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M sammelt Modellautos. Am Freitag, den 01.07. bestellt sie im Onlineshop des O das Modellauto „VW Käfer“ und erhält direkt darauf eine Bestellbestätigung. Schon am Samstag, den 02.07. erhält er die Lieferung. Erst am 18.07. fällt M auf, dass sie genau dieses Modellauto eigentlich schon hatte.

Einordnung des Falls

Sonntag - Fristbeginn

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M und O haben einen Kaufvertrag geschlossen.

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Genau, so ist das!

Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande. Die Präsentation von Ware in einem Onlineshop stellt genauso wie eine Schaufensterauslage eine bloße invitatio ad offerendum und kein bindendes Angebot dar. Indem M jedoch den Bestellvorgang abschloss, hat sie ein bindendes Angebot abgegeben. Die Bestellbestätigung durch O stellt die Annahme dieses Angebots dar.

2. Bei dem Kaufvertrag handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB).

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Ja, in der Tat!

Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden (§ 312c Abs. 1 BGB). Fernkommunikationsmittel sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind (§ 312c Abs. 2 BGB). M ist Verbraucherin und O ist Unternehmer. Die Vertragsverhandlungen und der Abschluss des Kaufvertrags erfolgte komplett online und damit unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Mehr zum Widerrufsrecht von Verbrauchern findest Du in der Einheit Schuldrecht AT.

3. M hat ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB.

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Ja!

Dem Verbraucher steht bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB zu. M und O haben einen Kaufvertrag als Fernabsatzvertrag geschlossen. Als Verbraucher steht ihr nach §§ 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB ein Widerrufsrecht zu.

4. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (§ 355 BGB).

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Genau, so ist das!

Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist im Rahmen eines Fernabsatzvertrags 14 Tage.

5. Bei der Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB handelt es sich um eine Beginnfrist im Sinne des § 187 Abs. 2 BGB.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Beginnfrist im Sinne des § 187 Abs. 2 BGB zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch den Beginn eines Tages ausgelöst wird. Nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist im Rahmen eines Fernabsatzvertrags mit Vertragsschluss. Die Frist wird somit nicht durch den Beginn eines bestimmten Tages, sondern durch ein Ereignis ausgelöst. Es handelt sich somit um eine Ereignisfrist im Sinne des § 187 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

6. Die Widerrufsfrist beginnt am Montag, 04.07., zu laufen, da M die Ware an einem Samstag erhielt.

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Nein!

Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis fällt (§ 187 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Für den Anfang der Widerrufsfrist im Rahmen eines Fernabsatzvertrags ist nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich der Vertragsschluss maßgebend. Dieser erfolgte am 01.07., als O das Angebot des M annahm. § 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB statuiert aber eine Ausnahme, für Verbrauchsgüterkäufe. Die Frist begann somit nach § 187 Abs. 1 Alt. 1 BGB am 03.07. zu laufen. Unerheblich ist dagegen, dass die Zusendung auf einen Samstag und der erste Tag der Frist auf einen Sonntag fielen. Samstage, Sonntage oder Feiertage können nach § 193 BGB allenfalls das Ende einer Frist, niemals jedoch den Beginn einer Frist verschieben.

7. Die Frist endet mit Ablauf des Samstags, den 16.07.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Eine nach Tagen bemessene Frist endigt zwar grundsätzlich nach § 188 Abs. 1 BGB mit Ablauf des letzten Tages der Frist (§ 188 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Nach § 193 BGB tritt dann an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Die Frist von 14 Tagen wurde durch den Erhalt der Ware am 02.07, einem Samstag, ausgelöst. Der letzte Tag der Frist wäre damit eigentlich der 16.07. Da es sich bei diesem Tag jedoch ebenfalls um einen Samstag handelt, endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktags. Dies ist der nächste Montag, der 18.07.

8. M kann den Kaufvertrag am Montag, den 18.07., noch widerrufen.

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Ja, in der Tat!

Da die 14-tägige Widerrufsfrist erst mit Ablauf des 18.07. endet, kann M den Kaufvertrag am 18.07. noch widerrufen.

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DAN

Daniel

25.8.2022, 20:01:07

Ein Widerruf ist nur wegen § 193 BGB am 18.07. noch fristwahrend möglich, weil der 17.07. ein Sonntag ist, oder? Wenn ja, sollte das in der Lösung auch verdeutlicht werden

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.8.2022, 17:02:18

Lieber Daniel, vielen Dank für Deinen Hinweis. Genau so ist es :-) Der Samstag und der Sonntag kommen als Fristende wegen § 193 BGB nicht in Betracht, weswegen der nachfolgende Montag maßgeblich ist. Dies ergibt sich aus dem vorletzten Hinweistext, der diesen Zusammenhang noch einmal verdeutlicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

