Zuparken

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hat für seinen PKW einen Parkplatz gemietet und diesen als "privat" gekennzeichnet. B stellt dort seinen PKW ab. Als A kurz darauf mit seinem Auto ankommt, lässt er den Wagen des B umgehend abschleppen.

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Einordnung des Falls

Zuparken

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat sich Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) an dem Parkplatz des A verschafft.

Ja!

Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen (subjektives Element) getragene tatsächliche Sachherrschaft (objektives Element) über eine Sache. Tatsächliche Sachherrschaft setzt voraus, dass die Person eine realisierbare Möglichkeit zur Einwirkung auf die Sache hat.A hat keine tatsächliche Sachherrschaft über den Parkplatz. Er kann über den Gebrauch des bereits besetzten Parkplatzes nicht mehr bestimmen. Es handelt sich dabei nicht um eine bloße Besitzstörung, sondern um einen Besitzentzug. Da der Parkplatz ein Teil eines Grundstücks darstellt, ist der Entzug an § 859 Abs. 3 BGB zu messen.
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2. B handelte mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) ist jede widerrechtlich vorgenommene Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in der Ausübung seiner tatsächlichen Sachherrschaft. Widerrechtlich ist die Besitzbeeinträchtigung, wenn sie ohne den Willen des Besitzers erfolgt und gesetzlich nicht besonders gestattet ist. Die Beeinträchtigung kann in einer Sachentziehung oder in einer sonstigen Störung bestehen. Indem B seinen Wagen auf dem Parkplatz des A abstellte, hat er diesem ohne dessen Willen den Besitz an dem Parkplatz entzogen. Dies war auch nicht gesetzlich gestattet.

3. Die Unterscheidung zwischen Besitzwehr (§ 859 Abs. 1 BGB) und Besitzkehr (§ 859 Abs. 2, 3 BGB) ist nur deklaratorischer Natur.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 859 Abs. 1 BGB behandelt die Konstellation, in welcher der unmittelbare Besitz nur gestört, jedoch noch nicht entzogen ist (§ 858 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Wenn der Vorbesitzer sein Selbsthilferecht ausübt, spricht man dann von sog. Besitzwehr. § 859 Abs. 2, 3 BGB behandelt demgegenüber den Fall, in dem ein Besitzentzug (§ 858 Abs. 1 Alt. 1 BGB) bereits vorliegt. Übt der Vorbesitzer in diesem Fall sein Selbsthilferecht aus, handelt es sich um Besitzkehr Besitzkehr ist nur in einem engen zeitlichen Rahmen nach dem Besitzentzug zulässig, Besitzwehr jederzeit.

4. Als A den PKW abschleppen ließ, hat er die zeitlichen Grenzen der Besitzkehr (§ 859 Abs. 3 BGB) eingehalten.

Ja!

Die Voraussetzungen für die Selbsthilfe des vorherigen unmittelbaren Besitzers (§ 859 Abs. 3 BGB) sind: (1) vorheriger unmittelbarer Besitz oder Besitzdienerschaft, (2) verbotene Eigenmacht des Täters, (3) sofortige Wiederbemächtigung durch den vorherigen Besitzer, und (4) Verhältnismäßigkeit der Gewaltanwendung.A hatte unmittelbaren Besitz, den B mit verbotener Eigenmacht entzog. Das Merkmal „sofort“ ist zeitlich nicht genau definiert. Es genügt eine so schnelle Aktion, wie sie nach objektiven Maßstäben erwartet werden kann. Der enge zeitliche Zusammenhang ist gegeben. A handelte unmittelbar.

5. Das sofortige Abschleppen war verhältnismäßig.

Genau, so ist das!

Die Gewaltanwendung ist verhältnismäßig (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 859 BGB), wenn keine milderen, gleich erfolgversprechenden Mittel existieren. Anders als im Rahmen des Notstands (§ 228 BGB) ist eine Güterabwägung nicht erforderlich.Hier sind keine milderen, gleich geeigneten Mittel ersichtlich, um A wieder Besitz an dem Parkplatz zu verschaffen. Insbesondere war B nicht auffindbar.

6. Indem A das Auto abschleppen ließ, hat er eine rechtswidrige Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB begangen, die ihn zum Schadensersatz verpflichtet.

Nein, das trifft nicht zu!

