Zivilrecht
Sachenrecht
Der Besitzschutz
Besitzer eilt Räuber nach und schlägt ihm so lange auf den Kopf, bis dieser die geklaute Tasche fallen lässt (Besitzkehr, § 859 Abs. 2 BGB)
Besitzer eilt Räuber nach und schlägt ihm so lange auf den Kopf, bis dieser die geklaute Tasche fallen lässt (Besitzkehr, § 859 Abs. 2 BGB)
7. April 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (47.801 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D entreißt dem A seine Tasche und rennt damit davon. A eilt D nach und schlägt ihm mit seinem Schirm so lange auf den Kopf, bis D die Tasche fallen lässt.
Diesen Fall lösen 92,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Besitzer eilt Räuber nach und schlägt ihm so lange auf den Kopf, bis dieser die geklaute Tasche fallen lässt (Besitzkehr, § 859 Abs. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat den unmittelbaren Besitz an seiner Tasche verloren, als D sie ihm weggerissen hat.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. D hat dem A den Besitz an der Tasche durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) entzogen.
Genau, so ist das!
3. D war "auf frischer Tat verfolgter Täter" (§ 859 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
4. A durfte D auf den Kopf schlagen, um sich wieder in den Besitz der Tasche zu versetzen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Foxy
30.10.2019, 21:54:45
Bei den
Tatbestandsmerkmalen des § 859 wird hier die Verhältnismäßigkeit der Gewalteiwirkung als
Tatbestandsmerkmalaufgeführt. Davon steht aber nichts im Gesetz. Mich würde interessieren wo Sie das reinlesen.

Christian Leupold-Wendling
5.11.2019, 14:24:49
Hi Foxy, gute Frage! Wellenhofer (Sachenrecht, 33.A., 2018, § 5 RdNr. 7): "Die Verhältnismäßigkeit wird von der überwiegenden Meinung als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmalbegriffen (Palandt/Herrler BGB § 859 Rn. 2). Art und Ausmaß der Gewalt müssen im Verhältnis zum verteidigten Rechtsgut angemessen sein. Wenn dies bei
Notwehrgilt (vgl. § 227 II, "Verteidigung, welche erforderlich ist"), gibt es keinen Grund, bei § 859 andere Maßstäbe anzulegen."

Käpt'n Jeck
10.1.2020, 10:52:40
Lesenwert zu § 859 III BGB und der Frage nach der Verhältnismäßigkeit ist auch BGHZ 181, 233.
🦊LEXDEROGANS
16.1.2020, 09:07:40
Es wäre ja doch (zmd. m E.) etwas merkwürdig, wenn man sagen würde, es sei rechtens, dass der (frühere) B
esitzer einer Parkfläche (um sich dieser wieder zu bemächtigen) das darauf falsch abgestellte Fahrzeug eines anderen zertrümmern dürfe, um die Einzelteile anschließend von einem Entsorgungsunternehmen entfernen zu lassen.
Jonas Sauer
1.2.2020, 23:31:23
Aber in der Lösung steht doch, dass 859 anders als 227 keine Güterabwägung kennt oder verstehe ich da etwas falsch?

デニス
16.7.2020, 12:18:43
Jonas, Güterabwägung ist ein „Unterpunkt“ in einer VHM-Prüfung. Wenn man so will, ist hier eben lediglich „Erforderlichkeit“ zu prüfen.
dC20
24.10.2020, 15:32:40
Ich verstehe nicht so recht, warum Schläge gegen den Kopf in dem Fall, dass eine Tasche gestohlen wird, verhältnismäßig sind?! Im Strafrecht geht man m. E. davon aus, dass Schläge gegen den Kopf in der Regel sogar lebensbedrohlich sind. Also wiegt hier der B
esitz an der Tasche mehr als das Leben des D?!

