§ 28 StGB bei tatbezogenen Mordmerkmalen (2. Gruppe) – 2


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Lernplan SR Kleiner Schein (100%)
Lernplan SR Kleiner Schein (80%)
Lernplan SR Großer Schein (100%)
Lernplan Strafrecht BT: Nichtvermögensdelikte (100%)
Lernplan Examen - alle (100%)

T erschießt die nichtsahnende O, während diese schläft, mit einer Pistole. Die Pistole hat B ihm in Kenntnis der Art und Weise der geplanten Tatausführung besorgt.

Einordnung des Falls

§ 28 StGB bei tatbezogenen Mordmerkmalen (2. Gruppe) – 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat die O "heimtückisch" (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB) getötet.

Diese Rechtsfrage lösen 0,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Ja, in der Tat!

Das objektive Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt der Täter, der die Arg- und die darauf beruhende Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. O hat mit keinem Angriff auf ihr Leben beim Einschlafen gerechnet und nahm ihre Arglosigkeit mit in den Schlaf. Sie war infolgedessen auch in ihrer Verteidigungsfähigkeit stark eingeschränkt. Bei der Tötung der O handelte T zudem in feindseliger Willensrichtung und er nutzte die Arg- und Wehrlosigkeit der O bewusst für die Tötung aus.

2. Indem B dem T die Pistole besorgte, hat er sich wegen Beihilfe zum Mord (§§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 27 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Diese Rechtsfrage lösen 0,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Ja!

Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) setzt (1) eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, (2) eine taugliche Teilnehmerhandlung (Hilfeleistung) und (3) den "doppelten Teilnehmervorsatz" (bezüglich der Haupttat und der Hilfeleistung) voraus sowie (4) rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Hilfeleistenden. Im Mord des T an O ist die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat zu sehen. Zudem hat B zumindest die Haupttat erleichtert, indem er dem T die Tatwaffe besorgte. Auch ist vom Vorliegen des "doppelten Teilnehmervorsatzes" bei B auszugehen, denn er hatte Kenntnis über die Art und Weise der geplanten Tatausführung.

Jurafuchs kostenlos testen


/Q

/qwas

29.1.2024, 17:47:57

Ich fände es toll, wenn ihr hier die abweichende Ansicht der Literatur als Vertiefung erwähnen könnt. Das Verhältnis von Mord und Totschlag ist ja doch stark umstritten.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.1.2024, 09:47:08

Hallo /qwas, schau Dir hierzu gerne einmal das erste Problemfeld aus diesem Kapitel an, das sich explizit mit der Abgrenzung Mord & Totschlag auseinandersetzt und wann sich dieses bei der Teilnahmestrafbarkeit auswirkt. Da die Heimtücke ein tatbezogenes und kein personenbezogenes Merkmal (§ 28 StGB) ist, kommen sowohl Literatur als auch Rechtsprechung hier zur Beihilfe zum Mord. Die Rspr. prüft dies nur als eigenständigen Tatbestand (=§§ 211, 27 StGB), während die Literatur dies als Qualifikation des Totschlags prüft (=§§ 212 I, 211, 27 StGB). Auf das Ergebnis wirkt sich das unterschiedliche dogmatische Verständnis nicht aus. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024