Indem A das Auto abschleppen ließ, hat er durch Sachentzug in das Eigentum des B eingegriffen. Die Eigentumsverletzung war aber nicht rechtswidrig. A ist nach § 859 Abs. 3 BGB gerechtfertigt. Der berechtigte Besitz ist durch § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

15.1.2020, 20:35:51

Die Frage bzgl. ob Besitzkehr noch zeitig war ist m. E. zu verneinen, da sich das Tatbestandsmerkmal “sofort” in § 859 Abs. 3 BGB nicht nach der Kenntniserlangung des (früheren) Besitzers (A) sondern nach obj. Merkmalen richtet. Beim Parken gilt als “sofort” z. T. nur die nachfolgenden 7 Stunden, z. T. noch der nachfolgende Tag. Dem Sachverhalt ist aber nicht zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt nach Abstellen des Pkw. A den Pkw. abschleppen ließ.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

20.3.2020, 21:15:45

Zum eine gibt es bei der Vestimmung des Merkmals sofort unterschiedliche Ansichten. Zum anderen ist dann die Frage der Beweislast, ob die behaupteten sieben Stunden eingehalten sind.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

20.3.2020, 22:36:31

@Quorbox, der Aspekt mit der Beweislast hört sich sehr interessant an; er wird mir aber aus Ihrem Kommentar noch nicht ganz ersichtlich. Könnten Sie das ein bisschen näher ausführen?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

22.1.2021, 23:12:24

Haben den Sachverhalt insoweit klargestellt!

JAS

Jasmin

19.5.2020, 13:45:33

Angenommen sie Parklücke besteht noch ist aber zugeparkt, sodass der Zugang dazu von einem PKW gesperrt wird. Wäre dies als "Störung" isd

besitzwehr

zu subsumieren?

GEL

gelöscht

25.5.2020, 08:25:31

Ich denke, hier kann man das unter Besitzstörung subsumieren und käme mE zum gleichen Ergebnis. Ob er da drauf steht oder nur die Lücke zuparkt - am Ende ist der Besitz nicht uneingeschränkt für A zugänglich.

Viktoria_K

Viktoria_K

20.12.2020, 08:53:15

Ist ein Abschleppen grundsätzlich verhältnismäßig? Man hätte ja auch erst einen Zettel hinterlassen können. Außerdem steht im SV nicht, dass B nicht auffindbar ist. Wenn jemand nur kurz einen Einkauf tätigt, ist ein Abschleppen mM nicht verhältnismäßig.

t o m m y

t o m m y

20.12.2020, 09:52:14

der privatmann A ist nicht an den verhaeltnismaessigkeitsgrds gebunden, und wenn im sv nicht angegeben ist, dass der b um die ecke steht, dann ist er nicht sofort auffindbar. nach stRspr der verwaltungsgerichte (das ist aber was anderes!) ist bei verbotswidrigem abstellen nur sehr ausnahmsweise ein abschleppen unverhaeltnissmaessig.

TJU

Tr(u)mpeltier junior

25.12.2020, 01:02:56

Wie Tommy richtig einwendet, ist die Rechtsprechung knallhart und zwar nicht nur bei privaten, die nicht dem verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegen, sondern zB auch beim Handeln des ordnungsamtes. Ein beliebter Klassiker ist hier der vermeintliche abschleppschutz durch das hinterlassen der Telefonnummer in der Windschutzscheibe. Selbst hier wird idR angenommen, dass das abschleppen noch verhältnismäßig ist, da aus dem Zettel regelmäßig nicht hervorgeht, dass der Fahrer nur kurz um die Ecke ist (anders nur, wenn man dies explizit drauf schreibt). Insofern kann falsch parken gleich ordentlich teuer werden

JEAN

Jean-Pierre

22.1.2021, 22:43:53

Über § 242 kann eine Grundrechtsabwägung erfolgen. Die Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit wäre hier aber nicht zu prüfen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

22.1.2021, 23:08:53

Hallo zusammen,

§ 859 BGB

(

Besitzwehr

und Besitzkehr) regeln Fälle der Selbsthilfe, also die Durchsetzung eines Rechts durch eigene (nichtstaatliche) Mittel. Nach ganz hM ist in die Norm als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Verhältnismäßigkeit der Gewaltausübung hineinzulesen. Allerdings wird man hier wohl nicht zu einer

Unverhältnismäßigkeit

des Abschleppens kommen, der A hat seinen Parkplatz als Privatparkplatz gekennzeichnet. B hat dennoch darauf geparkt. Allenfalls könnte man vor dem Anruf eines Abschleppdiensts noch eine kurze Umschau (analog zum Verwaltugnsrecht bei der Wahrnehmung von Halteverbotszeichen) erwarten, falls die B schon wieder in der Nähe ihres Autos ist. Da, A aber sonst nicht seinen Parkplatz nutzen kann, wäre ein Abschleppen im Übrigen verhältnismäßig. LG ;)

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

9.1.2024, 17:09:00

Wie würde die AGL lauten um sich die Abschleppkosten von demjenigen, der abgeschleppt wurden, zurück zu holen?

