Beginn der Frist - Beginn eines Tages maßgeblich
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M schließt einen Mietvertrag mit Vermieter V über eine Wohnung. Darin heißt es unter anderem: „Das Mietverhältnis beginnt am 01.11.2022. Die Mietdauer beträgt 6 Monate.“
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Einordnung des Falls
Beginn der Frist - Beginn eines Tages maßgeblich
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat sich vertraglich dazu verpflichtet, der M den Gebrauch der Wohnung zu überlassen (§ 535 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei der vertraglich vereinbarten Mietzeit handelt es sich um eine Beginnfrist im Sinne des § 187 Abs. 2 BGB.
Genau, so ist das!
3. Die Mietzeit beginnt am 02.11.2022 zu laufen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Mietzeit endet mit Ablauf des 30.04.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
2.9.2022, 11:33:46
Könnte mir bitte jemand herleiten, warum der vertraglich bestimmte Beginn der Mietzeit den Beginn des Tages im Sinne des § 187 Abs. 2 BGB und eben nicht ein in den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt im Sinne des § 187 Abs. 1 Alt. 2 BGB meint?
Nora Mommsen
8.9.2022, 14:01:21
Hallo QuiGonTim, der Mietvertrag legt für den Beginn des Vertrages einen bestimmten Tag fest. Es handelt sich daher um eine Beginnfrist. Vielleicht lässt es sich besser verdeutlichen, wenn man einen Fall der Ereignisfrist betrachtet. Beginnt zum Beispiel eine Frist mit dem Zugang einer Willenserklärung, z.B. eine
Annahmefrist, dann ist der Zugang ein fristauslösendes Ereignis. Da sich der damalige Gesetzgeber für das Prinzip der Zivilkomputation entschieden hat, berechnen wir Fristen nur in ganzen Tagen. Daher sorgt der Zugang gleich welche Uhrzeit dafür, dass die Frist am nächsten Tage zu laufen beginnt. Der Vertragspartner hat also ab dem Tag nach dem Zugang Zeit die erforderliche fristwahrende Handlung vorzunehmen. Das Prinzip der Zivilkomputation sorgt für Rechtssicherheit da es nicht darauf ankommt, ob die Frist morgens oder mittags ausgelöst wurde. Bei einem Mietvertrag ist aber sicher, dass er eben zu Monatsbeginn anfangen soll zu laufen. Dieser ist als Beginn festgelegt. Es handelt es sich nicht um ein "Ereignis" im Sinne des Abs. 1. Der Mietvertrag und damit das Recht auf Überlassung der
Mietsachesoll nach dem Willen der Parteien gerade ab dem 01. (oder anderen vereinbarten Termin) entstehen und nicht erst am Tag danach. Ist es jetzt etwas klarer? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Strukturjonas
2.11.2023, 07:18:55
Wäre hier nicht § 193 anzuwenden? Der 30.04.2023 ist nämlich ein Sonntag und in manchen Bundesländern ist auch der 1.11. ein Feiertag (da fände ich zumindest eine Klarstellung gut)
se.si.sc
2.11.2023, 07:40:26
Gut gesehen, aber § 1
93 BGBdürfte hier nicht anwendbar sein, weil er nach dem Wortlaut grds nur für Fristen gilt, in deren Rahmen eine Willenserklärung abzugeben oder Leistung zu bewirken ist. Beides ist hier nicht der Fall, insbesondere ist der von M vorzunehmende Auszug keine Leistungsbewirkung in diesem Sinne. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der 30.04.23 ein Sonntag ist. Der Klarstellung halber könnte man dazu natürlich in der Lösung kurz etwas sagen.
Strukturjonas
2.11.2023, 17:47:11
Ach so, gut zu wissen, das hab ich noch nicht gelernt. Dankeschön!
Leo Lee
4.11.2023, 12:16:53
Hallo Strukturjonas, wie se.si.sc hinsichtlich des 30.04 völlig zurecht angemerkt hat, ist § 193 nur auf Fristen anwendbar, die sich auf die Abgabe/den Zugang einer Willenserklärung bzw. Leistungsbewirkung beziehen, weshalb im vorliegenden Fall bzgl. des Enddatums der Miete § 193 nicht relevant ist. Hinsichtlich des 01.11: Die Allerheiligen sind in der Tat in manchen Bundesländern ein Feiertag. Achte allerdings darauf, dass sich § 1
93 BGBexplizit auf das ENDE einer Frist bezieht und nicht auf den BEGINN derer. D.h., wenn der 01.11 der letzte Tag einer Frist ist, dann könnte man in der Tat § 193 anwenden. Jedoch hier nicht, weil der 01.11 der ANFANG einer First wäre (was dann genauso gilt für Sonntage). Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Grothe § 193 Rn. 5 ff. :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Strukturjonas
20.7.2024, 10:02:28
Hallo zusammen, ich bin in der Schuldrecht BT Vorlesung nochmal über dieses Problem gestolpert und wollte für zukünftige Leser anmerken, dass das Mietverhältnis zwar tatsächlich am 30.04. endet, d. h. die Aufgabe ist korrekt, aber nach überwiegender Ansicht ist dann sowohl bei der Übergabe als auch bei der Rückgabe der
Mietsacheder § 193 durchaus anwendbar, sofern nichts anderes vereinbart (zumindest für die Rückgabe bestätigt das auch MüKo-BGB 9. Auflage § 546 Rn. 15).
Blotgrim
8.3.2024, 09:14:17
Nur um sicherzugehen wenn der Vertrag bzw die Frist am 02.11 begonnen hätte, wäre die Frist dann am 01.05 abgelaufen?
Gruttmann
8.3.2024, 10:13:18
Genau, die Frist würde dann mit Ablauf des Tages des 01.05 enden. LG, Gruttmann.