Eigentumserwerb nach § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB

20. Mai 2025

19 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B sind verheiratet. Da die beiderseits häufig genutzte Mikrowelle kaputtgeht, kauft B bei V eine neue Mikrowelle. Auch A soll hieran Eigentum erwerben.

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Einordnung des Falls

Eigentumserwerb nach § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn die Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen, hat der Erwerb des B beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.

Ja, in der Tat!

Das Gesetz verleiht dem Handeln des einen Ehegatten unter den Voraussetzungen des § 1357 BGB unmittelbare Wirkung für und gegen dessen Ehegatten (sog. Schlüsselgewalt). Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten, der den Haushalt führt, für diese Aufgabe im Rahmen der Ehe angemessen auszurüsten. Die Haftungserweiterung zugunsten des Gläubigers ist Folge, nicht Zweck der Vorschrift. § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus: (1) Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, (2) sofern sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, § 1357 Abs. 1 S. 2, (3) kein Getrenntleben bei Geschäftsabschluss, § 1357 Abs. 3, (4) kein Ausschluss der Schlüsselgewalt nach §1357 Abs. 2 bzw. § 1412 BGB.
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2. Der Kauf der Mikrowelle ist "ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs" von A und B (§ 1357 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs sind Rechtsgeschäfte, die ihrer Art nach der Deckung des Lebensbedarfs dienen, also einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft aufweisen. Angemessen ist ein Geschäft dann, wenn es den wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten der Familie entspricht. Der Kauf der Mikrowelle dient der Deckung des Lebensbedarfs von A und B. Der Kauf einer Mikrowelle ist für A und B nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten auch nicht unangemessen.

3. V kann den Kaufpreis der Mikrowelle sowohl von B, als auch von A einfordern.

Genau, so ist das!

Eine Mitverpflichtung des anderen Ehegatten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus: (1) Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, (2) sofern sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, § 1357 Abs. 1 S. 2, (3) kein Getrenntleben bei Geschäftsabschluss, § 1357 Abs. 3, (4) kein Ausschluss der Schlüsselgewalt nach §1357 Abs. 2/§ 1412 BGB.Es liegt ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs dar. Andere Umstände (entgegenstehender Wille des A) sind nicht ersichtlich. Die Ehegatten leben weder getrennt noch ist die Schlüsselgewalt nach §§ 1357 Abs. 2, 1412 BGB ausgeschlossen. Schuldrechtlich sind A und B als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB) berechtigt und als Gesamtschuldner (§§ 421, 426 BGB) verpflichtet.

4. § 1357 BGB hat auch dingliche Wirkung, sodass A wegen § 1357 BGB Miteigentümer wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist umstritten, ob § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB über die schuldrechtliche Wirkung hinaus auch dingliche Wirkung hat. Die überwiegende Auffassung misst § 1357 Abs. 1. S. 2 BGB nur schuldrechtliche Wirkung zu, da eine dingliche Wirkung dem Grundsatz der Vermögenstrennung (§§ 1363 ff. BGB) in der Zugewinngemeinschaft widerspreche. Der Eigentumserwerb richtet sich daher nach allgemeinen Grundsätzen, wobei auf den Erwerbswillen der Ehegatten abzustellen ist (§§ 133, 157 BGB).

5. A hat Miteigentum an der Mikrowelle erworben.

Ja!

Nach herrschender Meinung hat § 1357 BGB keine dingliche Wirkung. Ein Eigentumserwerb ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich.Die Einigungserklärung des handelnden Ehegatten (B) ist danach auszulegen, ob beide Ehegatten Eigentümer werden sollen. Hier ist davon auszugehen, dass auch A Eigentümerin werden sollte, zumal es sich um Hausrat für den gemeinsamen Haushalt handelt. Die Willenserklärung von B ist so auszulegen, dass auch eine Übereignung an A gewünscht ist. Der BGH wendet dabei die Regeln des Erwerbs "für den, den es angeht" (§ 164 BGB) an, d.h. B muss es V nicht offenlegen, dass er für A miterwirbt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

20.7.2021, 02:33:27

Wikipedia: „Historisch geht die

Schlüsselgewalt

bis in die Antike zurück. Im Mittelalter trugen verheiratete Frauen einen Schlüsselbund als sichtbares Zeichen ihres Rechtes. Es war besonders für Ehefrauen bedeutungsvoll, da sie außerhalb der

Schlüsselgewalt

für verpflichtende

Rechtsgeschäft

e unter der Vormundschaft ihres Ehemannes standen.“

MAUF

Maurice Fritz

7.3.2023, 16:03:28

Woraus ergibt sich hier die Vertretungsmacht?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.3.2023, 11:45:59