HAN

hannacaz

18.1.2024, 15:28:40

Aus GoA gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

Sandra-

Sandra-

30.9.2024, 13:45:54

Hallo :-), soweit ich weiß, kann man sich nicht nur über die GoA die Abschleppkosten zurückholen, sondern auch über §

823 II BGB

iVm § 858 I BGB (als

Schutzgesetz

). Über §

823 II BGB

kann man auch (anders als bei § 823 I BGB) Vermögensschäden (also die Abschleppkosten) ersetzen. Da der Besitz auch als "

sonstiges Recht

" geschützt wird, müsste das ebenfalls eine geeignete Anspruchsgrundlage sein. :-)

JEAN

Jean-Pierre

22.1.2021, 22:49:23

Die Unterscheidung von Besitzkehr und -kehr führt mich nicht weiter. Die Norm d § 862 ist doch ganz klar aufgebaut und nennt die verboten

Eigenmacht

als TBM. Und da die Entziehung ein Merkmal der verboten

Eigenmacht

ist, ist es auch falsch, zu sagen, dass 862 l sich nicht auf die Entziehung bezieht. 862 I ist Lex Specialist und daher ein Spezialfall.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

22.1.2021, 22:59:08

Hallo Jean-Pierre, soweit ich das sehe, gehen wir hier gar nicht auf § 862 Abs. 1 BGB ein, da dies ein Anspruch des

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

22.1.2021, 23:01:38

Besitzers gehen den Störer darstellt. Hier macht A aber keine Ansprüche gegen B geltend, sondern er erwehrt sich der verbotenen

Eigenmacht

mit Gewalt (Besitzkehr, § 859 Abs. 3 BGB). Die Abgrenzung erfolgt zur

Besitzwehr

(§ 859 Abs. 1 BGB), die die Abwendung von verbotener

Eigenmacht

umfasst, indem dem Besitzer nicht der Besitz entzogen wird (§ 858 Abs. 1 Alt. 1 BGB), sondern der Besitz nur gestört wird (§ 858 Abs. 1 Alt. 2 BGB) LG ;)

JEAN

Jean-Pierre

23.1.2021, 07:36:10

Ich meinte natürlich 859 und meine Autokorrektur hat aus meiner Wehr eine Kehr gemacht. Am Handy schreiben ist ..., sry!

WH

Whiskey

13.6.2022, 22:26:51

Müsste man hier nicht auch die Grundstückseigenschaft eines gemieteten Parkplatzes diskutieren, wenn man ein Grundstück definiert als "klar umgesetzten Bereich der Erdoberfläche, der im Grundbuch unter einer eigenen BV-Nr. vorgetragen ist"? Und steht dieser Anspruch dann sowohl dem mittelbaren Besitzer (Eigentümer) als auch dem unmittelbaren Besitzer (Mieter) zu? Besten Dank vorab.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.6.2022, 19:52:51

Hallo Whiskey, in der Tat ist es in diesem Kontext präziser, den Parkplatz hier lediglich als Teil eines Grundstücks zu bezeichnen. Denn eine eigenständige Eintragung ins Grundbuch wird sicher nicht vorliegen. Dem mittelbaren Besitzer stehen nach dem Verweis in § 869 BGB die Gewaltrechte des

§ 859 BGB

nicht zu. Zwar will ein Teil der L

ehre

die Gewaltrechte auch auf den mittelbaren Besitzer anwenden, die herrschende Meinung lehnt dies indes aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes, der Entstehungsgeschichte (Gesetzesmaterialien) und der Systematik ab (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 869 Rn. 7 mwN). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I

I

15.3.2024, 00:06:40

Weil es hier gut in den Kontext passt: Auch der berechtigte Besitzer einer Sache geniesst den Schutz des 823 Abs. 1 BGB (ggf. Verletzung eines sonstigen Rechts mit entspr. Schadensersatzanspruch)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

15.3.2024, 11:18:43

Hallo I, danke dir! Stimmt absolut :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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