Gubener Verfolgungsfall (Fokus Schaden)


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Jurafuchs

Asylbewerber A wird von 11 bewaffneten Neonazis N verfolgt, bedrängt und massiv bedroht. Um zu entkommen, springt er durch eine geschlossene Glastür. Dabei zieht er sich so tiefe Schnittwunden zu, dass er binnen kurzer Zeit verblutet.

Einordnung des Falls

Gubener Verfolgungsfall (Fokus Schaden)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N haben eine kausale und zurechenbare Verletzungshandlung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie A bedrängt und bedroht haben.

Ja!

Nach der Adäquanztheorie sind solche Erfolge nicht zurechenbar, wenn der Geschehensablauf außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt. Die Zurechenbarkeit wird grundsätzlich durch eine freiwillige Entscheidung des Geschädigten unterbrochen. In Ausnahmefällen kommt jedoch ein Fall der psychisch vermittelten Kausalität in Betracht. Diese ist immer dann gegeben, wenn der Geschädigte vernünftigerweise zu seiner Entscheidung kommen konnte und die Selbstgefährdung nicht außer Verhältnis zu der Motivation steht. Die N haben eine Gefahrenlage geschaffen, in der A um sein Leben fürchten musste. Damit war die Reaktion des A eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den Angriff. Das Verhalten der N war adäquat-kausal.

2. A hat durch seinen Tod einen kausalen Schaden erlitten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich hat der Betroffene durch seinen Tod keinen ersatzfähigen Schaden erlitten. Mit dem Tod endet die Rechtsfähigkeit, so dass Schmerzensgeldansprüche der getöteten Person wegen des Verlusts des eigenen Lebens nicht entstehen können (§ 253 Abs. 2 BGB). Mit dem Tod des A endet auch seine Rechtsfähigkeit.

3. Die N haben ein Schutzgesetz verletzt (§ 823 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) ist jede materielle Rechtsnorm, die nicht allein den Schutz der Allgemeinheit bezweckt, sondern gerade darauf gerichtet ist, den einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis vor Verletzungen zu bewahren. Als Individualrechtsgüter werden die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen bezeichnet. Dazu gehören: Menschenwürde, Ehre, Leben, Gesundheit, Freiheit, Persönlichkeitsrecht, Vermögen, Eigentum und Besitz. Hier kommt eine Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) in Betracht. Diese Norm soll die Gesundheit und das Leben schützen. Das Verhalten der N erfüllt den Straftatbestand. Die Verletzungshandlung ist nach den Grundsätzen der psychisch vermittelten Kausalität auch zurechenbar.

4. As Ehefrau E hat einen Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten und des entgangenen Unterhalts gegen die N (§ 844 Abs. 1 und 2 BGB).

Ja!

Der Schädiger ist zum Ersatz der Beerdigungskosten und der Zahlung des Unterhalts verpflichtet (§ 844 Abs. 1 und 2 BGB). Die Verpflichtung zum Ausgleich der Beerdigungskosten trifft in erster Linie die Erben (§ 1968 BGB). Soweit keine Erben erster oder zweiter Ordnung bekannt sind, ist der Ehegatte der alleinige Erbe (§ 1931 Abs. 2 BGB). Unterhaltsberechtigt sind in der Regel Verwandte gerader Linie und die Ehegatten. Damit kann E sowohl Ersatz der Beerdigungskosten als auch Zahlung des Unterhalts von den N verlangen.

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SCH

Schwanzanwaltschaft

3.3.2024, 11:31:59

Ist es möglich bei der Tötung einen Schmerzensgeldanspruch nach §823 bzgl. der zum Tod führenden Körperverletzung zu bejahen, welcher dann im Rahmen der Universalsukzession auf die Erben übergeht?

LELEE

Leo Lee

3.3.2024, 18:16:37

Hallo Schwanzanwaltschaft, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist auch ein Schmerzensgeldanspruch vererbbar über 1922 BGB. Becahte allerdings, dass ein Schmerzensgeldanspruch (oder imm. Schäden generell) aufgrund Verletzung des PERSÖNLICHKEITSRECHTS wegen des besonderen individuellen Charakters etwas komplizierter ist! Hierzu gibt es einen tollen Fall hier: https://applink.jurafuchs.de/uTe8HHZuFHb! Ansonsten kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Leipold § 1922 Rn. 80 und 159 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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