Beibringung von Gift und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Stoffe des täglichen Bedarfs; "Salzpuddingfall")


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Die vierjährige O salzt versehentlich ihren Pudding mit 32 Gramm Kochsalz. Stiefmutter T erkennt dies und zwingt O zur Erziehung und Bestrafung, den Pudding vollständig auszulöffeln. T nimmt billigend in Kauf, dass es zu einer Magenverstimmung kommt. O erleidet Übelkeit und starke Schmerzen.

Einordnung des Falls

Beibringung von Gift und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Stoffe des täglichen Bedarfs; "Salzpuddingfall")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T die O gezwungen hat, den versalzenen Pudding zu essen, hat T den objektiven Tatbestand der einfachen Körperverletzung erfüllt (§ 223 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Unter die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) fallen die körperliche Misshandlung (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB) und die Gesundheitsschädigung (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB). Nachdem O den Pudding gegessen hat, erlitt sie starke Schmerzen und Übelkeit. Dies stellt eine üble und unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt (körperliche Misshandlung). Auch kommt es bei O zu einem vom Normalzustand negativ abweichenden (pathologischen) Zustand (Gesundheitsschädigung).

2. Die 32 Gramm Kochsalz stellen Gift (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) dar.

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Ja!

Gift meint jeden organischen oder anorganischen Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit schädigen kann. Der Giftbegriff wird weit verstanden. Zur Einschränkung muss das Gift aber auch gesundheitsschädlich sein, also unter den konkreten Bedingungen geeignet sein, die Gesundheit erheblich zu schädigen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Dosierung an. Auch an sich unschädliche Stoffe des täglichen Bedarfs seien davon erfasst, wenn ihre Beibringung im Einzelfall mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung verbunden sei. Das Kochsalz in entsprechend hoher Dosierung bei einem Kleinkind führt zu starken Magenschmerzen und Übelkeit und stellt mithin ein Gift dar.

3. T hat O das Kochsalz auch nach h.M. "beigebracht" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB)

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Genau, so ist das!

Beibringen meint, dass der Stoff mit dem Körper so in Verbindung gebracht wird, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann. Nach h.M. ist es irrelevant, ob der Stoff seine Wirkung von außen oder innen entfaltet.Das Kochsalz entfaltet seine schädliche Wirkung im Körperinneren.

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