Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Tenor

Baumbach: Beklagter 1 verliert, Beklagter 2 gewinnt

Baumbach: Beklagter 1 verliert, Beklagter 2 gewinnt

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Eigentümer Kurt (K) begehrt von Architektin Birgit (B1) und Bauunternehmer Bert (B2) als Gesamtschuldner insgesamt €8.000. Der Hauptsachetenor lautet: „Die Beklagte zu 1) wird verurteilt an den Kläger €8.000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

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Einordnung des Falls

Baumbach: Beklagter 1 verliert, Beklagter 2 gewinnt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da K sowohl B1 als auch B2 auf €8000 verklagt hat, liegt der Gebührenstreitwert hier bei €16.000 (§ 39 GKG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der Berechnung des Gebührenstreitswerts werden unterschiedliche Streitgegenstände grundsätzlich zusammengerechnet (§ 39 GKG). Der Grundsatz wird aber (1) eingeschränkt durch die in den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes geregelten Additionsverbote (§§ 43 bis 45, 48 Abs. 3 GKG). (2) Zudem unterlässt die Rechtsprechung die Addition bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität. Davon ist etwa auszugehen bei gegen Gesamtschuldner gerichtete gleiche Ansprüchen. Denn der Kläger kann hier die geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen. Die in Anspruch genommenen Gesamtschuldner schulden im Falle der Verurteilung den eingeklagten Betrag also nur einmal.K kann hier insgesamt nur €8.000 verlangen, sodass der Gebührenstreitwert bei €8.000 liegt, auch wenn die Klage gegen zwei Beklagte gerichtet ist.
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2. B1 wurde in Höhe von €8.000 verklagt und auch verurteilt. Damit muss er die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Wird dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen oder wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, ist grundsätzlich eine Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO zu treffen. Die Vorschrift kann aber nur dann allein herangezogen werden, wenn die unterlegene Partei keine Streitgenossen hat.Vorsicht Falle! B1 hat hier nicht allein am Prozess teilgenommen. Auch wenn K gegen B1 voll obsiegt hat, so ist er gegenüber B2 vollumfänglich unterlegen. Ebensowenig wie K deshalb die vollen Kosten tragen muss, können diese B1 auferlegt werden.

3. Ist in der ZPO explizit geregelt, wie die Kosten zu verteilen sind, wenn der Kläger bei einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme mehrerer Beklagter in unterschiedlichem Verhältnis obsiegt (§ 100 ZPO)?

Nein!

§ 92 Abs. 1 ZPO enthält Regelungen zur Kostenverteilung, wenn beide Parteien teilweise obsiegen und unterliegen. § 100 Abs. 4 ZPO enthält Regelungen zur Kostenquote bei Gesamtschuldnern, die einheitlich unterliegen. Der Fall, dass Gesamtschuldner in unterschiedlicher Höhe Obsiegen/Unterliegen wird allerdings in der ZPO nicht explizit geregelt. Zur Lösung dieser Problematik wurde deshalb die „Baumbach'sche Kostenformel“ entwickelt, die sich an dem Grundgedanken der §§ 91, 92 orierentiert, dass die Kostenquote nach dem Grad des Obsiegens und Unterliegens aufgeteilt wird. Die „Baumbach'sche Kostenformel“ genießt (zu Unrecht) den Ruf übermäßig kompliziert zu sein. Im Folgenden lernst Du Schritt für Schritt, wie Du sie meistern kannst.

4. Um die Kostenquote der Gerichtskosten zu ermitteln, wird bei der Baumbach'schen Kostenformel zunächst ein fiktiver Streitwert aller Angriffs- und Verteidigungsmittel gebildet.

Genau, so ist das!

Im Falle der Gesamtschuldnerschaft hilft der normale Gebührenstreitwert bei der Ermittlung der Gewinn-/Verlustquote nicht weiter. Deswegen wird nach der Baumbachschen Kostenformel in einem ersten Schritt ein fiktiver Streitwert gebildet, bei dem alle Angriffs- und Verteidigungsmittel addiert werden.Es liegen zwei „Angriffe“ vor. K hat jeweils gegen B1 und B2 eine Klage mit €8.000 gerichtet. Dass diese wirtschaftlich identisch sind, ist an dieser Stelle unerheblich. Der fiktive Streitwert beträgt damit €16.000.Vorsicht! Dieser Streitwert wird nur zur Berechnung der Kostenquote herangezogen. Im späteren Kostenfestsetzungsverfahren, in dem es dann um die konkreten Kosten des Rechtsstreits geht, ist allein der „normale“ Gebührenstreitwert maßgeblich, bei dem die Streitgegenstände aufgrund der wirtschaftlichen Identität nicht addiert werden.

5. Um die Gerichtskosten zu ermitteln, ist als zweiter Schritt der Ausgang jedes einzelnen Angriffs zu bestimmen und die Gesamtverlustquote der einzelnen Beteiligten zu ermitteln.

