Irrtum über das erledigende Ereignis

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K klagt gegen B auf Zahlung. Nachdem auf dem Konto der K eine Zahlung eingegangen ist, erklären die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Später stellt K fest, dass sie sich geirrt hat und die Zahlung nicht von B, sondern von D stammte.

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Einordnung des Falls

Irrtum über das erledigende Ereignis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann K ihre Erledigungserklärung wegen des Irrtums anfechten (§ 119 BGB)?

Nein!

Die Erledigungserklärung kann nicht angefochten werden, weil sie eine Prozesshandlung ist.
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2. Kann K ihre Erledigungserklärung wegen des Irrtums widerrufen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so ist diese Erklärung grundsätzlich frei widerruflich, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen und das Gericht noch keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Kläger von der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung noch Abstand nehmen und zu seinem ursprünglichen Klageantrag zurückkehren. Da B sich der Erledigungserklärung der K bereits angeschlossen hat und die Parteien somit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, kann K ihre Erklärung nicht mehr widerrufen.

3. Kann K den Betrag trotz der übereinstimmenden Erledigungserklärung erneut einklagen?

Ja, in der Tat!

Da der Beschluss nach § 91a ZPO sich nur mit den Kosten befasst, entfaltet der Beschluss keinerlei materielle Rechtskraft. Denn das Gericht hat nicht über den Anspruch entschieden. Es wird aber diskutiert, ob die Rechtsnatur der übereinstimmenden Erledigung der erneuten Klageerhebung entgegensteht: (1) Sofern man die übereinstimmende Erledigung als privilegierte Klagerücknahme erfasst, kann jedenfalls neu geklagt werden. (2) Sofern man sie hingegen als eine Art Klageverzicht einordnet, wäre eine neue Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, da es sich bei der übereinstimmenden Erledigung nicht um eine Vereinbarung handelt, sondern um ein Rechtsinstitut eigener Art. Eine erneute Klageerhebung durch K ist somit möglich. Nur in Ausnahmefällen kann eine neue Klage nach § 242 BGB wegen Treuwidrigkeit unzulässig sein.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Teddy

Teddy

23.4.2024, 16:20:58

Vertiefend könnte ergänzt werden, dass sich Prozesshandlungen allgemein ihrer Wirkung nach in „Erwirkungshandlungen“ und „Bewirkungshandlungen“ unterteilen lassen. Bewirkungshandlungen ändern die prozessuale Lage unmittelbar; Erwirkungshandlungen benötigen noch ein Tätigwerden des Gerichts. Bewirkungshandlungen sind nur in seltenen Fällen widerruflich; Erwirkungshandlungen sind dagegen grundsätzlich widerruflich. ✨

ALE

Aleks_is_Y

2.5.2024, 18:10:48

Ist die Erledigungserklärung dann eine ER- oder eine BEwirkungshandlung?


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