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Klassisches Klausurproblem

Nach der Kanzleiweihnachtsfeier fährt der betrunkene aber sparsame Senior-Partner S nicht mit dem Taxi, sondern mit dem eigenen Auto nach Hause. Polizist P (Ermittlungsperson der StA) sieht, wie S über längere Zeit Schlangenlinien fährt und hält ihn an. Als er S lallen hört, bringt er ihn mit dessen Zustimmung zur Wache, kann aber keinen Richter erreichen.

Einordnung des Falls

§ 81a – Trunkenheitsfahrt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ermächtigungsgrundlage für eine Blutprobenentnahme ist § 81a StPO.

Ja, in der Tat!

§ 81a StPO regelt die körperliche Untersuchung des Beschuldigten. Durch einfache körperliche Untersuchungen sollen körperliche Beschaffenheiten oder Funktionen festgestellt werden (§ 81a Abs. 1 S. 1 StPO). Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe die von einem Arzt vorgenommen werden, fallen unter § 81a Abs. 1 S. 2 StPO. Rechtsgrundlage für die Blutprobenentnahme ist daher § 81a Abs. 1 S. 2 StPO.

2. Ein Richter muss die Blutprobenentnahme des S anordnen.

Nein!

Grundsätzlich ist der Richter anordnungsbefugt, bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 81a Abs. 2 S. 1 StPO). Es bedarf jedoch keiner richterlichen Anordnung für Blutprobenentnahmen bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 316 StGB). In diesen Fällen liegt die Befugnis zur Anordnung einer Blutprobenentnahme generell bei der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen. Es besteht der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt des S, sodass die allgemeine Anordnungsbefugnis nicht beim Richter, sondern bei der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen liegt (§ 81a Abs. 2 S. 2 StPO).

3. P dürfte selbst das Blut entnehmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Körperliche Eingriffe dürfen nur durch einen Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden (§ 81a Abs. 1 S. 2 StPO). Ein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten darf dabei nicht zu befürchten sein.

4. Die Feststellung der Blutalkoholkonzentration ist ein zulässiger Untersuchungszweck.

Ja, in der Tat!

Untersuchungszweck ist ausschließlich die Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind (§ 81a Abs. 1 S. 1 StPO). Darunter fällt nicht nur die körperliche Beschaffenheit des Beschuldigten. Verfahrenserheblich sind u.a. auch die Fragen, ob überhaupt eine Straftat vorliegt oder ob rechtswidrig und schuldhaft gehandelt wurde. Die Feststellung der Blutalkoholkonzentration ist erheblich für die Feststellung der Straftat selbst und die Schuldfähigkeit des S.

5. Auf Grundlage des § 81a Abs. 1 StPO wäre S auch verpflichtet, einen Atemalkoholtest zu machen.

Nein!

Bei Zwangsmitteln gilt der Grundsatz, dass für den Beschuldigten keine Pflicht besteht, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG, nemo tenetur). Er muss die Ermittlungen nicht durch aktives Verhalten fördern, wohl aber die Maßnahme passiv dulden. Aufgrund der notwendigen Mitwirkung des Beschuldigten ist das Blasen in das Prüfröhrchen beim Alkoholtest keine nach § 81a StPO erzwingbare Untersuchung. Der Beschuldigte kann dies nur freiwillig tun. Hinsichtlich der Freiwilligkeit muss der Beschuldigte besonders belehrt werden, dass er zu dieser Maßnahme nicht verpflichtet ist. T wäre nicht aktiv zum Atemalkoholtest verpflichtet.

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TJU

Tr(u)mpeltier junior

5.1.2021, 16:02:51

Da viele Lösungsskizzen etwas älterer Natur sind, sei der Hinweis erlaubt, dass der Entfall der Pflicht zur richterlichen Anordnung bei Blutentnahmen erst mit der StPO Reform 2018 Einzug ins Gesetz gehalten hat. Die Rechtsprechung hat aber auch früher die fehlende richterliche Anordnung jedenfalls nicht als derart beachtlich gehalten, dass hieraus ein verwertumgsverbot resultiert (geringe eingriffsintensität bei fachkundiger Entnahme). Das muss man zukünftig natürlich nicht mehr diskutieren :)

Leo

Leo

3.4.2022, 23:42:13

Skandalös meiner Meinung. In Bayern führt das lediglich zur Schikane gesetzestreuer Bürger.. Die fachliche Einschätzung eines Richters bzw. der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Verdachtsgrad ist wichtig, wenn keine Gefahr im Verzug vorliegt.

FABY

Faby

25.5.2023, 17:32:07

Musste über den Satz, dass hinsichtlich der Freiwilligkeit besonders belehrt werden muss, schmunzeln. In den üblichen Dokus im TV hört man meistens von den Polizeibeamten nur die Frage "Sind Sie bereit zu pusten?" o.ä. :D


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