30.5.2023, 14:05:31

Hallo @[Daniel](33075) Der Widerruf ist am 18.07. noch möglich, weil das Fristende auf Samstag, den 16.07. um 24 Uhr (= Sonnabend iSv § 193 und wird deshalb nicht mitgezählt) fällt und der nächste Werktag erst Montag, der 18.07. ist. Streng genommen ist es also der 18., weil das Fristende auf einen Sonnabend fällt. Erst infolgedessen wird (auch) der 17. nicht mitgerechnet, weil das ein Sonntag ist und der nächste Werktag nach dem 16.07. eben der Montag, den 18.07. ist.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

30.5.2023, 14:19:42

• Ereignis: 02.07. = Erhalt der Ware, § 556 II Nr. 1 lit. a) • Fristbeginn gem. § 187 I am 03.07. um 0 Uhr • Fristende nach 14 Tagen gem. § 355 II 1 ist gem. § 188 I am 16.07. um 24 Uhr = Sonnabend gem. § 193, sodass nächster Werktag an die Stelle tritt. • Nächster Tag Sonntag, den 17.07. gem. § 193 nicht mitzählen. • Nächster Werktag ist Montag, der 18.07. ➡️ Fristende am 18.07. um 24 Uhr

SER

Seriouz0G

27.4.2023, 17:51:16

Wie würde es aussehen, wenn kein Verbrauchsgüterkauf vorläge? Ihr habt ja hinsichtlich des Fristbeginns auf die Vorschrift des § 355 II 2 verwiesen. Würde die Frist dann, abweichend von § 187 I, tatsächlich am Tag des Vertragsschluss beginnen oder gelten diesbezüglich auch noch irgendwelche anderen Regeln zu beachten? Danke im Voraus!

SE.

se.si.sc

28.4.2023, 11:23:22

Falls wir keinen Kaufvertrag haben, hängt es davon ab, was wir denn für einen Vertrag mit Widerrufsrecht haben. Die §§ 356a ff BGB enthalten eine ganze Reihe an Sonderregelungen für verschiedene Vertragstypen und dort wiederum spezifische Regelungen für den Beginn der Frist. Ohnehin würde wegen § 187 I BGB streng genommen die Frist sowieso nie mit dem Tag des Vertragsschlusses, sondern immer erst am darauf folgenden tag beginnen.

LAWFU

lawfulthings

17.3.2024, 14:12:09

Ich verstehe gerade irgendwie nicht, warum O das Angebot des M am 01. annimmt, da eine Bestellbestätigung üblicherweise automatisch erfolgt und die Annahme doch konkludent mit Versand erfolgt? Wäre denn dann nicht doch der Samstag maßgeblich für die Frisr, weil erst mit dem Paket der Zugang der Annahme bei M erfolgt?

Gruttmann

Gruttmann

17.3.2024, 19:18:48

Auch wenn die Bestellbestätigung automatisch erfolgt, gilt sie als Annahme. Grundsätzlich kannst du dir merken, eine Bestellbestätigung stellt eine Annahme dar. Das bedeutet dort kommt die Annahme zustande. Mithin auch der Kaufvertrag, am 01. Die Frist begann aufgrund der Ausnahme aus § 356 Abs: 2 Nr. 1 BGB für Verbrauchsgüterkäufe am 03.07. zu laufen, also bei Zustellung und nicht bei Vertragsschluss. Liebe Grüße, Gruttmann.

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

19.3.2024, 08:04:23

@[Lukas_Mengestu](136780) Hallo ihr beiden, danke für eure Diskussion. Im vorliegenden, knappen Fall wäre tatsächlich davon auszugehen, dass die Bestellbestätigung des O am 01.07. zugleich seine Annahmeerklärung darstellt. Das ist auch allgemein (obwohl automatisiert) denkbar. Grundsätzlich trügt dich dein Problembewusstsein da aber nicht, @[lawfulthings](229918). Denn: Bei einer Bestell(eingangs)bestätigung i.S.d. § 312i I 1 Nr. 3 BGB handelt es sich zunächst einmal um eine reine Wissenserklärung. Ob darin zugleich eine Annahme-, also eine Willenserklärung, liegt, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB (analog) zu ermitteln (s. dazu LD Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2016 - I-16 U 72/15). Wenn aber tatsächlich bloß der Inhalt der Bestellung wiedergegeben/bestätigt wird, wird noch eine gesonderte "Auftragsbestätigung" als Annahme des Kaufvertrages erforderlich sein. Die Annahme durch Versendung der Ware kommt im B2C-Verkehr dagegen wohl nicht (mehr) in Betracht (LG München (Urt. v. 15.2.2022 – 33 O 4638/21 Rn. 39). Der Fristbeginn am Samstag kommt durch die von @[Gruttmann ](218432)genannten Gründe zu Stande. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team

LAWFU

lawfulthings

19.3.2024, 13:14:27

Dankeschön für die Erklärung!

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

22.3.2024, 15:22:23

@[Lukas_Mengestu](136780)


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