Unrechtseinsicht 5.1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Jäger T schießt auf die Fenster seiner Nachbarn, weil er in Übung bleiben möchte, aber sich dazu entschieden hat, keine Tiere mehr zu töten. Er ist fest überzeugt, dass das nicht gegen geltendes Recht verstößt. Gleichzeitig nimmt er bei einem Schuss aber billigend in Kauf, eventuell eine Person zu treffen. Er geht davon aus, dass auch der Versuch der Körperverletzung strafbar ist. Dabei geht eine Scheibe zu Bruch.
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Einordnung des Falls
Unrechtseinsicht 5.1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat sich wegen versuchter Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 2, 22, 23 StGB) strafbar gemacht.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat den Tatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) erfüllt.
Ja, in der Tat!
3. T hatte in Bezug auf die Sachbeschädigung die Einsicht, Unrecht zu begehen.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Flohm
21.2.2024, 15:44:47
Wieso liegt hier eine versuchte KV vor? die wird zwar billigend in Kauf genommen, aber es gibt keine konkrete Anhaltspunkte für eine Person in der Nähe/ Konkretisierung.
Timurso
22.2.2024, 10:43:51
Selbst wenn niemand in der Nähe ist, handelt es sich um einen strafbaren untauglichen Versuch. Das unmittelbare Ansetzen ist daher im Lichte des Vorstellungsbild des Täters zu betrachten. Wenn dieser es für möglich hält, dass sich Menschen dort befinden und unter Zugrundelegung dieser Vorstellung unmittelbar angesetzt wurde, reicht das für den Versuch aus.
B.H.
7.10.2024, 08:50:00
Würde eine Strafbarkeit aus §§ 223, 224, 22, 23 StGB dennoch vorliegen, da er hinsichtlich dieser zumindest das
Unrechtsbewusstseinbilligend in Kauf genommen hat?
Timurso
7.10.2024, 10:29:12
@[B.H. ](154709) Ich bin mir nicht sicher, ob du meinen obigen Kommentar missverstanden hast, aber ja, eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224, 22, 23 StGB liegt vor. Grund dafür ist aber nicht der
Vorsatzhinsichtlich des
Unrechtsbewusstseins (das ist bereits sprachlich redundant). Das
Unrechtsbewusstseinim Sinne einer Kenntnis des Rechts und des Verstoßes dagegen ist für die Strafbarkeit grds. unerheblich,
§ 17 StGB. Anknüpfungspunkt der Versuchsstrafbarkeit ist der
Vorsatzhinsichtlich des tatbestandlichen Erfolgs. Dadurch liegt strafwürdiges Handlungsunrecht vor, auch wenn der Erfolg nicht eintritt und nicht eintreten kann.
B.H.
7.10.2024, 10:33:37
Ich habe deinen Kommentar verstanden. Mir ging es nur darum, dass die Strafbarkeit der versuchten KV nicht im Lösungstext aufgeführt wurde. Ich habe mich nur auf deinen Kommentar bezogen, um keine neue Kommentarspalte zu eröffnen, da ich einen gewissen Zusammenhang zur Ausgangsfrage gesehen habe.
Api M.
6.11.2024, 12:35:10
Müsste hier eine Strafbarkeit gem. §§ 223, 224, 22, 23 nicht mangels
Vorsatzes ausscheiden? Er gab einen Schuss ab und war sich im Klaren darüber, dass nur ein Objekt oder eine Person getroffen werden können. Müsste der
Vorsatzdann nicht mit der Verwirklichung des TB des § 303 verbraucht sein?
Leo Lee
10.11.2024, 10:41:30
Hallo Api M., vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man zunächst meinen, der
Vorsatzsei bereits verbraucht. In der Tat wird dies ein Argument bei einem Irrtum, um eine weitere Strafbarkeit wegen Versuchs auszuschließen. BEACHTE ABER, dass der
Vorsatzverbrauch nur dann gilt, wenn das anvisierte und das getroffene Objekt GLEICHWERTIG sind. D.h., wenn ich denke, ich schieße auf Person A und treffe Person B, habe ich meinen
Vorsatzbereits bzgl. einer Person verbraucht. Wenn ich ein nicht gleichwertiges Objekt schieße bzw. treffe, dann ist der
Vorsatznicht verbraucht, weshalb eine Versuchsstrafbarkeit noch in Betracht kommt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Kulhanek § 16 Rn. 113 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo