Gebrauch bei Verwendung einer Fotokopie 1

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Referendarin T ist durch die zweite juristische Staatsprüfung gefallen. Sie hat nun genug von der juristischen Ausbildung und erstellt sich ein Examenszeugnis mit 14 Punkten. Davon erstellt sie eine Kopie, die sie zu Bewerbungszwecken an eine namhafte Großkanzlei schickt.

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Einordnung des Falls

Gebrauch bei Verwendung einer Fotokopie 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sowohl das angefertigte Zeugnis mit 14 Punkten als auch dessen Kopie stellen unechte Urkunden dar (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Urkunde ist unecht, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht (hM., Geistigkeitstheorie). Grundsätzlich stellen Fotokopien keine Urkunden dar. T hat zwar eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB), indem sie das Zeugnis mit 14 Punkten angefertigt, jedoch hat die Kopie dieses Zeugnisses keine Urkundenqualität.Aus dem Sachverhalt ist auch nicht ersichtlich, dass die Kopie ausnahmsweise Urkundenqualität hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Kopie als solche nicht erkennbar ist.
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2. Der Rechtsprechung zufolge genügt für das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde die Verwendung einer Fotokopie.

Ja, in der Tat!

Eine unechte oder verfälschte Urkunde wird gebraucht, wenn sie demjenigen, der durch sie getäuscht werden soll, so zugänglich gemacht wird, dass dieser die Möglichkeit hat, die Urkunde wahrzunehmen.Der Rechtsprechung zufolge kann von einer unechten oder verfälschten Urkunde auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn nicht sie selbst, sondern eine Fotokopie oder sonstige Abbildung von ihr verwendet wird. Durch die Verwendung einer Fotokopie wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht. Eine solch weite Auslegung des Begriffs des Gebrauchens sei im Zeitalter der Digitalisierung erforderlicher denn je, um Strafbarkeitslücken zu schließen.

3. Diese Auffassung wird in der Literatur einhellig begrüßt.

Nein!

In der Literatur wird die Auffassung der Rechtsprechung vielfach kritisiert: Von einem Gebrauchen könne nur dann gesprochen werden, wenn dem Täuschungsadressat das Falsifikat unmittelbar zur optischen Wahrnehmung zugänglich gemacht wird. Eine mittelbare Wahrnehmung reiche gerade nicht aus. Bei der Verwendung einer Fotokopie handele es sich nicht um ein Gebrauchmachen der Urkunde selbst, sondern vielmehr um die Täuschung über das Vorhandensein einer Urkunde. Damit dehne die Rechtsprechung den Schutzzweck des § 267 StGB auf das Vertrauen in das Vorhandensein eines Originals aus.

4. Indem T die Kopie des Zeugnisses zu Bewerbungszwecken an eine Großkanzlei schickt, hat sie nach der Rechtsprechung eine unechte Urkunde gebraucht. (§ 267 Abs. 1 Var. 3 StGB).

Genau, so ist das!

Der Rechtsprechung zufolge kann von einer unechten oder verfälschten Urkunde auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn nicht sie selbst, sondern eine Fotokopie oder sonstige Abbildung von ihr verwendet wird. Durch die Verwendung einer Fotokopie wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht.T hat der Kanzlei zwar nicht unmittelbar die unechte Urkunde zugänglich gemacht, jedoch hat sie Gebrauch von dieser Urkunde gemacht, indem sie durch die Verwendung der Fotokopie die sinnliche Wahrnehmung des gefälschten Zeugnisses mittelbar ermöglicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

15.9.2023, 14:48:31

Diese Kopie muss aber täuschend echt aussehen, oder? sonst versteh ich den Unterschied zum späteren Fall nicht, wo die Kopie mangels echtaussehen nicht dem § 267 I Var. 3 StGB unterfällt

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.9.2023, 17:43:48

Hallo StellaChiara, hier musst Du zwischen den Varianten unterscheiden. Liegt eine täuschend echte Kopie vor, dann hat die Täterin eine Urkunde hergestellt, ist dagegen offensichtlich ersichtlich, dass es eine Kopie ist, dann liegt keine Herstellung vor. Für das GEBRAUCHEN ist nach der Rechtsprechung nicht auf die Kopie, sondern auf das zugrundeliegende Original abzustellen. Wenn dieses wie hier Urkundenqualität hat, dann ist auch das Gebrauchen einer Kopie davon ein (mittelbares) Gebrauchen dieser Urkunde. Hat dagegen das Original selbst auch keine Urkundenqualität, dann fehlt es an dem Gebrauch einer Urkunde (Folgefall). Ich hoffe, jetzt ist es etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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