Real Thomas Fischer Fake 🐳
24.10.2020, 18:19:28
Wie in der Lösung beschrieben findet hier keine Güterabwägung statt, nur eine Erforderlichkeitsprüfung. Anknüpfen könnte man hier nur noch an eine Art "
Gebotenheit" wie man sie aus dem Strafrecht im Rahmen von 32 StGB kennt. Ein so krasses Missverhältnis hier anzunehmen entspricht nicht meiner Meinung, ist aber wohl vertretbar, da Einwirkungen gegen den Kopf mit einem Stock/Regenschirm tatsächlich sehr gefährlich sind.

Isabell
26.11.2020, 19:30:17
Aber eher nicht mit einem Regenschirm. Die Krafteinwirkung damit ist eine geringere als bspw. mit der Faust.

Real Thomas Fischer Fake 🐳
26.11.2020, 20:35:27
@Isa Bell - Beim Referendariat gelernt? 🙃

Isabell
26.11.2020, 20:38:22
Nein. Ich hatte nur schon öfter einen Schirm in der Hand und halte die Konstruktion nicht für geeignet um als Schlagwerkzeug lebensbedrohliche Verletzungen zu verursachen. Also meine ganz ureigene Meinung dazu 😅

Real Thomas Fischer Fake 🐳
26.11.2020, 20:41:24
Ich glaube es gibt viele verschiedene Regenschirmmodelle. Wenn ich mir meine aber so betrachte dann muss ich auch sagen, dass die Teile nicht zur Tötung geeignet sind 😁 Bleibt wohl bei der Vertretbarkeit.
MasterK
9.11.2020, 08:01:01
Ist denn die
Notwehrnach 227 bbg äquivalent zu der nach 32 stgb? Denn wenn ich mich recht erinnere, findet bei 32 stgb auch keine güterabwägung statt?
dC20
9.11.2020, 08:27:48
Gute Frage...🤔 Im Ergebnis ist es aber sicher eine Frage der Erforderlichkeit und ob im Rahmen dieser - in diesem Fall - das mildeste Mittel gewählt wurde scheint mir trotzdem fraglich...

Lukas_Mengestu
27.7.2021, 14:20:53
Hallo ihr beiden, der Verweis war hier in der Tat nicht korrekt. Auch bei der
Notwehrnach § 227 BGB erfolgt grundsätzlich keine Güterabwägung. Hier werden - wie im Strafrecht - im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung lediglich gänzlich unverhältnismäßige Maßnahmen aussortiert. Wir haben den Fall entsprechend überarbeitet. Danke euch und beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
§a§cha
8.6.2022, 11:47:02
Ich würde wie bei der
Notwehrim Strafrecht erst die Geeignetheit, dann die Erforderlichkeit und zuletzt die „
Gebotenheit“ der Abwehrhandlung prüfen, gerade um deutlich zu machen, dass es beim letzten Punkt nicht mehr nur um das mildeste Mittel geht (Erforderlichkeit), sondern um die sozial-ethische Korrektur bei krassen Missverhältnissen. Die Bezeichnung des gesamten Prüfungspunktes als „Verhältnismäßigkeit“ finde ich daher auch falsch.
benjaminmeister
23.2.2025, 19:44:28
"A hat den unmittelbaren B
esitz an seiner Tasche verloren, als D sie ihm weggerissen hat." Wenn der Dieb bereits weggelaufen ist/sich entfernt hat, verliert A den unmittelbaren B
esitz. Wenn man aber nur - wie in der ersten Frage - danach fragt, ob der unmittelbare B
esitz an der Tasche schon durch das Wegreissen verloren wurde, dann ist das mMn. nicht so eindeutig zu bejahen. MMn. ist das mit dem JF-Fahrraddieb-Fall vergleichbar. Das bloße Aufsteigen auf das Fahrrad wird da noch nicht als Verlust des unmittelbaren B
esitzes angesehen. In der Sekunde nach dem Wegreissen sehe ich noch nicht wie A vollständig die Möglichkeit verloren hat, auf die Sache einzuwirken. Da auch im Antworttext auf das Weglaufen abgestellt wird, sollte man hier vielleicht die Frage noch mit "und weggelaufen ist." ergänzen.