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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D entwendet das E-Bike des E und stellt es auf seinem Grundstück ab. E kann den Wohnort des D ausfindig machen und holt sich sein E-Bike vom Grundstück des D zurück.

Einordnung des Falls

Ausschluss gem. § 861 Abs. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat durch den Diebstahl den unmittelbaren Besitz an seinem E-Bike verloren.

Genau, so ist das!

Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen (subjektives Element) getragene tatsächliche Sachherrschaft (objektives Element) über eine Sache. Tatsächliche Sachherrschaft setzt voraus, dass die Person eine realisierbare Möglichkeit zur Einwirkung auf die Sache hat.E hatte keine Möglichkeit mehr zur Einwirkung auf sein E-Bike, nachdem D es entwendete.

2. D hat E den Besitz durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) entzogen.

Ja, in der Tat!

Verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) ist jede widerrechtlich vorgenommene Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in der Ausübung seiner tatsächlichen Sachherrschaft. Widerrechtlich ist die Besitzbeeinträchtigung, wenn sie ohne den Willen des Besitzers erfolgt und gesetzlich nicht besonders gestattet ist. Die Beeinträchtigung kann in einer Sachentziehung oder in einer sonstigen Störung bestehen.D nahm das Fahrrad ohne Willen des E in Besitz. Dies war auch nicht durch eine gesetzliche Regelung besonders gestattet, sondern verwirklicht einen Straftatbestand (§ 242 Abs. 1 StGB).

3. E begeht seinerseits verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB), indem er das E-Bike vom Grundstück des D nimmt.

Ja!

Verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) ist jede widerrechtlich vorgenommene Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers in der Ausübung seiner tatsächlichen Sachherrschaft. Widerrechtlich ist die Besitzbeeinträchtigung, wenn sie ohne den Willen des Besitzers erfolgt und gesetzlich nicht besonders gestattet ist. Die Beeinträchtigung kann in einer Sachentziehung oder in einer sonstigen Störung bestehen.E nahm das Fahrrad ohne Willen des D in Besitz. Dabei kommt es nicht darauf an, dass D das Fahrrad selbst mit verbotener Eigenmacht entwendete oder dass E Eigentümer ist.

4. Kann D also von E das E-Bike herausverlangen (§ 861 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Herausgabeanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Besitzentzug beim Anspruchsteller durch verbotene Eigenmacht, (2) fehlerhafter Besitz des Anspruchsgegners, (3) kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB, (4) kein Erlöschen nach § 864 BGB. E entzog D den Besitz mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). E besitzt fehlerhaft gegenüber D, da er die verbotene Eigenmacht selbst begangen hat (§ 858 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Anspruch des D ist jedoch nach § 861 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Anspruchsausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB setzt voraus: (1) Der entzogene Besitz muss dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft gewesen und (2) in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden sein. Durch den Diebstahl besaß D fehlerhaft gegenüber E. Ebenso erlangte E den Besitz innerhalb eines Jahres nach dem Diebstahl des D. § 861 Abs. 2 BGB stellt eine Ausnahme zum Verbot der Selbstjustiz dar. Dem Dieb sollen keine Ansprüche daraus erwachsen, dass sich der Bestohlene die Sache mit verbotener Eigenmacht wiederbeschafft.

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GEL

gelöscht

23.5.2020, 14:14:14

Da im Sachverhalt keine Angaben zur Zeit gemacht werden, die seit dem Diebstahl des D vergangen ist, könnte man doch theoretisch auch annehmen, dass E das Grundstück noch am selbem Tag ausfindig macht und sich das e-Bike nach § 859 II zurückholt, oder?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

23.6.2020, 09:10:18

Hi, danke für die Frage! „Auf frischer Tat“ heißt ja unmittelbar bei oder alsbald nach der Entziehung. Es ist vielleicht nicht unvertretbar, das hier anzunehmen. Aber wir finden: eher fernliegend. E musste ja laut Sachverhalt erst einmal den Wohnort des D ausfindig machen.

RECU

Recht im Unrecht

22.1.2021, 20:00:37

Aber E könnte ja trotzdem noch am selben Tag den Wohnort gefunden haben. Was meines Erachtens nicht unwahrscheinlich ist wenn man sich sofort auf die Suche macht.

webuser 2014

webuser 2014

14.9.2022, 14:07:31

Kann mir jmd bitte erklären was der genaue Unterschied zu 859 und 861 ist? Auch wenn E nach 861 BGB ein Recht hat, heißt das nicht automatisch , dass E es selbst durchsetzen darf - oder doch?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.9.2022, 10:43:34

Willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Frage, webuser2014! § 859 BGB stellt eine Durchbrechung des Gewaltmonopols des Staates dar. Ausnahmsweise wird der Bürger bei Vorliegen der in § 859 BGB genannten Voraussetzungen nicht darauf verwiesen, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vielmehr kann er sich selbst mit Gewalt der verbotenen Eigenmacht erwehren. § 861 BGB gibt dem Betroffenen dagegen "nur" einen materiellrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Sache. Diesen darf er aber in der Tat nicht selbst durchsetzen, sondern muss hier staatliche Hilfe, also die Gerichte, in Anspruch nehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

11.10.2023, 01:29:52

Aber wo ist denn der Unterschied zum Erbfall? Der Erbbesitz basierend auf vorangegangener Eigenmacht ist fehlerhaft, § 858 II BGB. Insofern müsste der ursprüngliche Besitzer auch ein Recht zur Eigenmacht haben gegen den Erben, ohne dass der Erbe dagegen vorgehen kann, § 861 I, II BGB. Korrekt?

LELEE

Leo Lee

14.10.2023, 15:27:32

Hallo Raphaeljura, wie von dir richtig angemerkt, gibt es keinen wesentliches Unterschied zum Erbfall (außer eben die unterschiedliche Zurechnungsmethode). Genauso wie hier würde der Erbe nicht vorgehen können, aufgrund § 861 II BGB. Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, F. Schäfer § 851 Rn. 8 ff. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

B🐝

Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝

17.2.2024, 22:00:05

irgendwie ist es doch dann so, dass über 861 I es verhindert werden soll dass man Sachen die einem gestohlen wurden selbst zurück holt (und sich nich an den Staat wendet) und über 861 II darf man sie dann aber trotzdem behalten, also wird es ja quasi doch toleriert oder hat der Dieb (dem man das Diebesgut selbst entwendet) irgendwelche Ansprüche oder hat es irgendwelche anderen Folgen?

Persönliche geistige Erschöpfung

Persönliche geistige Erschöpfung

4.3.2024, 12:31:44

Der der Zweck der Selbstjustizvermeidung in § 861 I umfasst insbesondere schuldrechtliche Ansprüche (z.B. den Käufer, der sich die Sache nicht eigenmächtig holen soll). Die Ausnahme des § 861 II enthält die Wertung, dass derjenige der selbst fehlerhaft besitzt (z.B. der Dieb) sich eben nicht auf diesen Zweck berufen können soll. Deshalb stehen ihm keinerlei Herausgabeansprüche gegen den vormals Bestohlenen zu. Der Bestohlene soll sich die Sache, sofern er imstande ist den Dieb ausfindig zu machen, auch ohne sich an den Staat zu wenden wiederbeschaffen können. Also ist Selbstjustiz GRUNDSÄTZLICH nicht ok. Sie ist aber ausnahmsweise im engen, auch zeitlich beschränkten (nur ein Jahr) Rahmen der §§ 861 II, § 862 II ok, wenn der Besitz des Anspruchgegners ggü. dem Anspruchssteller fehlerhaft (§ 858 II) ist.


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