Wahrnehmung / Vollendung
29. Mai 2025
20 Kommentare
4,8 ★ (5.127 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Italiener I beschimpft den O auf Italienisch. O versteht kein Wort und weiß nicht, was I von ihm will.
Diesen Fall lösen 84,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Wahrnehmung / Vollendung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine Beleidigung (§ 185 StGB) setzt die Wahrnehmung der Äußerung voraus.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. O hat die Beleidigung wahrgenommen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
15.2.2021, 18:20:36
Heißt das dann auch, dass man auf Deutsch jemanden beleidigen kann, der kein Wort Deutsch versteht, ohne rechtliche Konsequenzen?
Machegenga
9.3.2021, 15:54:50
Ich verstehe die Lösung so: man ist auf der sicheren Seite, solange niemand anderes dabei ist, der die Äußerung als Beleidigung versteht.
Blotgrim
10.7.2022, 10:25:47
Hätte ich jetzt auch gesagt, wenn Leute da sind die die Beleidigung verstehen besteht ja die Möglichkeit die Person in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
alivic
19.2.2023, 13:00:46
Wie wäre es, wenn O sich die Beleidigung merkt, seinen Kumpel fragt (welcher italienisch spricht) und dann sich beleidigt fühlt? Könnte da O gegen I vorgehen?

Lukas_Mengestu
1.3.2023, 16:04:17
Hallo alivic, grundsätzlich ist die Tathandlung mit der Kundgabe an den anderen
vollendet(MüKoStGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, StGB § 185 Rn. 37). Sofern er diese Beleidigung nicht versteht, kommt nach der hM insoweit allein eine
versuchte Beleidigungin Betracht. In der von Dir gebildeten Abwandlung ist das strafbare Handeln bereits abgeschlossen. Die nachträgliche Kenntnis über die Bedeutung der Beschimpfung ändert insoweit daran nichts mehr. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
hagenhubl
15.10.2024, 09:33:49
Wie sieht es aus, wenn zwei Ausländer in Deutschland sich in ihrer Muttersprache beleidigen?

MerkurMagie
13.12.2024, 18:29:33
@[hagenhubl](233869) Dann nimmt zumindest der Beleidigte die Beleidigung als solche wahr (und versteht sie auch), so dass eindeutig eine
vollendete Beleidigung vorliegt.
TubaTheo
29.6.2024, 00:52:42
Muss das Opfer die Beleidigung inhaltlich verstehen oder reicht es aus, wenn es erkennt, dass es sich überhaupt um eine Beleidung handelt.
in persona
19.8.2024, 22:11:00
push

Juraddicted
17.2.2025, 14:25:11
Würde mich ebenso interessieren :)
Taunus84
2.4.2025, 09:34:51
Gute Frage!
Marvin
20.4.2025, 14:16:24
Hallo zusammen, ich versuche mal diese interessante Frage zu beantworten. Hier lassen sich wohl verschiedene Ansichten vertreten. Der BGH hat jedenfalls ganz zu Anfang mal die These vertreten, dass ein Sinnverständnis nicht
erforderlichsei (BGH NJW 1951, 368). Mittlerweile scheint die Rspr. aber ein Sinnverständnis zu fordern, weil eine nicht verstandene Äußerung so gut wie keine Äußerung ist. Das OLG Zweibrücken fasst das wie folgt zusammen: „Gibt es in dem vom Täter vorgestellten Kreis der Empfänger der Äußerung niemanden, der diese als beleidigend versteht, ist der Achtungsanspruch der herabgewürdigten Person nicht gefährdet und ein Kundgabeerfolg nicht eingetreten.“ (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2019, 246, 248). Ich persönlich finde diese Argumentation auch sehr gut nachvollziehbar. Aber möglicherweise kann man hier im Einzelfall auch anders argumentieren.

Juraddicted
20.4.2025, 14:33:52
Danke für Deine Mühe! Ich finde es auch sinnvoll, auf die potentielle Herabwürdigung der Person abzustellen. -> Dh, wenn in einer Gruppe jemand „beleidigt“ wird, derjenige es NICHT versteht, aber alle anderen es verstehen (würden), ist der Erfolg eingetreten. Damit kann ich gut Leben :) LG und frohe Ostern!
Anna
21.9.2024, 13:16:10
Wie ist das wenn die Beleidigung zwar als solche verstanden wird, der Beleidigte sich aber nichts groß draus macht iSv er fühlt sich nicht beleidigt/ ihn lässt es kalt? (voraussetzung natürlich kein anderer hat mitbekommen)

Falsus Prokuristor
21.9.2024, 14:02:55
In diesem Fall würde ein
untauglicher Versuchvorliegen, welcher ebenfalls als Versuch strafbar ist, vgl. § 23 Abs. 3 StGB.
Tatentschlussund unmittelbares Ansätzen wäre dann wohl unproblematisch. Inwiefern das Gericht von der Möglichkeit einer Milderung Gebrauch macht, hängt dann vom konkreten Einzelfall ab, §§ 23 II, 49 I StGB.
Anna
27.9.2024, 14:58:29
Danke! Weil der Versuch der Beleidigung aber ja straffrei ist - fall ich dann beim Kundgabeerfolg aus der Prüfung
Leo Lee
28.9.2024, 07:19:15
Hallo Anna, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Falsus Prokuristor bereits zutreffend angemerkt hat, läge dann ein
untauglicher Versuchvor. Beachte allerdings, dass aufgrund des Vergehenscharakters und der fehlenden Versuchsstrafbarkeit im Paragraphen die
versuchte Beleidigungnicht bestraft wird :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
B.H.
19.1.2025, 11:50:16
Wie würde es sich darstellen, wenn das Opfer die Beleidigung in ihrem wörtlichen Inhalt nicht verstanden hat, gleichwohl aber weiß, dass dieses Wort beispielsweise als Beleidigung genutzt wird oder eine als Beleidigung geäußerte Aussage falsch übersetzt?
mariposa21
19.3.2025, 12:21:30
Warum wird der Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB bei der Beleidigung überhaupt nicht behandelt? Ich würde mir Fälle zu dem Thema wünschen, da es sehr examensrelevant ist.

Dodo S.
25.3.2025, 18:30:27
Hallo mariposa21, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Dodo Shi, für das Jurafuchs-Team