Verteidigungskosten (Schutzzweck der Norm)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Raserin R ist mit überhöhter Geschwindigkeit an einem Unfall mit Opi O (Halter) beteiligt, weil O der R fahrlässig die Vorfahrt nimmt. Bei dem Unfall erleidet R Körper- und Eigentumsverletzungen. Gegen R wird ein Strafverfahren wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit eingeleitet. Sie wird erst in der Revision freigesprochen. R verlangt von O Ersatz der Verteidigungskosten im Strafverfahren.
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Einordnung des Falls
Verteidigungskosten (Schutzzweck der Norm)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der haftungsbegründende Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ist erfüllt.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Weil eine Körper- bzw. Eigentumsverletzung haftungsbegründend war, werden auf Rechtsfolgenseite auch nur die unmittelbaren Körper- und Sachschäden ersetzt.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Schaden der R – die Verteidigungskosten – müssen dem O zurechenbar sein, damit sie im Rahmen der §§ 249ff. BGB ersetzbar sind.
Ja, in der Tat!
4. Ein Schaden ist vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB umfasst, wenn er nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit ist.
Nein!
5. Die Verteidigungskosten sind als Schaden vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB erfasst.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
frausummer
16.11.2022, 10:49:04
Für mich wäre der Fall schon bei der Rechtsgutsverletzung zu Ende gewesen, da die Kosten für den Strafverteidiger doch einen Vermögensschaden darstellen und diese ersetzt werden sollen
Nora Mommsen
18.11.2022, 12:10:02
Hallo frausummer, Achtung: am Ende will R die Verteidigerkosten ersetzt bekommen. Sie ist aber (auch) an Körper und Gesundheit verletzt worden laut Sachverhalt, sodass eine Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823 BGB gegeben ist. Ob die Verteidigerkosten auch ersetzt werden ist keine Frage des haftungsbegründenden Tatbestands. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Efecan Ö.
3.1.2024, 00:31:00
wie würde es sich verhalten, wenn K einen Anwalt kontaktiert hätte, um den zivilrechtlichen SE-Anspruch vor Gericht geltend zu machen? Könnte K diese Anwaltskosten über 823 I bzw. II geltend machen? Liebe Grüße Efecan
Tobias Krapp
6.11.2024, 16:42:34
Hallo @[Efecan Ö.](197365), danke für deine sehr gute Nachfrage! Bei den Kosten der zivilrechtlichen Rechtsverfolgung sieht es in der Tat anders aus: Die Kosten der Rechtsverfolgung sind als Folge der Verletzung eines Guts des § 823 I BGB vom
Schutzzweck der Normerfasst und damit ohne Weiteres zurechenbar. Die Ersatzfähigkeit richtet sich nach § 249 II S. 1 BGB. Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten ist daher deren "Erforderlichkeit". Grundsätzlich darf der Geschädigte die Beauftragung eines Anwalts für erforderlich halten. An der Erforderlichkeit kann es aber in besonderen Konstellationen fehlen: Etwa wenn der Schädiger seine Ersatzpflicht dem Grunde und der Höhe nach anerkannt hat und an seiner Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit keine Zweifel bestehen. Umstritten ist die Ersatzfähigkeit bei dem gewerblichen oder "geschulten" Schädiger: Darf eine Mietwagenfirma, eine Leasingfirma, ein Rechtsanwalt direkt einen Anwalt einschalten? Auch wird immer wieder darüber gestritten, ob in „besonders einfach gelagerten Fällen” ein Anwalt hinzugezogen werden darf und wann ein solcher Fall denn vorläge. Hier hat sich eine ziemliche Kasuistik entwickelt und die Gerichte entscheiden hier auch alles andere als einheitlich. In der Klausur würde ich tendenziell dazu raten, den Grundsatz darzustellen und wertungsmäßig damit zu argumentieren, dass dem Geschädigten keine zu große Unsicherheit zugebilligt werden darf, eine Ausnahme also eher restriktiv zu handhaben ist. Vertretbar ist hier aber vieles, man sollte nur das Problem sehen :) Zur Vertiefung kann ich MüKoBGB/Oetker § 249 Rn. 180-188 und grundlegend hierzu Wagner, NJW 2006, 3244 ff. empfehlen :) Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias