+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Eigentümer Kurt (K) begehrt von Architektin Birgit (B1), den Bauunternehmern Bert (B2) und Bernd (B3) als Gesamtschuldner insgesamt €8.000. Der Hauptsachetenor lautet: „Die Beklaten zu 2) und 3) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger €8.000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Einordnung des Falls
Baumbach: Beklagter 1 gewinnt, B2+B3 verlieren
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Gebührenstreitwert liegt hier bei €8.000 (§ 39 GKG).
Genau, so ist das!
Bei der Berechnung des Gebührenstreitswerts werden unterschiedliche Streitgegenstände grundsätzlich zusammengerechnet (§ 39 GKG). Der Grundsatz wird aber (1) eingeschränkt durch die in den Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes geregelten Additionsverbote (§§ 43 bis 45, 48 Abs. 3 GKG). (2) Zudem unterlässt die Rechtsprechung die Addition bei Vorliegen wirtschaftlicher Identität. Davon ist etwa bei gegen Gesamtschuldner gerichtete gleiche Ansprüchen auszugehen. Denn der Kläger kann hier die geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen. Die in Anspruch genommenen Gesamtschuldner schulden im Falle der Verurteilung den eingeklagten Betrag also nur einmal.K kann hier insgesamt nur €8.000 verlangen, sodass der Gebührenstreitwert bei €8.000 liegt, auch wenn die Klage gegen drei Beklagte gerichtet ist.
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2. Um die Kostenquote der Gerichtskosten zu ermitteln, wird bei der Baumbach'schen Kostenformel zunächst ein fiktiver Streitwert gebildet.
Ja, in der Tat!
Im Falle der Gesamtschuldnerschaft hilft der normale Gebührenstreitwert bei der Ermittlung der Gewinn-/Verlustquote nicht weiter. Deswegen wird nach der Baumbachschen Kostenformel in einem ersten Schritt ein fiktiver Streitwert gebildet, bei dem alle Angriffs- und Verteidigungsmittel addiert werden.
3. Der fiktive Streitwert beträgt hier €16.000.
Nein!
Nach der Baumbach'schen Kostenformel wird in einem ersten Schritt ein fiktiver Streitwert gebildet, bei dem alle Angriffs- und Verteidigungsmittel addiert werden.
Es liegen drei „Angriffe“ vor. K hat jeweils gegen B1, B2 und B3 eine Klage mit €8.000 gerichtet. Dass diese wirtschaftlich identisch sind, ist an dieser Stelle unerheblich. Der fiktive Streitwert beträgt damit €24.000.Vorsicht! Dieser Streitwert wird nur zur Berechnung der Kostenquote herangezogen. Im späteren Kostenfestsetzungsverfahren, in dem es dann um die konkreten Kosten des Rechtsstreits geht, ist allein der „normale“ Gebührenstreitwert maßgeblich, bei dem die Streitgegenstände aufgrund der wirtschaftlichen Identität nicht addiert werden.
4. Nur B2+B3 sind unterlegen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Um die Gerichtskosten zu ermitteln, ist als zweiter Schritt der Ausgang jedes einzelnen Angriffs zu bestimmen und die Gesamtverlustquote der einzelnen Beteiligten zu ermitteln.Ks Klage gegen B2+B3 hatte Erfolg, sodass diese jeweils mit €8.000 verloren haben. Allerdings muss auch der Angriff gegen B1 ausgewertet werden. Ks Klage gegen B1 hatte keinen Erfolg, d.h. K hat hier iHv €8.000 verloren. Insgesamt stellt sich der Verlust wie folgt dar: K hat iHv €8.000 verloren, B2+B3 haben iHv €8.000 verloren, B1 hat gar nicht verloren.
5. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtsgebühren lautet: Die Gerichtskosten werden dem Kläger zu 50% und den Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 50% auferlegt.
Nein, das trifft nicht zu!
Als dritter und letzter Schritt für die Berechnung der Gerichtsgebührenquote wird die Verlustquote der einzelnen Beteiligten mit dem fiktiven Streitwert ins Verhältnis gesetzt.
Für K, B2 und B3 bedeutet dies jeweils: € 8.000 von € 24.000 sind 1/3. Für B1 bedeutet dies: €0,00 von €24.000 sind 0%.Die Gerichtskosten werden dem Kläger zu 1/3 und den Beklagten zu 2 und 3) als Gesamtschuldner zu 2/3 auferlegt.
6. Da K seine gegen B1 gerichete Klage verloren hat, muss K seine gesamten außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Nein!
Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt in einem Dreischritt: (1) Referenzgröße bestimmen, (2) Ausgang der Streitigkeiten ermitteln, (3) Gewinnanteil gegenüber einzelnen Gegnern in Bezug zu Referenzgröße setzen.K war an drei Angriffen beteiligt, sodass der Referenzwert €24.000 beträgt. Sein Angriff gegen B2+B3 war vollumfänglich erfolgreich (=€16.000), gegen B1 hat er vollumfänglich verloren. Für K bedeutet dies: €16.000 von €24.000 sind 2/3, d.h. B2+3 müssen auch 2/3 von Ks außergerichtlichen Kosten tragen. Da K gegen B1 vollumfänglich verloren hat, muss B1 keine außergerichtlichen Kosten übernehmen.Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 2) und 3) zu 2/3.
7. Die außergerichtlichen Kosten von B1 trägt K.
Genau, so ist das!
Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten erfolgt in einem Dreischritt: (1) Referenzgröße bestimmen, (2) Ausgang der Streitigkeiten ermitteln, (3) Gewinnanteil gegenüber einzelnen Gegnern in Bezug zu Referenzgröße setzen.B1 war nur an der gegen sie gerichteten Klage beteiligt, die Referenzgröße ist also €8000. Sie hat vollumfänglich gewonnen. Setzt man ihren Gewinn gegen K (€8.000) ins Verhältnis zur Referenzgröße (€8000), so ergibt das eine Kostenübernahme in Höhe von 100%.Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) werden dem Kläger auferlegt.Da B2 und B3 vollumfänglich verloren haben, tragen sie ihre Kosten vollumfänglich selbst.
8. Der Kostentenor lautet: „Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägerstragen der Kläger und die Beklagten zu 2) und 3) je zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) werden dem Kläger auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Nein, das trifft nicht zu!
Vorsicht bei Gesamtschuldnern! Diese haften nicht nur für ihren einzelnen Kopfteil, sondern auch im Hinblick auf die auf die Gesamtschuldner insgesamt entfallenen Kosten gemeinschaftlich (§ 100 Abs. 4 ZPO)Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden dem Kläger zu 1/3 und den Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu 2/3 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kläger in vollem Umfang. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.Eine Formulierungshilfe für den Baumbach'schen Kostentenor findest Du auch im Thomas/Putzo, § 100 RdNr. 15!