Hallo Maurice Fritz, danke für deine Frage. § 1357 Abs. 1 BGB begründet eine Vertretungsmacht sui generis. Diese entfaltet Wirkung für das Verpflichtungsgeschäft. Die dingliche Rechtslage wird nach allgemeinen sachenrechtlichen Regeln (§§ 929 ff., 164 ff.) geordnet.Laut BGH übereignet der Veräußerer an den Ehegatten, den es angeht. zur Fussnote 127 Das seien mit Rücksicht auf den mutmaßlichen Willen der Ehegatten im Zweifel beide. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

28.9.2023, 23:15:04

Wie würde die dingliche Seite dann aussehen in der Klausur? Ganz normal 929 prüfen und dann? Bei Einigung: 164 ansprechen und dann

Geschäft für den, den es angeht

; Übergabe an A und B? usw?

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

16.4.2024, 20:53:12

Das erklärt aber noch immer nicht, woher die Vertretungsmacht im Rahmen des

Verfügungsgeschäft

s stammen soll. Die Grundsätze des (verdeckten) Geschäfts für den, den es angeht, helfen nur über die fehlende Offenkundigkeit hinweg. Vom Erfordernis des Bestehens von Vertretungsmacht befreien sie nicht. In Betracht kommt hier allein eine -

konkludent

erteilte - Vollmacht. Dafür lässt sich dem Sachverhalt aber nichts entnehmen. Auch ginge es wohl zu weit generell von einer solchen im Hinblick auf alle

Verfügungsgeschäft

e auszugehen, die in einem unter

1357 BGB fall

enden Verpflichtungsgeschäft gründen.

LMA

Lt. Maverick

28.4.2025, 13:50:20

Die „Vertretungsbefugnis“ im Rahmen des

Verfügungsgeschäft

s könnte sich aus einem Zusammenspiel von §§ 1357, 1353 BGB, unter Heranziehung des Rechtsgedankens nach §

107 BGB

oder Vollmacht iSv § 164 BGB ergeben.

§ 1357 BGB

ersetzt nicht die Vertretungsmacht, sondern

verzicht

et sozusagen auf diese. Wenn die Sache für den gemeinsamen Hausrat angeschafft werden soll, hat der „vertretene“ Ehegatte insoweit auch ein Interesse daran Miteigentum zu erwerben, schließlich hat er allein durch die Zuordnung zum gemeinsamen Hausrat nach § 1353 BGB Mitbesitz an der Sache. Wenn schon der Wille zum Besitz umfasst ist, wieso dann nicht erst recht das Eigentum, das iSv §

107 BGB

einen rechtlichen Vorteil durch die dingliche Besserstellung erzeugt.

Anastasia

Anastasia

7.8.2023, 20:47:20

Angenommen die Mikrowelle wird auf Kredit gekauft. Gelten dann die Ehegatten als Mit

schuld

ner? Wenn A beim Vertragsabschluss verschweigt, dass er verheiratet ist - haftet er dann alleine?

Anastasia

Anastasia

7.8.2023, 20:52:11

Und haften sie gemeinsam oder je zu 50%?

DO

Dominic

8.8.2023, 10:55:15

Bezieht sich deine Frage auf das Darlehen? Oder auf den Kaufvertrag über die Mikrowelle? Hinsichtlich des Kaufvertrages würde sich nichts ändern.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2023, 17:22:01

Hallo Anastasia, grundsätzlich fallen Darlehensverträge iSv § 488 BGB tatsächlich nicht unter die Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfes. Wenn B also zunächst bei einer Bank einen Kredit abschließt, um dann anschließend damit etwas zu kaufen, wäre der Darlehensvertrag von der Mitverpflichtung nicht umfasst. Anders ist dies dagegen in dem Fall, der Dir vorschwebt, also einem Darlehensvertrag, der unmittelbar zur Finanzierung eines Bedarfsdeckungsgeschäfts (zB 0% Finanzierung bei einem Elektronikhändler). Hier wäre es willkürlich zwischen dem Bar und dem Kreditkaufgeschäft zu differenzieren, weswegen auch hier der Ehegatte im Hinblick auf den Darlehensvertrag als Gesamt

schuld

ner mitverpflichtet wird (zur Vertiefung: BeckOGK/Erbarth, 1.6.2022, BGB § 1357 Rn. 121). Beide haften dann im Außenverhältnis als Gesamt

schuld

ner (§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB; §

421 BGB

), also vollständig und nicht nur zu 50%. Ob der Geschäftspartner erkennt, dass der

Schuld

ner verheiratet ist, ist egal.

§ 1357 BGB

wirkt objektiv. D.h. auch wenn B hier verschweigt, dass er verheiratet ist, greift die Norm (MüKoBGB/Roth, 9. Aufl. 2022, BGB § 1357 Rn. 16). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

21.2.2025, 15:37:01

eine Stellvertretung bzgl der Übergabe wäre ja nicht möglich, da diese ein

Realakt

ist. wäre der Ehemann hier dann Geheissperson der Ehefrau?

LMA

Lt. Maverick

28.4.2025, 12:54:35

Hier wird auf die

dingliche Einigung

nicht Übergabe abgestellt. Auf diese sind die Stellvertretungsregeln direkt anwendbar. Ähnlich wie im

Schuld

recht erkennt man auch im Rahmen der dinglichen Einigung bei Bargeschäften des täglichen Lebens eine Ausnahme im Wege einer teleologischen Reduktion des

Offenkundigkeitsgrundsatz

es nach § 164 I BGBG an: „Das (verdeckte)

Geschäft für den, den es angeht

“. Hier ist es dem Vertragspartner regelmäßig egal mit wem er kontrahiert, da gerade im Zuge eines sofortigen Leistungsaustauschs kein Interesse an der Bonität des Vertragspartners besteht. Ähnlich verhält es sich bei der dinglichen Einigung: dem Veräußerer ist gerade bei solchen Bargeschäften des täglichen Lebens schlichtweg egal, wer Eigentum erwirbt. Der Ehegatte 1 tritt als Stellvertreter für Ehegatte 2 auf und durchbricht das

Offenkundigkeitsprinzip

. Es liegen also streng genommen zwei Willenserklärungen vor: die eigene und die eigene für und gegen den Ehegatten 2. Die Vertretungsbefugnis kann sich Vollmacht ergeben (klassische Stellvertretung) oder durch

§ 1357 BGB

ersetzt werden. Indem Ehegatte 1 die Sache übergeben wird und dieser die Sache in den gemeinsamen Haushalt einbringt, wird gleichermaßen Ehegatte 2 Mitbesitz eingeräumt. Das ergibt sich aus § 1353 BGB, der nicht nur ein Recht zur Mitbenutzung und damit Mitbesitz der ehelichen Wohnung, sondern auch des Hausrats einräumt.

Louicay

Louicay

3.5.2025, 18:49:47

Zur Klarstellung: Die hier dargestellte Ansicht gibt lediglich die Meinung des BGH wieder, welche jedoch häufig und zurecht stark von etwaigen Stimmen innerhalb der Literatur, sowie der etablierten Kommentarliteratur kritisiert wird. Zwar ist dem BGH insoweit zuzubilligen, dass die Prinzipien des Geschäfts für den es angeht auch auf dingliche

Rechtsgeschäft

e übertragen werden können und

§ 1357 BGB

ebenfalls eine Verpflichtungsermächtigung enthält die dem handelnden Ehegatten eine eigeschränkte Vertretungsbefugnis für solche Geschäfte einräumt die dem Anwendungsbereich des

§ 1357 BGB

unterfallen. Indes ist festzustellen, dass diese Erkenntnisse zwar über die meisten Voraussetzungen der Stellvertretung hinweghelfen - jedoch nicht über alle. So wird zurecht kritisiert, dass nicht pauschal für alle Geschäfte im Anwendungsbereich des

§ 1357 BGB

angenommen werden kann, dass der handelnde Ehegatte ebenfalls seinem Ehepartner Eigentum verschaffen will - so geht die Ansicht des BGH schon deshalb fehl, da in den wenigsten Fällen der Wille des handelnden Ehegatten darauf gerichtet sein wird lediglich hälftiges Miteigentum erwerben zu wollen. Es wird deshalb statuiert, dass um die Annahme eines dinglichen

Rechtsgeschäft

s zugunsten des anderen Ehepartners fruchtbar zu machen für einen objektiven Betrachter, der mit den Verhältnissen der Eheleute vertraut ist der Wille den nicht handelnden Ehepartner Eigentum zu verschaffen erkennbar nach Außen treten muss. !Vorsicht Laienauffassung! Meiner Meinung nach sind zwar nicht so hohe Anforderungen an das dingliche

Rechtsgeschäft

zugunsten des nicht handelnden Ehepartners zu stellen, als dass der Wille für den anderen Ehegatten zu handeln erkennbar nach Außen treten muss, da dies dem Grundgedanken des Geschäfts für den es angeht widersprechen würde. Allerdings ist zumindest zu fordern, dass der handelnde Ehegatte im konkreten Einzelfall den tatsächlichen Willen hatte auch auf dinglicher Ebene für seinen Ehepartner zu handeln, da der Wille

rechtsgeschäft

lich für einen anderen zu handeln dem Wesen der Stellvertretung immanent ist - insoweit kann dieser nicht pauschal unterstellt werden und muss für jeden Fall einzeln positiv festgestellt werden.


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