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streitig (herrschende Meinung vs. starke Mindermeinung)

A hat einen erfolgreichen Kleinhandel, in dem auch B angestellt ist. Als A sich aus dem Handel zurückziehen will, betreibt B den Betrieb unter dem Namen des A weiter. A ignoriert dies und unternimmt nichts. B schließt einen Vertrag im Namen des A mit K über Büromaterial.

Einordnung des Falls

Duldungsvollmacht – Stellvertretung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat B durch ihre Untätigkeit konkludent eine Vollmacht zur Fortführung ihres Geschäfts erteilt (nach der Rspr.).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Vertretungsmacht kann sich (1) aus Rechtsgeschäft (gewillkürte Vertretung), (2) aus Gesetz oder (3) aus Organstellung in einer Gesellschaft (gesetzliche und organschaftliche Vertretung) ergeben. Dafür bedarf es eines Rechtsbindungswillens und die Vollmachtserklärung muss dem Bevollmächtigten oder dem Geschäftspartner zugegangen sein (§ 167 Abs. 1 BGB).Hier lässt sich nicht aus dem Ignorieren der Geschäftsfortführung entnehmen, dass A den B hierzu berechtigen wollte. Insbesondere kommt Schweigen grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung zu. Auch ist eine entsprechende konkludente Vollmachtserteilung weder dem B oder dem K zugegangen.

2. B ist nach außen durch den Rechtsschein der Duldungsvollmacht zur Stellvertretung von A gegenüber K berechtigt.

Ja!

Eine Duldungsvollmacht hat nach h.M. die Rechtsnatur einer Rechtsscheinvollmacht (nach a.A. handelt es sich um eine konkludent erklärte Vollmacht). Sie setzt voraus: (1) Der Vertreter tritt von gewisser Dauer und mit gewisser Häufigkeit im Namen des Geschäftsherrn auf (=Rechtsschein), (2) der Geschäftsherr ist geschäftsfähig, kennt und duldet das Verhalten (=Zurechenbarkeit), (3) der Geschäftsgegner nimmt eine Disposition (Vertragsschluss) vor im Vertrauen auf den Rechtsschein (=Kausalität), (4) Geschäftsgegner ist gutgläubig (entsprechend § 173 BGB). Da positive Kenntnis des Geschäftsherrn vorausgesetzt ist, ist er nicht schutzwürdig. Es genügt bereits ein einmaliges Gewährenlassen.B tritt wiederholt im Namen von A auf. A bemerkt die Geschäftsfortführung, unternimmt allerdings nichts.

3. Zwischen A und K ist ein Kaufvertrag über das Büromaterial zustande gekommen.

Genau, so ist das!

Ein Kaufvertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärung voraus, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtet sind.A hat zwar nicht selbst gehandelt, er wurde jedoch von B wirksam vertreten. Insbesondere kann er sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf eine fehlende Vollmacht des B berufen, da er wusste, dass B für ihn handelt, aber in zurechenbarer Weise nichts dagegen unternommen hat. Damit ist zwischen A und K ein wirksamer Kaufvertrag über das Büromaterial zustande gekommen.

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Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

29.6.2020, 11:34:45

Beantwortet man die erste Frage mit "Ja" (was ihr als falsch angebt) folgt man einer in der Lehre stark vertretenen Mindermeinung. Man sollte deswegen schon in der Frage selbst kenntlich machen, dass ihr die Antwort nach BGH und deswegen ein "Nein" wolllt.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

29.6.2020, 21:16:14

Danke für den Hinweis! Wir haben das ergänzt. Wie folgen bei Jurafuchs fast ausschließlich der Rspr. Das sollten wir ggf mal in einem globalen Hinweis transparent machen.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

17.11.2020, 10:36:03

Wir haben diesen Fall zudem mit einem Tag (am unteren Ende der Illustration) markiert: „streitig (herrschende Meinung vs. starke Mindermeinung)“, um deutlicher zu machen, dass das Institut der Duldungsvollmacht unterschiedlich beurteilt wird.

JO

jomolino

7.2.2022, 13:12:12

Ich finde die Fragen tatsächlich (ausnahmsweise) sehr wenig hilfreich um die unterschiedlichen Positionen zu lernen. Vielleicht wäre es besser eine Aufgabe zu machen welche Aufgabe für uns gegen die Annahme der Existenz einer Duldungsvollmacht sprechen. (Ähnlich würde ich es übrigens gerne für die Anfechtbarkeit von bereits ausgeübten Vollmachten vorschlagen.)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2022, 12:37:05

Danke für den Hinweis, nomamo. Gerne werden wir hier noch entsprechende Abgrenzungsaufgaben ergänzen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Nordisch

Nordisch

26.9.2022, 11:09:36

Ich finde die Fragen auch etwas doppeldeutig in diesem Fall und die Aufbereitung nicht ganz so gelungen. Daher auch eine Verständnisfrage: Eine Frage lautet, dass B durch Rechtsschein zur SV ggü A BERECHTIGT ist. Ist dem denn so? Ich dachte, dass lediglich der, nunja, Rechtsschein einer Berechtigung durch Stellvertretung des B von A vorliegt. A hat den B ja gerade nicht (mehr) berechtigt, wie in der Vorfrage auch verneint wird.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.9.2022, 19:14:34

Hallo Nordisch, vielen Dank für Deine Nachfrage. Wir haben die Aufgabe hier noch einmal etwas präzisiert. Es geht um die Frage, ob eine Berechtigung im Außenverhältnis vorliegt bzw. anders ausgedrückt, kann B die A nach außen hin wirksam vertreten? In der Tat fehlt es an einer entsprechenden (konkludenten) Bevollmächtigung durch A. Nichtsdestotrotz ergibt sich aus dem Umstand, dass A hier nicht einschreitet ein Rechtsschein in Form der Duldungsvollmacht. Aus dieser speist sich die Vertretungsmacht der B. Ich hoffe, es ist jetzt etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

19.9.2023, 22:26:05

Wie begründet die Literaturansicht, dass in der wissenden Untätigkeit eine konkludente Bevollmächtigung zu sehen sei?

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 18:27:21

Hallo QuiGonTim, die Lit. begründet diese Ansicht damit, dass wenn der Vertretene sehr wohl weiß, was der Vertreter ohne Vertretungsmacht tut und dies einfach passieren lässt, dass hierin wohl eine Erklärung dahingehend zu sehen ist, dass er ihn gleich bevollmächtigt. Im Grunde kommen beide praktisch zum gleichen Ergebnis (und zwar dass vertreten wird), jedoch dogmatisch anders (bei der Lit. liegt eine richtige Vollmacht vor, während nach der h.M. nur ein Rechtsscheinstatbesatnd vorliegt). Dies wirkt sich dann später bei der Anfechtbarkeit aus (bei der Lit. kein Ding, weil eben eine echte Vollmacht als WE vorliegt, während bei der h.M. streitig ist, ob ein Rechtssceintatbestand überhaupt angefochten werden kann). Hierzu kann ich die Lektüre von Medicus/Petersen Bürgerliches Recht Rn. 100 f empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dogu

Dogu

28.6.2024, 19:04:17

Entgegen der Darstellung reicht eine einmalige Duldung des einmaligen Handelns des Scheinvertreters aus. Dies unterscheidet die Duldungsvollmacht von der Anscheinsvollmacht. Einer Duldung dauerhaften Verhaltens bedarf es nicht zwingend.


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