Eigentumserwerb nach § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB

4. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B sind verheiratet. Da die beiderseits häufig genutzte Mikrowelle kaputtgeht, kauft B bei V eine neue Mikrowelle. Auch A soll hieran Eigentum erwerben.

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Einordnung des Falls

Eigentumserwerb nach § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn die Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen, hat der Erwerb des B beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet.

Ja, in der Tat!

Das Gesetz verleiht dem Handeln des einen Ehegatten unter den Voraussetzungen des § 1357 BGB unmittelbare Wirkung für und gegen dessen Ehegatten (sog. Schlüsselgewalt). Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten, der den Haushalt führt, für diese Aufgabe im Rahmen der Ehe angemessen auszurüsten. Die Haftungserweiterung zugunsten des Gläubigers ist Folge, nicht Zweck der Vorschrift. § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus: (1) Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, (2) sofern sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, § 1357 Abs. 1 S. 2, (3) kein Getrenntleben bei Geschäftsabschluss, § 1357 Abs. 3, (4) kein Ausschluss der Schlüsselgewalt nach §1357 Abs. 2 bzw. § 1412 BGB.
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2. Der Kauf der Mikrowelle ist "ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs" von A und B (§ 1357 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs sind Rechtsgeschäfte, die ihrer Art nach der Deckung des Lebensbedarfs dienen, also einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft aufweisen. Angemessen ist ein Geschäft dann, wenn es den wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten der Familie entspricht. Der Kauf der Mikrowelle dient der Deckung des Lebensbedarfs von A und B. Der Kauf einer Mikrowelle ist für A und B nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und Lebensgewohnheiten auch nicht unangemessen.

3. V kann den Kaufpreis der Mikrowelle sowohl von B, als auch von A einfordern.

Genau, so ist das!

Eine Mitverpflichtung des anderen Ehegatten aus § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus: (1) Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, (2) sofern sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, § 1357 Abs. 1 S. 2, (3) kein Getrenntleben bei Geschäftsabschluss, § 1357 Abs. 3, (4) kein Ausschluss der Schlüsselgewalt nach §1357 Abs. 2/§ 1412 BGB.Es liegt ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs dar. Andere Umstände (entgegenstehender Wille des A) sind nicht ersichtlich. Die Ehegatten leben weder getrennt noch ist die Schlüsselgewalt nach §§ 1357 Abs. 2, 1412 BGB ausgeschlossen. Schuldrechtlich sind A und B als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB) berechtigt und als Gesamtschuldner (§§ 421, 426 BGB) verpflichtet.

4. § 1357 BGB hat auch dingliche Wirkung, sodass A wegen § 1357 BGB Miteigentümer wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist umstritten, ob § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB über die schuldrechtliche Wirkung hinaus auch dingliche Wirkung hat. Die überwiegende Auffassung misst § 1357 Abs. 1. S. 2 BGB nur schuldrechtliche Wirkung zu, da eine dingliche Wirkung dem Grundsatz der Vermögenstrennung (§§ 1363 ff. BGB) in der Zugewinngemeinschaft widerspreche. Der Eigentumserwerb richtet sich daher nach allgemeinen Grundsätzen, wobei auf den Erwerbswillen der Ehegatten abzustellen ist (§§ 133, 157 BGB).

5. A hat Miteigentum an der Mikrowelle erworben.

Ja!

Nach herrschender Meinung hat § 1357 BGB keine dingliche Wirkung. Ein Eigentumserwerb ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich.Die Einigungserklärung des handelnden Ehegatten (B) ist danach auszulegen, ob beide Ehegatten Eigentümer werden sollen. Hier ist davon auszugehen, dass auch A Eigentümerin werden sollte, zumal es sich um Hausrat für den gemeinsamen Haushalt handelt. Die Willenserklärung von B ist so auszulegen, dass auch eine Übereignung an A gewünscht ist. Der BGH wendet dabei die Regeln des Erwerbs "für den, den es angeht" (§ 164 BGB) an, d.h. B muss es V nicht offenlegen, dass er für A miterwirbt.
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