1. Ks Vorverfahren (§ 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG) war erfolglos. K klagt nicht gegen die Einstellung ihrer Konkurrentin, sondern gegen ihre dienstliche Beurteilung. Ist die statthafte Klageart die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO)?
Ja!
Die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist statthaft zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis ist jede Beziehung zwischen zwei Personen oder einer Person und einer Sache, die sich aus dem öffentlichen Recht ergibt und kein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) ist. Gegenstand der Feststellungsklage können auch einzelne Rechte und Pflichten aus dem Rechtsverhältnis sein.
Die rechtliche Beziehung zwischen zwei Personen ist das Dienstverhältnis zwischen K und L. Gegenstand der Klage sind also einzelne Fragen aus dem Rechtsverhältnis. Die innerdienstliche Beurteilung einer Beamtin durch den Vorgesetzten betrifft niemanden außerhalb der Verwaltung und ist daher mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt. Die statthafte Klageart ist die Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung.
Achtung: der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 54 Abs. 1 BeamtStG eröffnet (aufdrängende Sonderzuweisung), nicht nach § 40 Abs. 1 VwGO.
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2. Die Feststellungsklage ist wegen des Grundsatzes der Subsidiarität nur zulässig, soweit der Kläger seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann.
Genau, so ist das!
Nach § 43 Abs. 2 S. 1 ist die Feststellungsklage gegenüber den Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen subsidiär, um (1) Doppelprozesse zu vermeiden (der Rechtsschutz des Klägers soll auf das effektivste Verfahren konzentriert werden) und (2) um die Umgehung der besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der anderen Klagearten zu verhindern (z.B. Klagefrist oder Widerspruchsverfahren).
Da mangels VA und mangels Leistungsbegehren der K hier keine andere Klageart in Betracht kommt, ist die Feststellungsklage nicht subsidiär.
Vom Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gibt es Ausnahmen: (1) Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 2 VwGO), (2) wenn die Feststellungsklage ausnahmsweise rechtsschutzintensiver ist, (3) wenn weder die Gefahr eines Doppelprozesses noch die Gefahr der Umgehung von Voraussetzungen bestehen.
3. Die Klage ist unzulässig, da K kein Rechtsschutzbedürfnis mehr hat. Die Stelle wurde mit einer Konkurrentin besetzt, sodass eine erfolgreiche Klage die Rechtsposition der K nicht verbessern kann.
Nein, das trifft nicht zu!
Das Rechtsschutzbedürfnis ist das berechtigte Interesse einer Person, mittels eines Gerichtsverfahrens Rechtsschutz zu erlangen. Es fehlt nur dann, wenn das Urteil nicht in der Lage ist, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern, oder wenn der Kläger in der Lage wäre, den angestrebten Erfolg auf einfachere, schnellere oder günstigere Art zu erreichen.
Ks Vorverfahren (§ 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG) war erfolglos, sie hat also keine einfachere und schnellere Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen. Das Urteil kann Ks Rechtstellung verbessern, da (1) die Rechtswidrigkeit der Beurteilungspraxis eine Rolle für zukünftige Beurteilungen spielt und (2) auch zurückliegende dienstliche Beurteilungen für spätere Personalentscheidungen von Bedeutung sein können (RdNr. 12). Wird die Rechtswidrigkeit festgestellt, ist die Beurteilung nicht mehr nutzbar.
Das BVerwG hatte in der Zulässigkeit nur das Rechtsschutzbedürfnis thematisiert. Weitere Zulässigkeitsprobleme stellen sich also nicht und in der Klausur kannst Du sie schnell abarbeiten und zum Schwerpunkt kommen: der Begründetheit.
4. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn die dienstliche Beurteilung der K rechtswidrig war.
Ja!
Eine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist begründet, wenn das fragliche Rechtsverhältnis besteht (positive Feststellungsklage), nicht besteht (negative Feststellungsklage) oder wenn der Verwaltungsakt nichtig ist (Nichtigkeitsfeststellungsklage). Wenn Ks dienstliche Bewertung durch L rechtswidrig war, besteht das fragliche Rechtsverhältnis und die Klage ist begründet. Eine separat festzustellende subjektive Rechtsverletzung braucht es bei der Feststellungsklage nicht. Oft ist es eine Frage der Perspektive, ob bei einer Feststellungsklage festzustellen ist, dass das streitige Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. Viele Rechtsfragen kann man sowohl positiv als auch negativ formulieren. Darauf kommt es in der Regel nicht an. Entscheidend ist, dass Du das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, sauber herausarbeitest.
5. Der gerichtliche Prüfungsumfang in der Begründetheit ist beschränkt, da die Behörde bei dienstlichen Beurteilungen zur Beförderung einen Beurteilungsspielraum hat, der für das Gericht nicht überprüfbar ist.
Genau, so ist das!
Dem Dienstherrn steht bei dienstlichen Beurteilungen zur Beförderung ein Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene zu. Die Verwaltungsgerichte können nur überprüfen, ob der Dienstherr bei der dienstlichen Beurteilung (1) das Verfahren eingehalten hat, (2) von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, (3) den gesetzlichen Rahmen erkannt und (4) allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet hat sowie (5) keine sachfremden Erwägungen angestellt wurden (RdNr. 10). Nicht gerichtlich überprüfbar oder ersetzbar ist die fachliche und persönliche Beurteilung selbst.
Behördliche Erwägungen auf Tatbestandsseite sind aufgrund des Prinzips des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) in der Regel gerichtlich voll überprüfbar. Ausnahmen sind Prognoseentscheidungen, Prüfungsentscheidungen, Gremienentscheidungen und dienstliche Bewertungen (wie hier), bei denen die Verwaltung einen eigenen Spielraum hat, den das Gericht nicht überprüfen darf.
Unterscheide behördlichen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite streng vom behördlichen Ermessen auf Rechtsfolgenseite!
6. War die dienstliche Beurteilung rechtswidrig, weil K nicht auf ihr Recht aus § 69 Abs. 8 LPersVG RP hingewiesen wurde, dass ein Mitglied des Personalrats am Gespräch beteiligt werden kann?
Nein, das trifft nicht zu!
Das Gespräch mit dem Anspruch auf Personalratsanwesenheit ist das Gespräch, in dem die dienstliche Beurteilung erörtert wird (RdNr. 15). Das Personalratsmitglied hat zwar selbst keinen inhaltlichen Einfluss, kann aber die Rechtmäßigkeit der Beurteilung überprüfen und unterstützen. Ob ein Verstoß gegen die Hinweispflicht zur Rechtswidrigkeit führt, ist umstritten (RdNr. 19f.): Einerseits führe grundsätzlich nur das Fehlen von Hinweisen auf das Recht der Personalratsmitwirkung zur Rechtswidrigkeit. Hier sollte der Personalrat aber nur anwesend sein. Andererseits sei es bedenklich, wenn der Verstoß gegen eine Pflicht folgenlos bleibe.
BVerwG: Für den Fall der K bedarf es keiner Entscheidung, da sie selbst Mitglied des Personalrats war. Die Rechtswidrigkeit kann nicht auf dem fehlenden Hinweis auf ihr Recht zur Hinzuziehung des Personalrats beruhen, da die Aufgaben des Personalrats seinen Mitgliedern bekannt sein müssen (RdNr. 22f).
7. Aufgrund des Wesentlichkeitsprinzips besteht für die Vorgaben zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen ein umfassender Parlamentsvorbehalt.
Nein!
Nach der Wesentlichkeitstheorie, die auf den Rechtsstaats- und Demokratieprinzipien beruht, ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Grundrechte im Wesentlichen selbst festzulegen und nicht der Exekutive zu überlassen (RdNr. 32).
Dienstliche Beurteilungen messen sich in erster Linie am grundrechtsgleichen Recht auf ein angemessenes berufliches Fortkommen aus Art. 33 Abs. 2 GG. (RdNr. 31), sind also grundsätzlich vom Gesetzgeber zu regeln (RdNr. 33). Es bestehe aber kein umfassender Parlamentsvorbehalt: Der Gesetzgeber dürfe die Exekutive durch Rechtsverordnung zu weiteren Vorgaben ermächtigen (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG). Der Gesetzgeber müsse aber das Beurteilungssystem und die Pflicht zur Erstellung eines Gesamturteils regeln (Rdnr. 34). Diesen Anforderungen genügte die rechtliche Grundlage im vorliegenden Fall nicht: Im Ausgangsfall enthielt § 25 LBG RP lediglich eine Verordnungsermächtigung an die Landesregierung zur Reglung der dienstlichen Beurteilungen (RdNr. 26). Auf § 25 LBG RP beruht die sog. Laufbahnverordnung. Andere Länder haben dagegen die rechtlichen Grundlagen für dienstliche Bewertungen in Gesetzesform geregelt (z.B. § 49 ThürLaufbG, § 92 LBG NRW).
8. Ermächtigt der Gesetzgeber zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Reglung der Grundsätze dienstlicher Beurteilungen, muss diese Regelung auch als Verordnung erfolgen und nicht als Verwaltungsvorschrift.
Genau, so ist das!
Die pauschale Weiterleitung der Ermächtigung zur Erstellung von Grundsätzen zur dienstlichen Beurteilung von der Verordnungsebene auf die Ebene der Verwaltungsvorschrift ist unzulässig (RdNr. 36). Der Gesetzgeber genüge den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips nur, wenn er die grundrechtswesentlichen Aspekte in Gesetzesform regle und weitere Vorgaben einer ausreichend bestimmten Verordnungsermächtigung überlasse (RdNr. 37).
Im Land L enthielt weder das LBG RP noch die auf diesem Gesetz beruhende Laufbahnverordnung eigene grundrechtswesentliche Bewertungsmaßstäbe. Die Verordnung ermächtigt lediglich die obersten Dienstbehörden zum Erlass von Beurteilungsrichtlinien. Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, da sie nur verwaltungsintern gelten. Dies ist unzulässig.
Den Unterschied zwischen der Handlungsform der Rechtsverordnung, die spezifischen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen unterliegt, und der Verwaltungsvorschrift stellt einen Kern der Argumentation in diesem Fall dar. Sollte dieser oder ein ähnlicher Fall dran kommen, solltest Du diesen Unterschied herausarbeiten.
9. Da sich aus der Laufbahnverordnung keine normativen Vorgaben ergeben, können alle obersten Dienstbehörden eigene Beurteilungsrichtlinien verfassen. Macht dieser Umstand einen rechtlich einwandfreien Vergleich von Bewerbern unmöglich?
Ja, in der Tat!
BVerwG: Dass sich aus der Laufbahnverordnung keine normativen Vorgaben ergeben und daher nur Art. 33 Abs. 2 GG gilt (Bewertungen erfolgen anhand von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung), führt dazu, dass für jeden einzelnen Geschäftsbereich von jeder obersten Behörde die Kriterien autonom und unterschiedlich festgesetzt werden (RdNr. 28). Dies beeinträchtige die Vergleichbarkeit der Beurteilungen und damit die Auswahlentscheidung selbst (RdNr. 30). Im Personalbereich der K bestand zum Zeitpunkt der Beurteilung nicht einmal eine Verwaltungsvorschrift zur Erstellung von Dienstbeurteilungen. Es wurde ein Beurteilungsvordruck der Polizei verwendet (RdNr. 29).
10. Folgt daraus auch, dass für verschiedene Gruppen von Beamten das Beurteilungsverfahren gleich ausgestaltet sein muss?
Nein!
BVerwG: Der parlamentarische Gesetzgeber ist nur gezwungen, die grundlegenden rechtlichen Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen einheitlich zu formulieren. In einer Verordnungsermächtigung können aber weitere individuelle Vorgaben der Exekutive überlassen werden, zB. der Rhythmus von Beurteilungen, der Inhalt der zu beurteilenden Einzelmerkmale, die Festlegung der mitwirkenden Personen u.s.w. (RdNr. 37). In diesem Rahmen und innerhalb des vom Gesetzgeber vorgegebenen Systems kann der Verordnungsgeber unterschiedliche Ausgestaltungen des Verfahrens für verschiedene Gruppen von Beamten vorgeben (RdNr. 39).
11. Die normativen Vorgaben im Land Rheinland-Pfalz für die Erstellung der angegriffenen Anlassbeurteilung durch die Beklagte waren unzureichend. Führt dies zur Aufhebung der angegriffenen Beurteilung der K durch L?
Nein, das ist nicht der Fall!
Verstoßen Rechtsgrundlagen gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, können sie für einen Übergangszeitraum weiterhin angewendet werden, um einen der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferneren Zustand zu vermeiden (st. Rspr.). Ohne die vorübergehende Weitergeltung der hier maßgeblichen - aber rechtswidrigen - Verwaltungsvorschriften, an der sich auch L bei der Erstellung der Beurteilung von K orientiert hat, könnten die für die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung wichtigen Auswahlentscheidungen nicht getroffen werden. Dies wäre mit Blick auf die Bedeutung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ein Zustand, der noch weiter von der verfassungsmäßigen Ordnung entfernt wäre als vorübergehend auf rechtswidriger Grundlage ergangene einzelne dienstliche Auswahlentscheidungen (RdNr. 40).
12. Die dienstliche Beurteilung von K ist rechtswidrig, weil L stellenweise keine Teilurteile zu den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG und kein Gesamturteil gebildet hatte.
Ja, in der Tat!
Eine Auswahl im Bewerbungsverfahren orientiert sich primär an der dienstlichen Beurteilung der Bewerber. Die dienstliche Beurteilung muss mit einem Gesamturteil abschließen, in das sämtliche vom Dienstherrn bewertete Einzelmerkmale der drei Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) einfließen. Darüber hinaus sind die vom Dienstherrn definierten Merkmale (z.B. Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit) einzubeziehen (RdNr. 45). Für die Vergleichbarkeit der Bewerber muss die dienstliche Beurteilung ein Gesamturteil enthalten, welches keines der Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG außer Betracht lassen darf (RdNr. 43, 47).
K erhielt weder ein Teilzeugnis für ihre Befähigung noch eine Gesamtbewertung. Damit genügt Ks dienstliche Beurteilung nicht den grundlegenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die dienstliche Beurteilung ist rechtswidrig. Ks Klage ist begründet.