 I auf den berechtigten Besitz und gerade nicht das Eigentum abgestellt? Soweit ich das richtig verstanden habe, wäre ja auch unzweifelhaft eine

Eigentumsverletzung

gegeben ("PKW des E"), zumal die

Vindikationslage

bereits bejaht wurde, oder? Könnte man im Übrigen dann nicht auch auf die besitzrechtlichen Herausgabeansprüche für die Abtretung abstellen (z.B. §§

1007

I, II), die würden ja auch nicht auf das Eigentum abstellen...

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 17:50:03

Hallo evanici, genauso ist es. Weil das Eigentum (und die Verletzung dessen) an sich nicht abgetreten werden kann, werden nur die Ansprüche hieraus (also Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes) abgetreten. Auch deine zweite Frage ist richtig: Man kann auch §

1007

und 861 f. abtreten, da diese possessorischen Ansprüche sind und an den Besitz anknüpfen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

VALA

Vanilla Latte

28.9.2023, 23:06:10

Welche Ansprüche gegen D könnte E noch auf Herausgabe haben?

LELEE

Leo Lee

30.9.2023, 13:34:57

Hallo Vanilla Latte, es kommen noch die Ansprüche gem. § 861 I BGB und §

1007 I BGB

in Betracht :). Liebe Grüße - fü r das Jurafuchsteam - Leo

KR

Kristijan

11.3.2024, 18:48:57

Könnte man bei der Rechtsgutsverletzung neben dem berechtigten Besitz nicht auch eine Eigentumsbeeinträchtigung annehmen? Zumindest wurde nur der ber. Besitz erwähnt. LG.

Vincent

Vincent

6.6.2024, 09:47:18

Ist missverständlich, da nicht ganz klar ist, ob eine Abtretung des Hrsg Anspruchs an die V (damit keine Eigentümerstellung des E?) bereits erfolgt ist.

BL

Blotgrim

22.7.2024, 11:48:32

Naja laut Sachverhalt einigt man sich über den Eigentumsübergang, da hierfür auch die Abtretung des

Herausgabeanspruch

s erforderlich ist, kann man in der Einigung zumindest

konkludent

auch eine Einigung über die Abtretung sehen, solange keine anderen Anhaltspunkte dagegen sprechen. Würde ich zumindest so sehen 😅


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