Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Schuld

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 4

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 4

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T sieht wie der Hund des Nachbarn an seinen Briefkasten pinkelt, was die Lackierung (Wert 2,50 €) beschädigen kann. T stößt den Hund kurzerhand energisch weg, wodurch dieser sich den Knöchel verstaucht. T geht davon aus, dass sein Handeln rechtmäßig ist.

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Einordnung des Falls

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat eine rechtswidrige Sachbeschädigung (§ 303 StGB) begangen.

Ja!

T hat vorsätzlich eine fremde Sache beschädigt. Zur Rechtfertigung kommt nur ein Notstand in Betracht, dessen Anforderungen jedoch wegen Unverhältnismäßigkeit nicht erfüllt sind. In Bezug auf den Defensivnotstand nach § 228 BGB gilt dies auch wegen der Anwendung des § 90a S. 2 BGB. Die Tat ist rechtswidrig.
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2. T hatte bei Tatbegehung die Einsicht, unrechtmäßig zu handeln.

Nein, das ist nicht der Fall!

Unrechtseinsicht ist die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Tat, mithin das Einsehen, dass die Tat vom Gesetz verboten wird. T denkt, dass er gerechtfertigt ist. Er handelt daher ohne Unrechtseinsicht in einem Erlaubnisgrenzirrtum.

3. Hätte T den Irrtum vermeiden können?

Nein, das trifft nicht zu!

Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn der Täter nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hätte erkennen können. Der Täter muss dafür alle seine Erkenntniskräfte einsetzen und bei etwaigen Zweifeln verlässlichen und sachkundigen Rechtsrat einholen. Vorliegend besteht grundsätzlich Grund zum Zweifel, da in fremde Rechtsgüter eingegriffen wird und T weiß, dass er nur eine geringwertige Sache schützt. Allerdings war die ausführliche Überlegung sowie die Einholung von Rechtsrat gar nicht erst möglich, da T sofort handeln musste. Bei der Frage des Erkennenkönnens kann der zeitliche Aspekt aber nicht unberücksichtigt bleiben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kephan Steck

Kephan Steck

2.5.2023, 16:42:04

Ich habe Zweifel ob der Tatbestand der Sachbeschädigung am 🐕 wirklich erfüllt ist. Diese kann nur vorsätzlich begangen werden. So gibt der Sachverhalt Raum für Deutungen und Auslegungen. Es ist gerade nicht ersichtlich, dass die Verletzung/Beschädigung der Sache, durch T vorsätzlich begangen wurde. Zivilrechtliche Ansprüche bleiben unberührt. Sind also möglich aber eine andere Baustelle.

Carl Wagner

Carl Wagner

2.5.2023, 21:15:26

Vielen Dank für deine Anmerkung, Kephan Steck! Der Sachverhalt ist in der Tat eher dünn. In den Kurzfällen konzentrieren wir uns immer auf spezifische Probleme: Hier dem Irrtum über die Rechtmäßigkeit. Auch wenn der Sachverhalt eher dünn ist, halte ich zumindest einen dolus eventualis für gegeben. T wollte den Hund wegstoßen. Ausreichend ist, dass T den Erfolg der Sachbeschädigung für möglich hielt. Wer einen Hund "energisch" tritt, muss auch eine damit einhergehende Verletzung des Hundes für möglich halten. Daher hatte T zumindest dolus eventualis. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

22.5.2023, 00:55:23

Die Subsumtion zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums kommt mir sehr willkürlich vor. Ich nehme an, es geht letztlich um die Argumentation?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.8.2023, 09:32:13

Hallo DeliktusMaximus, in der Tat ist die Frage der Vermeidbarkeit letztlich eine Abwägungsentscheidung. Maßgebliches Mittel der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit sind kurz gesagt "Nachdenken und Erkundigen" (BGH 23.12.1

952

– 2 StR 612/52, BGHSt 4, 1 (5)). Bei schnellen Entscheidungen ist beides nur eingeschränkt möglich, was hier für die Unvermeidbarkeit spricht. Grundsätzlich lässt sich hier aber in der Tat auch das gegenteilige Ergebnis vertreten, wenn man die

Unverhältnismäßigkeit

des Handelns als völlig offensichtlich einstuft. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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