Fehlende Beschuldigtenbelehrung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B ist verdächtig, seine Ehefrau getötet zu haben. Als Polizist P vor seiner Haustür steht, öffnet B diese und sagt sofort: „Ich war’s!“. Auf der Fahrt zur Polizeiwache erzählt er umfangreich die Details der Tat. Erst auf der Wache wird B über sein Schweige- und Verteidigerrecht belehrt und befragt. B sagt daraufhin, er habe doch schon alles erzählt. B schweigt in der Hauptverhandlung.
Einordnung des Falls
Fehlende Beschuldigtenbelehrung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. An der Haustür fand eine Beschuldigtenvernehmung statt.
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Nein, das trifft nicht zu!
2. Die Einlassung an der Haustür ist verwertbar.
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Ja!
3. Auf der Fahrt fand eine Beschuldigtenvernehmung statt.
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Genau, so ist das!
4. Die Aussagen im Auto sind verwertbar.
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Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Juraluchs
26.2.2023, 10:15:00
Die konkludente Bestätigung durch B bleibt also außer Betracht?

Nora Mommsen
26.2.2023, 13:06:38
Hallo Juraluchs, ein ordnungsgemäßes Strafverfahren stellt eines der höchsten Güter des Rechtsstaats dar. Aus diesem Grund wird den strafprozessualen Grundsätzen besonderes Gewicht beigemessen und es kann nicht ohne weiters von ihnen abgewichen werden. Des weiteren gehört z.B. neben der Belehrungspflicht auch das Verbot verbotener Vernehmungsmethoden zu den Grundsätzen. Auch bei Vorliegen verbotener Vernehmungsmethoden kann der Beschuldigte nicht nachträglich die Verwertung genehmigen. Der Schutz der Willensfreiheit wird so hoch gewertet, dass er nicht unter dem Eindruck verbotener Methoden genehmigen kann. Ähnlich ist es bei der Belehrungspflicht. Eine Unterlassung der Belehrung stellt einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich geschützte Nemo-Tenetur Prinzip dar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team