Ja, in der Tat!

Ks Klage gegen B1 war vollumfänglich erfolgreich, d.h. B1 hat hier iHv €8.000 verloren. Ks Klage gegen B2 hat er verloren, sodass er hier mit €8.000 verloren hat. Insgesamt stellt sich der Verlust wie folgt dar: K hat iHv €8.000 verloren, B1 hat iHv €8.000 verloren, B2 hat gar nicht verloren.

6. Als dritter und letzter Schritt für die Berechnung der Gerichtsgebührenquote wird die Verlustquote der einzelnen Beteiligten mit dem normalen Streitwert ins Verhältnis gesetzt.

Nein!

Die Verlustquote wird mit dem fiktiven Streitwert ins Verhältnis gesetzt.Für K bedeutet dies: € 8.000 von € 16.000 sind 50 % oder 1/2. Für B1 bedeutet dies: € 8.000,00 von € 16.000 sind 50 % oder 1/2. Für B2 bedeutet dies: 0€ von 16.000€ sind 0%j.Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtsgebühren lautet also: Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte.

7. Ist der Kostentenor allein mit der Bestimmung der Verteilung der Gerichtskosten vollständig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zu den Kosten des Rechtsstreits gehören neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten, insbesondere die Rechtsanwaltskosten. Auch hier geht man in einem Dreischritt vor: (1) Zunächst wird die Referenzgröße bestimmt. Dabei wird diesmal nicht der fiktive Gesamtstreitwert herangezogen, sondern nur die Streitpositionen, an denen die Partei beteiligt ist. (2) Anschließend wird wieder der Ausgang der Streitigkeiten ermittelt. (3) Schließlich wird anhand des Gewinnanteils an den unterschiedlichen Streitpositionen ermittelt, in welcher Höhe die außergerichtlichen Kosten übernommen werden.Keine Sorge! Wir verdeutlichen auch dies natürlich gleich am konkreten Beispiel.

8. Da K seine gegen B2 gerichtete Klage verloren hat, muss K seine eigenen gesamten außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt in einem Dreischritt: (1) Referenzgröße bestimmen, (2) Ausgang der Streitigkeiten ermitteln, (3) Gewinnanteil gegenüber einzelnen Gegnern in Bezug zu Referenzgröße setzen.K war an zwei Angriffen beteiligt, sodass der Referenzwert €16.000 beträgt. Sein Angriff gegen B1 war vollumfänglich erfolgreich (=€8.000), gegen B2 hat er vollumfänglich verloren. Für K bedeutet dies: €8.000 von €16.000 sind 50%, d.h. B1 muss zumindest 50% von Ks außergerichtlichen Kosten tragen. Da K gegen B2 vollumfänglich verloren hat, muss B2 keine außergerichtlichen Kosten übernehmen.Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zur Hälfte.

9. B1 muss ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Ja!

Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt in einem Dreischritt: (1) Referenzgröße bestimmen, (2) Ausgang der Streitigkeiten ermitteln, (3) Gewinnanteil gegenüber einzelnen Gegnern in Bezug zu Referenzgröße setzen.B1 war nur an der gegen sie gerichteten Klage beteiligt, die Referenzgröße ist also €8000. Sie hat vollumfänglich verloren. Damit muss sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.Für die Tenorierung kann B1 also außer Betracht bleiben, denn für den Kostentenor ist ja nur relevant, ob jemand die außergerichtlichen Kosten übernehmen muss. Allenfalls kann man am Ende noch einen klarstellenden Hinweis aufnehmen („Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.“ bzw. „Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.“).

10. B2 muss seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt in einem Dreischritt: (1) Referenzgröße bestimmen, (2) Ausgang der Streitigkeiten ermitteln, (3) Gewinnanteil gegenüber einzelnen Gegnern in Bezug zu Referenzgröße setzen.B2 war nur an der gegen sie gerichteten Klage beteiligt, die Referenzgröße ist also €8000. Er hat vollumfänglich gewonnen. Setzt man seinen Gewinn gegen K (€8.000) ins Verhältnis zur Referenzgröße (€8000), so ergibt das eine Kostenübernahme in Höhe von 100%.Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) werden dem Kläger auferlegt.

11. Der Kostentenor lautet: „Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers werden dem Beklagten zu 1) auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) werden dem Kläger auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Ja, in der Tat!

Am wenigsten fehleranfällig ist es, wenn Du zunächst die Gerichtsgebühren abhandelst und dann sauber für jeden einzelnen Beteiligten (Kläger, B1, B2) prüfst, inwieweit dessen außergerichtliche Kosten übernommen werden. Soweit Du dies für Dich klar hast, bist Du in der Formulierung aber weitgehend frei. Entsprechend kannst Du versuchen, den Tenor zu kürzen, indem Du Formulierungen zusammenfasst.„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) werden dem Kläger auferlegt.“
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