+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte D überreden, einen Auftragskiller anzuwerben, um O zu töten. Dabei soll zwischen dem Auftragskiller und T kein Kontakt stattfinden. D lehnt ab.

Einordnung des Falls

Bei versuchter Anstiftung 6.2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die versuchte Anstiftung zum Totschlag ist strafbar.

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Ja, in der Tat!

Die versuchte Anstiftung ist nur strafbar, wenn versucht wird zu einem Verbrechen anzustiften. Eine versuchte Anstiftung (§ 30 Abs. 1 S. 1 StGB) liegt dann vor, wenn der Anzustiftende keinen Tatentschluss fasst, den Tatentschluss nicht ausführt oder bereits vorher zur Tat entschlossen war. Totschlag ist ein Verbrechen und daher ist die Anstiftung bereits im Versuch strafbar (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. T hat jedoch nicht zum Totschlag, sondern zu einer weiteren Anstiftung anzustiften versucht.

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Ja!

T hat nicht versucht D zu überreden, einen Totschlag zu begehen. Er hat vielmehr versucht D zu überreden, eine dritte Person zu einem Totschlag anzustiften. Es handelt sich dabei um eine Kettenanstiftung.

3. Der Versuch einer Kettenanstiftung ist nach dem Gesetzeswortlaut ebenfalls strafbar.

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Genau, so ist das!

Bestraft wird, wer einen anderen anzustiften versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu einem solchen anzustiften (§ 30 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB). Hier findet sich daher auch der Versuch der Anstiftung zu einer weiteren Anstiftung, welcher gleichermaßen bestraft wird. Dabei muss die Tat, die am Ende stehen soll, ein Verbrechen sein. Erfasst ist dabei die fehlgeschlagene Anstiftung zur Anstiftung, wenn T also schon den D nicht überzeugen könnte. Erfasst ist aber auch die erfolgreiche Anstiftung zur versuchten Anstiftung, wenn T den D also überzeugt hat, aber D mit der Anstiftung zur Tat scheitert.

4. Eine Literaturauffassung lehnt eine Strafbarkeit als rechtsstaatsfeindlich und damit verfassungswidrig ab.

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Ja, in der Tat!

Eine Ansicht in der Literatur sieht eine Strafbarkeit als verfassungswidrig. In den Fällen, in denen der Täter bereits mit der Anstiftungshandlung selbst scheitert und damit das Geschehen nicht aus der Hand gebe, entstehe keine Gefahr für das geschützte Rechtsgut. Der Täter begeht kein Unrecht. Vielmehr wirkt der Tatbestand wie eine reine Prävention für zukünftiges Unrecht; in Betracht kommt dann, falls die Norm aufrechterhalten werden soll, eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend in Betracht, dass die vorliegende Fallgestaltung aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen wird. Diese Auffassung wird jedoch von der herrschenden Meinung und dem BGH abgelehnt.

5. T hatte „Tatentschluss“, eine Anstiftung zur Anstiftung zum Totschlag zu begehen.

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Ja!

Es gelten die Maßstäbe, die auch sonst für den Versuch gelten. T war entschlossen den D anzustiften, eine Anstiftung zum Totschlag zu begehen. Er hatte Vorsatz in Bezug darauf, dass D zum Totschlag anstiftet, und auch darauf, dass er selbst den entscheidenden Impuls setzt, ihn also anstiftet. Der doppelte Anstiftervorsatz lag daher vor. Wobei vorliegend wohl eher von einem dreifachen Anstiftervorsatz die Rede sein kann. Zum einen in Bezug auf die eigene Anstiftung, dann in Bezug auf die Anstiftung des D und in Bezug auf die Haupttat.

6. T hat zur Anstiftung „unmittelbar angesetzt“.

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Genau, so ist das!

Das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Auch bei der versuchten Anstiftung gelten die allgemeinen Maßstäbe des Versuchsbeginns entsprechend. Im Detail wird selbstverständlich über Einzelfragen gestritten. Es kommt insbesondere nicht auf den Versuch der Haupttat an, denn dann liegt eine vollendete Anstiftung vor. Die Frage ist lediglich, ob der Anstifter zur Anstiftung selbst unmittelbar angesetzt hat. T hat alles nach seiner Vorstellung Erforderliche getan. Der Versuch ist jedoch fehlgeschlagen, da es nie zu einer Anstiftung durch den D gekommen ist. Ein unmittelbares Ansetzen liegt daher vor.

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🔥1

🔥1312🔥

14.6.2021, 12:25:29

Ich hätte es gut gefunden, wenn bei der Frage zur verfassungswidrigkeit der Anwendung des § 30 StGB auf die Fälle der kettenanstiftung, bei denen bereits die erste Anstiftung scheitert, noch einige Gegenargumente in der Antwort wären, damit man das in einer Klausur auch gut als kleinen Streit darstellen kann.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.6.2021, 12:08:10

Hallo jolojo, auch wenn ich grundsätzlich absolut bei Dir bin, dass man die herrschende Auffassung nicht ungeprüft übernehmen sollte, würde ich Dir in diesem Fall davon abraten in einer Klausur einen Streit aufzumachen. Die Norm ist seit 1.1.1975 geltendes Recht und hat letztlich die frühere Rechtsprechung des BGH (vgl. zum damaligen § 49a StGB: BGH, Urt. v. 27.01.1955 - StE 22/54 = BGHSt 7, 234) kodifiziert. Das Kernargument der Literatur mit dem die Verfassungswidrigkeit der Strafbarkeit der lediglich versuchten Anstiftung zur Anstiftung begründet wird, ist ja letztlich, dass die tatsächliche Rechtsgutsverletzung zu weit nach vorne verlagert wird und keine Rechtsgutsgefährdung eintritt. Dies ist dem Strafrecht aber nicht gänzlich fremd. So steht zum Beispiel auch der untaugliche Versuch unter Strafe. Um eine allzu ausufernde Strafbarkeit zu vermeiden, wird bei den frühen Gliedern einer Anstiftungskette aber besonders sorgfältig zu subsumieren sein, inwiefern ihre Handlung bereits die Anforderungen, die man an das Bestimmen iSv § 26 StGB anlegt, einhält (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 4. A., § 30 Rn. 41). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Saskia O

Saskia O

16.2.2023, 10:24:12

„T möchte D überreden“ - woran erkenne ich hier, dass er tatsächlich schon unmittelbar angesetzt hat?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.2.2023, 10:49:21

Hallo Saskia O, danke für deine Frage. Da aus dem Sachverhalt hervorgeht, dass D abgelehnt hat, muss man davon ausgehen, dass T bereits begonnen hatte sein Gegenüber zu überreden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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