+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Lawra (L) und Justus (J) haben von Vermieter V eine Wohnung gemietet. Da J einmal kurzfristig auf Vs Tochter aufpasst, erlässt V ihm für diesen Monat die Miete. Am Monatsende verlangt V zwar nicht von J, aber von L Zahlung der Miete (€1000). L weigert sich, da die Miete doch erlassen sei.
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Einordnung des Falls
Erlass gegenüber einem Gesamtschuldnder
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Examenstreffer Bayern 2024
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. L und J sind Gesamschuldner der Miete.
Ja!
Eine Gesamtschuld liegt nach h.M. vor, wenn (1) mehrere Schuldner zur Erbringung der vollen Leistung verpflichtet sind, (2) der Gläubiger diese nur einmal fordern darf, (3) ein gleichartiges Leistungsinteresse vorliegt und (4) die Schuldner gleichstufig haften. Haben sich die Schuldner vertraglich zur Erbringung der Leistung verpflichtet, so sind sie im Zweifel zur vollen Leistung verpflichtet (§ 427 BGB).Der Mietzahlung liegt ein Vertrag zugrunde, weshalb L und J jeweils verpflichtet sind, die Miete in vollem Umfang zu zahlen, wobei V diese nur einmal fordern kann. Die Zahlungspflicht beruht auf demselben Schuldverhältnis und beide haften gleichstufig.
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2. Kann V von J in diesem Monat Miete verlangen (§ 535 Abs. 2 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Eine Forderung erlischt, wenn der Gläubiger sie dem Schuldner erlässt (§ 397 Abs. 1 BGB).V hat mit J vereinbart, dass er ihm für einen Monat die Miete erlässt. Damit haben sie einen Erlassvertrag geschlossen, der Vs Forderung erlöschen lässt.Mit Schuldverhältnis meint § 397 Abs. 1 BGB also nicht das gesamte Rechtsverhältnis, hier also den Mietvertrag. Vielmehr erlischt lediglich die einzelne Forderung, also das Schuldverhältnis im engeren Sinn.
3. Da V gegenüber J die Miete erlassen hat, wird zwingend auch L von ihrer Mietzahlungspflicht befreit.
Nein, das trifft nicht zu!
(1) Nach § 423 BGB wirkt der zwischen dem Begünstigten und dem Gläubiger vereinbarte Erlass nur für die anderen, wenn die Parteien dies so wollten (=Erlass mit Gesamtwirkung). (2) Ebenfalls möglich ist die Vereinbarung, dass der Begünstigte ganz und die übrigen Gesamtschuldner lediglich in dem Umfang befreit werden, die der Begünstigte im Innenverhältnis zu tragen gehabt hätte (=Erlass mit beschränkter Einzelwirkung). (3) Schließlich kann vereinbart werden, dass der Erlass lediglich Einzelwirkung gegenüber dem Gläubiger entfaltet (=Erlass mit Einzelwirkung). Der Begünstigte kann dann aber weiterhin von den anderen Gesamtschuldnern in Anspruch genommen werden. Die gewünschte Rechtsfolge ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB).
4. L muss für den Monat keine Miete bezahlen, da V und J einen Erlass mit Gesamtwirkung vereinbart haben.
Nein!
Nach § 423 BGB wirkt der zwischen dem Begünstigten und dem Gläubiger vereinbarte Erlass nur für die anderen, wenn die Parteien dies so wollten (=Erlass mit Gesamtwirkung). Ob dies gewünscht ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB).V hat J die Miete aus persönlicher Dankbarkeit dafür erlassen, dass J auf Vs Tochter aufgepasst hat. Anhaltspunkte dafür, dass V den Erlass darüber hinaus auch auf L ausdehnen wollte bestehen nicht. Es liegt damit kein Erlass mit Gesamtwirkung vor, der zum Erlöschen der gesamten Mietschuld führt.
5. L muss für den Monat die volle Miete bezahlen (€1.000), da V und J einen Erlass mit Einzelwirkung vereinbart haben.
Nein, das ist nicht der Fall!
Der Erlass mit Einzelwirkung hat zur Folge, dass der Gläubiger zwar nicht vom Begünstigten, dafür aber von den übrigen Gesamtschuldnern die volle Leistung verlangen kann. Diese können beim Begünstigten nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB Regress nehmen. Ob dies gewünscht ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB).V wollte seine Dankbarkeit dadurch zum Ausdruck bringen, dass J einen Monat mietfrei wohnen kann. Dieses Ziel wäre nicht erreicht, wenn er durch Inanspruchnahme der L letztlich doch seinen Mietanteil zahlen müsste. Somit liegt kein Erlass mit Einzelwirkung vor.
6. L muss für den Monat die Hälfte der Miete bezahlen (€500), da V und J einen Erlass mit beschränkter Einzelwirkung vereinbart haben.
Ja, in der Tat!
Der Begünstigte kann mit dem Gläubiger vereinbaren, dass er ganz und die übrigen Gesamtschuldner lediglich in dem Umfang befreit werden, die er im Innenverhältnis zu tragen gehabt hätte (=Erlass mit beschränkter Einzelwirkung). Ob dies gewünscht ist, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB).V will J aus Dankbarkeit einen Monat mietfrei wohnen lassen. Um die Wirkung des Erlasses einerseits auf J zu beschränken und ihn andererseits von Regressansprüchen der L freizustellen, kommt nur der Erlass mit beschränkter Einzelwirkung in Betracht. Da im Innenverhältnis L und J jeweils die Hälfte der Mietkosten tragen (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB), muss L noch €500 an V zahlen.